Longevity

Für immer jung?

Der Computer erstellt einen Avatar mit allen wichtigen Daten – erstaunlich.

Longevity

Für immer jung?

Die ZDF-Moderatorin Andrea Kiewel outet sich als Hypochonderin und beschreibt, warum man niemals zu alt ist, sich Gedanken übers Älterwerden zu machen

von Andrea Kiewel  29.07.2025 16:51 Uhr

Wenn ein Hypochonder freiwillig zum Arzt geht, dann ist besagter Hypochonder entweder an einer eingebildeten unheilbaren Infektion erkrankt oder er wird von einer schweren Krankheit namens Neugier heimgesucht. Oh ja, die Neugier kann Ängste überwinden und mich an einem Mittwochmorgen, sieben Uhr 30, ins größte Krankenhaus des gesamten Nahen Ostens, das »Sheba Medical Center« locken.

Ich möchte bitte voranstellen, dass ich alles, was im weitesten Sinne mit Ärzten zu tun hat, meide wie der Teufel das Weihwasser. Meine Eltern gingen auch noch mit 39,5 Grad Fieber zur Arbeit, ich moderierte meine Fernsehshow mit Angina, diversen Mittelohrentzündungen und sogar mit Mumps. Kranksein gab und gibt es in meiner Familie nicht. Wir jammern nicht, und vor allem stecken wir lieber den Kopf in den Sand, statt eine Arztpraxis aufzusuchen, um dort irgendwelche Diagnosen zu erfahren, von denen wir nichts wissen wollen.

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Mein Vater sel. A. war in seinem Leben zweimal im Krankenhaus: bei seiner Geburt und zum Sterben. Gleichwohl bildete er sich jede nur denkbare Krankheit ein und vererbte mir diese Verrücktheit, ohne dass ich darum bat. Ich höre von einer seltenen Entzündung im Auge und sehe augenblicklich schlechter. Alles, was sich innen und außen im und am Körper abspielen kann, stelle ich umgehend an mir selbst fest und sorge mich schrecklich.

Im Februar moderiere ich eine Charity Gala, bei der Spenden zur Errichtung einer neuen Abteilung für traumatisierte Kinder im »Sheba Medical Center« gesammelt werden. Am selben Tag veröffentlicht das US-Magazin Newsweek eine Rangliste der besten Krankenhäuser der Welt. Das Sheba-Hospital landet auf dem 8. Platz. Kol haKavod!

Die Longevity-Tagesklinik im »Sheba Medical Center« ist für alle da – auch Kassenpatienten.

Ein Wort macht an diesem Abend während der Spendengala immer wieder die Runde: Longevity. Laienhaft ausgedrückt handelt es sich dabei um die Wissenschaft der Langlebigkeit. Wir alle wollen es werden, und niemand will es sein: ALT. Ich beispielsweise wohne im Norden Tel Avis, in der Nachbarschaft, in der einst Jitzchak Rabin lebte. Die Häuser wurden Anfang der 70er-Jahre gebaut. Die meisten Bewohner sind niemals umgezogen, weswegen ich nicht selten die Jüngste auf der Straße bin.

Ich sehe 80-, 90-jährige Damen und Herren vorsichtig schleichend mit Rollatoren oder etwas abwesend in Rollstühlen sitzend und betreut von philippinischen Pflegern. Ich besuchte den Vater eines Freundes in einem speziellen Heim für Demenzkranke. Der Papa war gerade mal 65 Jahre alt und erkannte seinen Sohn nicht mehr. Nur ein Jahr später war er gestorben.

Ich bin pünktlich 7 Uhr 30 an der Rezeption und fühle mich wie in einer Wellness-Lounge auf dem Mond.

Es ist dringend an der Zeit, dass sich die Medizin mit dem Älterwerden beschäftigt und uns dabei hilft, lange gesund zu leben. Dringend! Es gibt mittlerweile sündhaft teure Kliniken in Dubai und Amerika, aber älter werden nicht nur die Jeff Bezos dieser Welt, nein, keiner kann immer 17 sein. Die Longevity-Tagesklinik im »Sheba Medical Center« ist für alle da: Kassenpatienten sind ebenso willkommen wie Privatzahler. Alle werden den gleichen Untersuchungen und Tests unterzogen. Das ist weltweit einmalig. Entsprechend lang sind die Wartelisten.

Ein paar Tage vor meinem Besuch muss ich etliche Dokumente ausfüllen. Es gibt Fragen zu meiner Gesundheit. Zu meinen Gewohnheiten, aber auch psychologische Fragen: Leben Sie das Leben, welches Sie leben wollen? Wie viel Alkohol trinken Sie pro Woche? Machen Sie Kraftsport? Haben Sie Sex?

Ich bin pünktlich 7 Uhr 30 an der Rezeption und fühle mich wie in einer Wellness-Lounge auf dem Mond. Alles ist rund, es gibt keine scharfen Ecken, Farben und Licht sind in perfekter Harmonie. Viel Holz. Viel Samt. Von Krankenhaus-Atmosphäre keine Spur. Der Hypochonder in mir entspannt sich ein wenig. Ich bekomme eine Art Tagespass mit diversen Stationen, die ich alle absolvieren muss. Als Erstes treffe ich auf Svetlana, die Chefin des Labors. Sie nimmt gefühlt 100 Liter Blut ab. Die Checkliste kann sich sehen lassen. Besonderen Wert legen die Longevity-Experten auf den Hormonspiegel.

