Südafrika

Eiszeit zwischen Kap und Zion

Barghuti-Graffito an der Trennmauer im Westjordanland Foto: Reuters

Er war einer der Hauptverantwortlichen der Zweiten Intifada. 2004 wurde er verhaftet und erhielt fünf lebenslange Freiheitsstrafen. Ist Marwan Barghuti ein Freiheitskämpfer oder ein Terrorist? Diese Frage spaltet derzeit Südafrika und erhielt neuen Zündstoff, als Erzbischof Desmond Tutu und die Ahmed Kathrada Foundation (AKF) vor zwei Wochen eine Kampagne für Barghutis Befreiung starteten. Diese sind überzeugt: Bei dem Palästinenser handle es sich um einen ebensolchen Freiheitskämpfer wie Nelson Mandela. Der Apartheidvergleich ist nicht neu.

Von der South African Zionist Federation (SAZF) hagelte es Kritik, handle es sich bei Barghuti doch um einen verurteilten Terroristen: »Barghuti war über Jahre hinweg für Dutzende Anschläge verantwortlich. Leute, die unschuldiges Blut an den Händen haben, mit Südafrikas Freiheitskämpfern zu vergleichen, ist eine Beleidigung für deren Andenken.« Für Entsetzen sorgte obendrein der Ort, an dem die »Free Marwan Barghuti«-Kampagne ins Leben gerufen wurde: Auf der ehemaligen Gefängnisinsel Robben Island saßen einige der führenden Köpfe der Anti-Apartheidbewegung in Haft, darunter Nelson Mandela, Ahmed Kathrada und der heutige Präsident des Landes, Jacob Zuma.

Mandela Unterdessen startete Südafrikas palästinensische Lobby zum Gegenangriff: Die SAZF sei nicht berechtigt, über den Apartheidvergleich zu urteilen, da sie das weiße Minderheitsregime offen unterstützt habe. »Es wäre interessant zu fragen, ob die SAZF Mandela und seine Mitstreiter auch vor 50 Jahren als Freiheitskämpfer bezeichnete, als diese noch im Gefängnis saßen«, so AKF-Direktor Neeshan Balton.

Die Solidarität mit den Palästinensern zieht sich im Land am Kap durch alle Bereiche. Was zu Beginn der 90er als völkerverbindende Idee begann, wirkt sich 20 Jahre später auf den Alltag aller Südafrikaner aus. 2009 bekamen Hafenarbeiter in Durban die Anweisung, unter keinen Umständen ein Containerschiff aus Israel zu entladen, Südafrika sprach für seine Bürger eine Reisewarnung aus, und seit Kurzem tragen Produkte aus den besetzten palästinensischen Gebieten ein eigenes Zertifikat. Ein entscheidender Teil der Südafrikaner sieht darin die Zeichen eines gemeinsamen Leidenswegs: Auch die Palästinenser litten wie die Südafrikaner vor 20 Jahren unter einem Apartheidregime. Was seit einigen Jahren jedoch am meisten leidet, sind die diplomatischen Beziehungen.

Erst vor zwei Wochen sorgte Südafrikas Außenministerin Maite Nkoana-Mashabane für einen neuen Skandal, als sie ankündigte, keine Minister mehr nach Israel schicken zu wollen. »Unsere palästinensischen Freunde haben uns bei formalen Anlässen gebeten, nicht mehr mit Israels Regime zusammenzuarbeiten.«

Nahostkonflikt Die Kooperation auf ministerialer Ebene werde man erst wieder aufnehmen, wenn es erste Annäherungen im Nahostkonflikt gäbe. Dem Jewish Bord of Deputies (SAJBD) in Kapstadt zufolge steuere die Ministerin damit jedoch in genau die entgegengesetzte Richtung als die, die von der Regierung vorgegeben worden war: Eigentlich sollte mit beiden Seiten verhandelt werden.

Die Antwort aus Israel kam prompt. Außenminister Avigdor Lieberman rief jüdische Südafrikaner dazu auf, »nach Israel auszuwandern, bevor es zu spät ist«. Es handle sich bloß um eine Frage der Zeit, bis es in Südafrika zu Pogromen gegen Juden komme, sagte er. Der regierende African National Congress (ANC) reagierte empört, denn die Meinungs- und Religions- freiheit werde spätestens seit der Einführung der Demokratie 1994 hochgehalten.

Die SAZF und das SAJBD befürchten, dass Liebermans Äußerung die diplomatischen Beziehungen nur noch mehr belasten könnte. Sie nannten seine Ansichten »alarmierend und hetzerisch«. Der Regierung in Kapstadt empfahlen sie, mit beiden Konfliktpartnern im Nahen Osten zu verhandeln. Folge sie weiter einer einseitigen Diplomatie, drohe Südafrika seinen internationalen Ruf als Streitschlichter zu verlieren.

USA

Personifizierter Hass

Menschen wie Nick Fuentes waren lange ein Nischenphänomen. Nun drängen sie in den Mainstream und sind gefährlicher denn je

von Sophie Albers Ben Chamo  26.11.2025

Meinung

Die polnische Krankheit

Der Streit um einen Tweet der israelischen Schoa-Gedenkstätte Yad Vashem zeigt, dass Polen noch immer unfähig ist, sich ehrlich mit der eigenen Vergangenheit auseinanderzusetzen

von Jan Grabowski  26.11.2025

USA

Ein Stadtneurotiker wird 90

Woody Allen steht als Autor, Regisseur und Schauspieler für einzigartige Filme. Doch bis heute überschatten Missbrauchsvorwürfe sein Lebenswerk

von Barbara Schweizerhof, Sophie Albers Ben Chamo  26.11.2025

Orange Day

Palina Rojinski spricht über Gewalt in früherer Beziehung

Wie viele Frauen hat auch die Moderatorin einst in einer Beziehung Gewalt durch ihren Partner erfahren. Darüber spricht sie nun auf Instagram. Sie will anderen Mut machen, sich Hilfe zu holen

 25.11.2025

Kultur

André Heller fühlte sich jahrzehntelang fremd

Der Wiener André Heller ist bekannt für Projekte wie »Flic Flac«, »Begnadete Körper« und poetische Feuerwerke. Auch als Sänger feierte er Erfolge, trotzdem konnte er sich selbst lange nicht leiden

von Barbara Just  25.11.2025

Holzstörche zur Geburt in Niederösterreich. Noch immer werden neben den klassischen Namen viele biblische Namen den Kindern gegeben.

Statistik

Diese hebräischen Vornamen in Österreich sind am beliebtesten

Österreichische Eltern wählen gern Klassiker. Unter den Top Ten sind auch viele Namen biblischen Ursprungs

von Nicole Dreyfus  24.11.2025

Hollywood

80 Jahre Goldie

Die quirlige Schauspielerin feiert ihren runden Geburtstag – und ist nicht zu bremsen

von Barbara Munker, Sophie Albers Ben Chamo  23.11.2025

TV-Tipp

TV-Premiere: So entstand Claude Lanzmanns epochaler Film »Shoah«

Eine sehenswerte Arte-Dokumentation erinnert an die bedrückenden Dreharbeiten zu Claude Lanzmanns Holocaust-Film, der vor 40 Jahren in die Kinos kam

von Manfred Riepe  21.11.2025

USA

Zwölf Familien, eine Synagoge

Die meisten Juden in Nordamerika leben in Großstädten, auf dem Land gibt es nur wenige Gemeinden – aber gerade dort wächst eine besonders starke Identität. Ein Besuch in der Kleinstadt Rome im Bundesstaat Georgia

von Katja Ridderbusch  21.11.2025