Russland – USA

Freiheit für Evan Gershkovich?

Seit 100 Tagen im Gefängnis: der amerikanisch-jüdische Journalist Evan Gershkovich Foto: picture alliance/dpa/TASS

Russland – USA

Freiheit für Evan Gershkovich?

Moskau und Washington verhandeln möglicherweise über einen Gefangenenaustausch

von Polina Kantor  13.07.2023 14:13 Uhr

Evan Gershkovich wird am 7. Juli kaum nach Feiern zumute gewesen sein: Es war sein 100. Tag im Gefängnis. Offiziell sitzt der zuletzt für das Moskauer Büro des »Wall Street Journal« tätige amerikanisch-jüdische Journalist wegen Spionagevorwürfen in Russland in Untersuchungshaft. Er soll Daten über ein Rüstungsunternehmen gesammelt ha­ben, doch was ihm im Detail zur Last gelegt wird, ist unbekannt, da die Strafsache der Geheimhaltung unterliegt. Kommt es zu einer Gerichtsverhandlung, drohen dem 31-Jährigen bis zu 20 Jahre Straflager.

Nun gab es erstmals konkrete Anzeichen für ein Fortschreiten der Bemühungen um einen etwaigen Gefangenenaustausch. Anfang vergangener Woche erhielt die US-Botschafterin in Moskau, Lynne Tracy, erstmals seit ihrem letzten Besuch im April die Erlaubnis, Gershkovich im Hochsicherheitsgefängnis Lefortowo zu sprechen. Zeitgleich konnten russische Diplomaten den seit 2021 in Ohio inhaftierten Malware-Entwickler Wladimir Dunajew aufsuchen, dem die USA transnationale Cyberkriminalität vorwerfen.

GESPRÄCHE Kremlsprecher Dmitrij Peskow deutete am Folgetag an, dass dies Teil eines Verhandlungsprozesses für einen eventuellen Gefangenenaustausch sein könnte. »Es existieren diesbezüglich gewisse Kontakte«, zitierte ihn die Nachrichtenagentur RIA Novosti. Einzelheiten wollte er nicht preisgeben, denn der Verlauf der Gespräche sei nicht für die Öffentlichkeit bestimmt.

Jake Sullivan, Berater von US-Präsident Joe Biden für Fragen der nationalen Sicherheit, bestätigte am vergangenen Freitag Peskows Worte. Es habe tatsächlich Diskussionen gegeben, aber daraus hätten sich keinerlei klare Anhaltspunkte ergeben, auf welche Weise eine Freilassung erfolgen könnte. Zwar unternähmen die Vereinigten Staaten alles in ihrer Macht Stehende, um eine Lösung zu finden, doch wolle er »keine falschen Hoffnungen« wecken. Sullivan hatte sich zuvor mit Familienangehörigen des Journalisten und einigen seiner Kollegen getroffen. Ein Sprecher des US-Außenministeriums teilte überdies mit, Gershkovich befinde sich in guter Verfassung.

Bereits im April hatte die Nachrichtenagentur Bloomberg den Verdacht geäußert, Russlands Präsident Wladimir Putin habe höchstpersönlich Gershkovichs Verhaftung angeordnet. Peskow verneinte dies im Anschluss mit Verweis auf die Kompetenzen der zuständigen Geheimdienste, die lediglich ihre Funktion erfüllt hätten. Sie unterstehen jedoch direkt Putin, und ohne seine Billigung wäre ein Akt wie dieser sicherlich undenkbar. Schließlich handelt es sich um den ersten Spionagefall gegen einen ausländischen Korrespondenten seit 1986.

Geheimdienste Rechercheergebnisse über das Vorgehen russischer Geheimdienste, die das »Wall Street Journal« vergangene Woche veröffentlichte, ergeben ein finsteres Bild. In der Publikation, die auf Dutzenden Interviews mit hochrangigen westlichen Diplomaten und Beamten aus dem Sicherheitsapparat beruht, ist insbesondere von einer beim Inlandsgeheimdienst FSB angesiedelten Sondereinheit für Aufklärungsoperationen die Rede, kurz DKRO, die sich auf die Beobachtung ausländischer Staatsangehöriger spezialisiert.

Für die USA und Kanada ist deren erste Abteilung zuständig. Diese Gruppe soll auch für eine Reihe seltsamer Vorfälle verantwortlich sein, wie beispielsweise den mysteriösen Tod des Hundes eines US-Botschaftsmitarbeiters sowie platte Reifen an Dienstfahrzeugen.

Aus dem Material geht ebenso hervor, dass Putin sich gezielt für die Operation interessiert habe, die zur Festnahme von Gershkovich geführt hat. Auf die Frage, warum sich der DKRO ausgerechnet den jungen Journalisten vorgenommen hat, haben dessen Kollegen eine einleuchtende Antwort parat: In einem seiner letzten Artikel ging es um die Verantwortung der Geheimdienste bei der Planung der russischen Invasion in die Ukraine.

USA

Angriff auf Cousin einer ermordeten Geisel

Ariel Yaakov Marciano wurde in Santa Monica angegriffen und geschlagen, weil er Hebräisch sprach

 17.09.2025

Belgien

Gent bleibt hart: Lahav Shani bei Festival weiter unerwünscht

Nach massiver Kritik befasste sich der Verwaltungsrat des Musikfestivals am Montagabend erneut mit der Ausladung der Münchner Philharmoniker. Es blieb bei der Ausladung

von Michael Thaidigsmann  16.09.2025

Bundesamt für Statistik

Dieser hebräische Vorname ist am beliebtesten bei Schweizer Eltern

Auch in der Schweiz wählen Eltern weiterhin häufig biblische Namen für ihr Neugeborenes

von Nicole Dreyfus  16.09.2025 Aktualisiert

Kommentar

Das Geraune von der jüdischen Lobby

Der Zürcher »Tages-Anzeiger« befasst sich kritisch mit dem Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund, der die Absage einer Veranstaltung mit Francesca Albanese an der Uni Bern gefordert hatte. Dabei war diese Intervention richtig

von Michael Thaidigsmann  15.09.2025

Argentinien

Raubkunst in der Immobilienanzeige

Die Tochter eines Naziverbrechers wollte ihre Villa verkaufen und führte Ermittler auf die Spur einer gestohlenen Kunstsammlung

von Andreas Knobloch  13.09.2025

München/Gent

Charlotte Knobloch spricht von »historischem Echo«

Nach der Ausladung des israelischen Dirigenten Lahav Shani von einem Musikfestival meldet sich Charlotte Knobloch mit deutlichen Worten

 11.09.2025

Italien

Jüdisches Touristen-Paar in Venedig attackiert

Die Täter schrien »Free Palestine«, bevor sie die Ehefrau mit einer Flasche attackierten und ihren Ehemann ohrfeigten

 11.09.2025

Georgien

Sicher und schön

Der Kaukasus-Staat pflegt Erbe und Zukunft der Juden. Und bietet atemberaubende Natur. Ein Besuch

von Michael Khachidze  11.09.2025

Belgien

Argerich, Maisky, Schiff empört über Gent-Festival

Bekannte jüdische und nichtjüdische Musiker haben eine Petition gestartet, um gegen die Ausladung der Münchner Philharmoniker und ihres Dirigenten Lahav Shani zu protestieren

 11.09.2025