Spanien

Gehen oder bleiben?

Gedenken in Barcelona Foto: dpa

Entsetzen herrscht in der jüdischen Gemeinde von Barcelona über das brutale Attentat islamistischer Terroristen. Bei der Amokfahrt eines marokkanischen Einwanderers mit einem Lieferwagen wurden am Donnerstagnachmittag vergangener Woche auf der Flaniermeile La Rambla 15 Passanten getötet und mehr als 100 Personen zum Teil schwer verletzt.

Unter den Verletzten sind 13 deutsche Urlauber, darunter neun mit schweren Verletzungen. Auch eine Touristin aus Israel wurde verletzt. Die Terrororganisation »Islamischer Staat« (IS) übernahm die Verantwortung für den Anschlag.

Auf Anraten der katalanischen Polizei schloss die jüdische Gemeinde von Barcelona unmittelbar nach dem Terroranschlag aus Sicherheitsgründen sämtliche Gemeindeeinrichtungen für die Öffentlichkeit. Die Sicherheitsvorkehrungen wurden verstärkt.

Restaurant Der Oberrabbiner von Barcelona, Meir Bar-Hen, erklärte jedoch der Jewish Telegraphic Agency (JTA), der Anschlag habe sich »nicht direkt gegen jüdische Einrichtungen gerichtet«. Das an der Rambla gelegene und bei Touristen beliebte koschere Restaurant »Maccabi« sei von dem Anschlag nicht betroffen gewesen. Es war »kein primäres Ziel der Attentäter«, sagte Rabbiner Bar-Hen. Am Montag war das Restaurant wie üblich für den Publikumsverkehr geöffnet. »Alles in Ordnung«, sagte eine Mitarbeiterin.

Für Aufregung innerhalb der jüdischen Gemeinde sorgen allerdings Äußerungen von Oberrabbiner Bar-Hen, der vor einigen Tagen erklärte, Juden hätten in Spanien keine Zukunft mehr. »Dieser Ort ist verloren. Es ist besser, zu gehen, bevor es zu spät ist«, betonte Bar-Hen in zahlreichen Interviews.

Der Rabbiner, der die Gemeindemitglieder seit Jahren zur Alija auffordert, sieht sich durch den Anschlag in seiner Ansicht bestätigt, Juden könnten in Spanien nicht mehr leben. Spanien, sagt Bar-Hen, sei das »Zentrum des islamistischen Terrors in Europa«. Teil des Problems sei, dass Radikale zur muslimischen Bevölkerung Spaniens gehörten. Die jüdische Gemeinde sei dem Tode geweiht, weil die spanischen Behörden nicht gegen den radikalen Islam vorgehen wollten, klagt der Oberrabbiner.

Widerspruch Heftigen Widerspruch erhob die Föderation der Jüdischen Gemeinden in Spanien (FCJE). In einer Presserklärung betonten die Vertreter der FCJE, sie vertrauten den staatlichen Institutionen im Kampf gegen den Terrorismus. »Spaniens Juden verlassen sich auf die Staatsschutzorgane.« Man sei stolz, dass Juden seit mehr als 100 Jahren in Barcelona leben, betonte der Sprecher der Gemeinde, Victor Sorenssen. »Wir werden unsere Stadt nicht verlassen.«

Der marokkanische Attentäter Younes Abouyaaqoub war von der Plaça de Catalunya fast einen halben Kilometer in Schlangenlinien über den Mittelstreifen der Rambla gerast. Besonders am Nachmittag ist die Promenade eine beliebte Flaniermeile für Touristen und Bewohner der Altstadt von Barcelona. Buden, Gaukler und Straßenmusiker sorgen für Unterhaltung, und auch der berühmte Markt »Mercat de la Boqueria« direkt an der Rambla zieht viele Touristen an.

Auf seiner anschließenden Flucht tötete Abouyaaqoub einen Autofahrer, bevor er am Montagnachmittag erkannt und bei einem Schusswechsel von Polizisten getötet wurde. Der 22-Jährige war wohl Teil einer aus fast einem Dutzend Mitgliedern bestehenden IS-Zelle.

Barcelona sei nur knapp einem größeren Anschlag entgangen, erklärte ein Sprecher der katalanischen Polizei. Zwei Tage zuvor hatte es in einem Ferienhaus an der Mittelmeerküste in Alcanar, rund 200 Kilometer südwestlich von Barcelona, eine schwere Explosion gegeben. In dem Gebäude fanden die Ermittler Sprengstoff und rund 120 Gasflaschen. Die Polizei vermutet, dass die ursprünglichen Anschlagspläne durch die nächtliche Explosion offenbar durchkreuzt wurden.

Kommentar

Müssen immer erst Juden sterben?

Der Anschlag von Sydney sollte auch für Deutschland ein Weckruf sein. Wer weiter zulässt, dass auf Straßen und Plätzen zur globalen Intifada aufgerufen wird, sollte sich nicht wundern, wenn der Terror auch zu uns kommt

von Michael Thaidigsmann  14.12.2025

Meinung

Blut statt Licht

Das Abwarten, Abwiegeln, das Aber, mit dem die westlichen Gesellschaften auf den rasenden Antisemitismus reagieren, machen das nächste Massaker nur zu einer Frage der Zeit. Nun war es also wieder so weit

von Sophie Albers Ben Chamo  14.12.2025 Aktualisiert

Anschlag in Sydney

Felix Klein: »Von Terror und Hass nicht einschüchtern lassen«

Zwei Männer töten und verletzen in Sydney zahlreiche Teilnehmer einer Chanukka-Feier. Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung äußert sich zu der Tat

 14.12.2025

Terror in Sydney

Zivilist entwaffnet Angreifer und wird als »Held« gefeiert

Zwei Männer schießen auf Teilnehmer einer Chanukka-Feier in Sydney: Es gibt Tote und Verletzte. Ein Video soll nun den mutigen Einsatz eines Passanten zeigen

 14.12.2025

Australien

Merz: »Angriff auf unsere gemeinsamen Werte«

Bei einem Anschlag auf eine Chanukka-Feier in der australischen Metropole gab es viele Tote und Verletzte. Der Bundeskanzler und die Minister Wadephul und Prien äußern sich zu der Tat

 14.12.2025 Aktualisiert

Terror in Sydney

Zentralrat der Juden: »In Gedanken bei den Betroffenen«

Der Zentralrat der Juden und weitere jüdische Organisationen aus Deutschland äußern sich zu dem Anschlag auf eine Chanukka-Feier im australischen Sydney

 14.12.2025 Aktualisiert

Australien

16 Tote bei antisemitischem Massaker in Sydney

Zwei Attentäter schießen auf Juden, die sich am Bondi Beach in Sydney zu einer Chanukka-Feier versammelt hatten

von Michael Thaidigsmann  15.12.2025 Aktualisiert

Australien

Judenfeindlicher Terroranschlag in Sydney: Zwei Personen in Polizeigewahrsam

Die Polizei ruft nach dem Angriff in Sydney dazu auf, das Gebiet des Angriffs weiter zu meiden. Der Einsatz dauere an

 14.12.2025

Terror

Medienberichte: Terroranschlag in Australien bei Chanukka-Feier

Die Polizei warnt vor einem »sich entwickelnden Vorfall« am Bondi Beach. Ersten Berichten zufolge soll das Ziel ein Chanukka-Fest gewesen sein. Australische Medien berichten von mehreren Opfern

von Denise Sternberg  14.12.2025 Aktualisiert