USA

Einer wird gewinnen

Entwickelt eine große Strahlkraft für jüdische Wähler: Bürgermeisterkandidat Andrew Yang am vergangenen Wochenende bei einer Wahlkampfveranstaltung in Manhattan Foto: imago images/NurPhoto

Mit 1,2 Millionen jüdischen Einwohnern allein im engeren Stadtgebiet ist New York City eine der größten jüdischen Städte weltweit.

Dementsprechend gespannt blickt man in der 8,3-Millionen-Metropole auch auf das Wahl- und Kandidatenverhalten der jüdischen New Yorker. Denn am 22. Juni finden die Vorwahlen für den Bürgermeisterposten statt. Erstmals dürfen die Wähler nicht mehr nur einen einzigen Kandidaten wählen, sondern haben die Möglichkeit, fünf nach ihrer favorisierten Reihenfolge zu bestimmen.

LISTE Die Fülle an Bewerbern ist groß, 13 haben sich qualifiziert und stehen auf der offiziellen Kandidatenliste. Darunter sind auch jüdische Kandidaten wie Aaron S. Foldenauer oder Scott M. Stringer – aber die Frage ist nicht, ob ein jüdischer Kandidat gewinnen kann, sondern wer die Mehrheit der jüdischen Wähler für sich gewinnen kann.

Bis Anfang des Jahres schien relativ klar zu sein, wer die Favoriten sind. Da es aufgrund der Mehrheitsverhältnisse in New York auch eher nicht darum geht, ob ein Demokrat oder ein Republikaner den Sitz des Bürgermeisters übernimmt, sondern einzig darum, welcher Kandidat der Demokraten das Rennen macht, lag Brooklyns langjähriger Borough President – der Bezirksbürgermeister des riesigen New Yorker Stadtteils –, Eric Adams, vorn.

Der charismatische 60-Jährige ist sowohl bei schwarzen Bürgern wie auch bei orthodoxen Juden beliebt, die in New Yorks Politik ein gewichtiges Wort mitzureden haben. Der Afroamerikaner war lange Polizist, kennt rassistische Herabwürdigungen aus eigener Berufserfahrung und kann daher eine Menge an politischem Ausgleich vermitteln.

umfragen Bei fast allen Wählergruppen lag Adams Umfragen zufolge vorn. Nur bei weißen Bewohnern, demokratischen Erstwählern, solchen, die sich als besonders liberal einschätzen, sowie bei nichtorthodoxen Juden konnte der Ex-Cop, der stets ein Lächeln auf den Lippen trägt, nicht den ersten Platz belegen.

Den belegte Kathryn A. Garcia, auch sie aus Brooklyn. Die Adoptivtochter eines Lehrerpaares wuchs mit vier anderen Kindern ethnisch unterschiedlicher Herkunft in Park Slope (Brooklyn) auf. Sie war bisher oberste Stadtreinigerin, ein extrem wichtiges Amt, das neben Müllabfuhr auch die Straßenreinigung und das Schneebeseitigen beinhaltet.

Die 51-Jährige liegt bei den weißen Wählern, den jüdischen und den sehr liberalen vorn. Ihr Aufstieg ist eine Bedrohung für Eric Adams – denn beide ringen um die eher moderaten Wähler der demokratischen Mitte. Der Wahlkampf um die liberalen jüdischen Stimmen, auch und gerade außerhalb Brooklyns, wird unterdessen härter.

MINDERHEITEN Adams versprach, 50 Prozent der Posten in seinem Regierungsteam mit Angehörigen von Minderheiten zu besetzen, und attackierte Garcia kürzlich, die unter Druck steht, weil es unter ihrer Leitung bei der Stadtreinigung zu Fällen ungerechter Bezahlung von Frauen gekommen sein soll. »Ich werfe nicht mit Dreck um mich«, sagte Adams nach Angaben der »Washington Post« in Richtung Garcia. »Aber wenn Sie Ihre Behörde nicht im Griff haben, wie wollen Sie dann alle anderen Behörden im Griff haben?«

Die eigentlichen Wahlen finden Anfang November statt.

»Die Schlammschlacht beginnt«, konstatierte Garcia kühl. Nicht nur die Schlammschlacht – auch der Kampf um die Gunst der demokratischen Wähler verschärfte sich plötzlich. Denn Anfang des Jahres hat auch Andrew Yang seinen Hut in den Ring geworfen. Der kurzfristige Präsidentschaftskandidat des Vorjahres hatte im Januar angekündigt, dass er Stadtoberhaupt von New York werden will.

Auch Yang, der Sohn taiwanesischer Einwanderer, fischt in den Gewässern von Adams und bemüht sich ebenfalls um die orthodoxen Wähler. Noch scheint Adams in Queens und in den chassidischen Enklaven Brooklyns vorn zu liegen – doch Andrew Yang gefährdet diese Perspektive.

strahlkraft Der 46-Jährige bemüht sich unermüdlich um die orthodoxen Stimmen – und entwickelt für jüdische Wähler generell eine große Strahlkraft. Schon zu Beginn seiner Kandidatur verurteilte Yang unüberhörbar den antisemitischen Charakter der Israel-Boykott-Bewegung und hob seine Unterstützung für den jüdischen Staat hervor. »Die BDS-Bewegung ist nicht nur in antisemitischem Denken und antisemitischer Historie verwurzelt, wie sich in der Wiederbelebung der faschistischen Tradition des Boykotts jüdischer Geschäfte zeigt, BDS ist auch eine direkte Bedrohung für die New Yorker Wirtschaft«, sagte Yang in einem Interview mit dem »Forward«.