Wenn es in der noch relativ jungen Wissenschaft der Langlebigkeit bereits Erkenntnisse gibt, dann die, dass die wesentlichen Hauptdarsteller auf der Bühne eines gesunden Lebens auch jenseits der 50 die Hormone sind. Ganz besonders bei uns Frauen. Die Todesrate von Frauen und Männern bis zur Mitte des Lebens, also bis zum circa 50. Lebensjahr, liegt bei 1 : 2. Also auf eine Frau sterben zwei Männer. Nach dem 50. Lebensjahr ändert sich dieses Verhältnis zu 1 : 1. Warum? Weil unsere weiblichen Körper alles an Hormonen aufgebraucht haben, was der Ewige einst für Eva und ihre Nachkommen vorgesehen hat.

Auf eine Frau sterben zwei Männer. Nach dem 50. Lebensjahr ändert sich dieses Verhältnis.

Professor Rabinovic, der Chef-Gynäkologe (eine Koryphäe) des Longevity-Teams, erklärt mir Sachverhalte meines eigenen Körpers, von denen ich noch nie gehört habe, und einmal mehr frage ich mich, warum wir alles über unsere Zeit vor 50 und so wenig über die Zeit ab 51 wissen. Meine Knochendichte (Osteoporose-Vorsorge) wird gemessen, ich muss weit sehen und winzig kleine Buchstaben vorlesen, ich muss sehr tiefe und sehr hohe Töne hören, EKG, Blutdruck, Arterien- und Venendruck werden gemessen. Meine Favoriten sind die kognitiven Tests. Also alles, was mit dem aktuellen Alter meines Gehirns zu tun hat. Ich muss riechen. Synthetisch hergestellte Düfte: Leder, Rose, Ananas, Lakritz. Erst durchs linke Nasenloch, dann rechts, dann durch beide.

Es gibt einen wissenschaftlich erwiesenen Zusammenhang zwischen Alzheimer und der Fähigkeit, Gerüche zu erkennen. Ich mache das gut, sagt die HNO-Ärztin.

Eine andere Longevity-Expertin lässt mich Denksportaufgaben lösen: »Sage mir in 30 Sekunden alle Wörter mit dem Anfangsbuchstaben F – keine Namen oder Orte. Zähle, so schnell du kannst, von 102 rückwärts und subtrahiere immer 3.« Auf Englisch! »Andrea, merke dir Face, Velvet, Church, Daisy, Red. Ich komme später darauf zurück.« Kommt sie tatsächlich.

Aber ich Fuchs habe mir die Wörter in eine Geschichte gepackt, weswegen ich zumindest auf dieser Ebene glänzen kann. Mein liebster Test ist denkbar einfach: Auf einem Computerbildschirm erscheint das Wort RED. Es ist aber in Blau geschrieben, weswegen ich das blaue und nicht das rote Feld auf dem Bildschirm anklicken muss. Mein Kopf raucht. Die kleinen grauen Zellen machen Überstunden. Ich übersetze hin und her. Was gesund ist. Gutes Denken nützt, gutes Denken schützt. Zwischendrin immer wieder Fragen über meine Ernährung, ob ich Ängste habe und wie gut oder schlecht ich schlafe. Schon seit circa zwei Jahren weiß man, dass ein ausgedehnter Mittagsschlaf (zwei Stunden und mehr) für Frauen jenseits der 70 eine mögliche Gefahr darstellt, an Alzheimer zu erkranken.

Der Staat Israel, aber natürlich auch private Geldgeber, investieren Milliarden in das Longevity-Projekt im »Sheba Medical Center«. Gesundheitsministerien und Ärzte aus der ganzen Welt bitten um Auskunft über gewonnene Erkenntnisse. Wie alt ich aktuell bin und was ich tun kann, um das biologische Alter meines Körpers zu verbessern, erfahre ich in zwei Wochen. Wie das funktioniert, frage ich Professor Tzipi Strauss, die Chefin des Longevity-Centers. Ihre Antwort ist wirklich erstaunlich. Der Computer erstellt eine Art Avatar mit all den Daten, die die optimale Andrea präsentieren. Und daneben gibt es dann die echte Andrea mit ihren echten Ergebnissen, die es zu optimieren gilt.

Der Computer erstellt einen Avatar mit allen wichtigen Daten – erstaunlich.

Vitamine, Nahrungsergänzungsmittel, verbesserte Essgewohnheiten, gesünderer Schlaf (ich bekomme ein transportables Schlafüberwachungsgerät, groß wie eine Armbanduhr, für eine Nacht mit nach Hause), Training mit Gewichten und eine individuell abgestimmte Einnahme natur-identischer Hormone. Glücklich sein, sich ehrenamtlich engagieren, Finger weg vom Mittagsschlaf und viel Liebe machen – das sind die wesentlichen Zutaten für ein besseres, längeres Leben. Ich weiß jetzt schon, dass ich in diesem Leben nicht mehr aus dem Schneidersitz aufstehen werde, ohne Hände oder Knie zu benutzen. Auf alles andere bin ich sehr gespannt.

Am Abend der Charity Gala, bei der Spenden für das Traumazentrum in Höhe von 800.000 Euro zusammenkommen, fällt ein bemerkenswerter Satz: Gesund sterben! Ich weiß, es klingt beim ersten Hören absurd. Aber wenn man länger darüber nachdenkt, macht das durchaus Sinn. Mir jedenfalls gefiele es. Sehr sogar.

Die Autorin ist Moderatorin beim ZDF.

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