»Enge Verbindungen zu Israel sind essenziell für eine dermaßen globale Stadt wie New York, die die größte jüdische Bevölkerung außerhalb Israels hat«, analysiert Yang. »Unsere Wirtschaft hat schwer zu kämpfen – wir sollten dafür sorgen, dass wir wieder kleine Unternehmen ansiedeln, anstatt Handel durch Boykotte zu unterbinden.«

Derlei Klartext stößt natürlich bei jüdischen Wählern auf Zustimmung, auch wenn es Kritik zu Yangs Äußerungen vom linken Flügel der Partei gab. »Wenn ich mich so umschaue, ist er die beste Wahl für New York City und die beste Wahl für die jüdische Community«, sagt Daniel Rosenthal, orthodoxer Abgeordneter aus Queens. Zudem ist Yang bei der Orthodoxie beliebt, weil er das Jeschiwa-System vehement verteidigt.

SATMARER So hat Andrew Yang nach und nach die Felder besetzt, die eigentlich Eric Adams schon für sich verbucht hatte – oder der jüdische Kandidat Scott Stringer, der Chef der New Yorker Finanzaufsicht. Der 61-Jährige hat aber mit Vorwürfen sexueller Übergriffe zu kämpfen, die ihn die Unterstützung der Demokraten gekostet haben.

Momentan scheint also alles auf Andrew Yang hinauszulaufen, der zudem im Mai noch die Unterstützung der in Teilen Brooklyns einflussreichen Satmarer für sich verbuchen konnte. Ein Sohn nationalchinesischer Einwanderer, auf den Schild des Bürgermeisters gehoben von Satmarer Chassidim – so etwas könnte und kann es wirklich nur in New York City geben.

Kommentar

Wo Israel antritt, rollt der Ball ins moralische Abseits

Israelische Spieler und Fußballfans werden schon lange dafür diskriminiert, dass sie von anderen gehasst werden.

von Louis Lewitan  06.11.2025

Kommentar

Warum Zürichs Entscheid gegen die Aufnahme von Kindern aus Gaza richtig ist

Der Beschluss ist nicht Ausdruck mangelnder Menschlichkeit, sondern das Ergebnis einer wohl überlegten Abwägung zwischen Sicherheit, Wirksamkeit und Verantwortung

von Nicole Dreyfus  06.11.2025

Kommentar

In Zohran Mamdanis New York werden Juden geduldet, nicht akzeptiert

»Liberale Zionisten« müssen in der Regierung des neuen Bürgermeisters keinen »Lackmustest« fürchten. Was beruhigend klingen soll, zeigt, wie stark der Antisemitismus geworden ist - nicht zuletzt dank Mamdani

von Gunda Trepp  05.11.2025 Aktualisiert

New York

ADL will Mamdani unter Beobachtung stellen

Die Anti-Defamation League erwartet vom neugewählten New York Bürgermeister nichts Gutes. Jetzt hat die jüdische Organisation angekündigt, man werde genau hinschauen

 05.11.2025

Amsterdam

Wegen IDF-Kantor: Concertgebouw sagt Chanukka-Konzert ab

Die renommierte Musikhalle hat wegen des geplanten Auftritts von IDF-Chefkantor Shai Abramson das alljährliche Konzert abgesagt. Die jüdische Gemeinschaft ist empört und will gegen den Entscheid klagen

von Michael Thaidigsmann  05.11.2025 Aktualisiert

Essay

Mamdanis demokratische Steigbügelhalter

Führende Politiker der Demokraten haben aus Opportunismus die Wahl des Israel-Hassers Zohran Mamdani zum New Yorker Bürgermeister ermöglicht - und so in Kauf genommen, dass aus Worten gegen Israel wieder Gewalt gegen Juden werden könnte

von Menachem Z. Rosensaft  05.11.2025

Vatikan

Theologe: Antisemitismus bei Vatikan-Konferenz kein Einzelfall

Der Salzburger Theologe Hoff berichtet über Eklats bei einer jüngsten Vatikan-Konferenz. Ein Schweizergardist soll sich verächtlich über Mitglieder einer jüdischen Delegation geäußert und in ihre Richtung gespuckt haben

 04.11.2025

Spanien

Francos Erbe

Das Land, das den Sefardim einst ihren Namen gab, verlangt seinen Juden heute einiges ab

von Valentin Suckut  03.11.2025

»Nobody Wants This«

Alle wollen Esther

Einer der Gründe, die Netflix-Serie zu sehen, ist Jackie Tohn. Die Schauspielerin mit dem Blick, der Stahl schmelzen kann, tanzt gern auf vielen Hochzeiten

von Sarah Thalia Pines  03.11.2025