Griechenland

Ein Archiv kehrt heim

Einst eine sehr jüdische Stadt: Thessaloniki Foto: Getty Images

Fast 80 Jahre nach dem Raub durch die deutschen Nationalsozialisten am 11. Juli 1942 kehren die Archive der jüdischen Gemeinden Griechenlands sowie Kultusgegenstände und Bücher aus jüdischen Stiftungen in ihre Heimat zurück. Sie befanden sich seit Mai 1945 zunächst im Besitz der Sowjetunion und später der Russischen Föderation.

Das Archiv zum jüdischen Leben in Griechenland war von Soldaten der Roten Armee durch Zufall entdeckt worden. Der Legende nach suchten zwei Rekruten nach einem Ort für ihre Notdurft, als sie auf einen Eisenbahnwaggon stießen, der das Archiv enthielt.

GESCHICHTE Die Geschichte des Judentums in Griechenland reicht mehr als 2500 Jahre zurück. Manche sagen, sie sei die Geschichte Griechenlands. Mit dem Archiv kehrt nun ein wesentlicher Teil der griechischen Geschichte wieder zurück. Das Archiv wird, wenn das Holocaust-Museum in Thessaloniki fertiggestellt sein wird, allen Interessierten zur Verfügung stehen.

Die Verhandlungen, die wie bei der Londoner Konferenz (1997) und der Washingtoner Konferenz über Vermögenswerte aus der Zeit des Holocaust (1998) auf höchster Ebene stattfanden, entwickelten sich im Lauf der vergangenen Jahrzehnte zu einer Prestigefrage für beide Staaten.

Die Geschichte des Judentums in Griechenland reicht mehr als 2500 Jahre zurück.

Griechenlands Ministerpräsident Kyriakos Mitsotakis konnte jüngst bei seinem letzten Besuch in Moskau zusammen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin endlich einen Schlusspunkt unter das schwierige Kapitel setzen. Während der Dekaden der Verhandlungen stellte die russische Seite immer wieder neue Forderungen, die von den Griechen erfüllt wurden.

Griechenland muss dafür, dass das russische Militärarchiv in Moskau das Archiv der griechischen Juden jahrzehntelang »aufbewahrt« hat, Entschädigungszahlungen an Moskau leisten. Und Griechenland wird im Gegenzug für die Rückgabe der jüdischen Archivalien das Archiv des zaristischen Konsulats in Chania auf der Insel Kreta an Russland übergeben.

Schon im Jahr 2000 hatte Griechenlands damaliger Staatspräsident Kostis Stefanopoulos als Zeichen des guten Willens Flaggen der zaristischen Kriegsmarine, die 1917 in den Besitz einer griechischen Familie gelangt waren, an Russland zurückgegeben.

EINIGUNG Bereits 2014 war eine Einigung zur Rückgabe des Archivs vereinbart worden, doch forderte Russland später zusätzlich Gemälde der russischen Avantgarde-Malerin Ljubow Popowa aus der Sammlung Costakis aus dem Museum für moderne Kunst in Thessaloniki.

Der Sammler George Costakis hatte Popowas Werk wiederentdeckt und Bilder davor bewahrt, dass sie der Stiefsohn von Popowas Bruder als Regenvordach verwendete. Bei seiner Ausreise hatte er 1977 rund 80 Prozent seiner Sammlung an die UdSSR übergeben müssen. 1996 hatte der griechische Staat die Reste der Sammlung von Costakis› Erben erworben.

»Für uns, die Israelitische Gemeinde Thessalonikis, ist die Rückkehr der Archi­ve aus Moskau etwas sehr Wichtiges, es ist unsere Geschichte. Wir alle müssen wissen, was passiert ist, das Verbrechen, wie es passiert ist, und wir sind an einem Punkt angelangt, an dem wir florierende Gemeinden, die eine große Rolle im Handel, in der Buchproduktion und in der Musik spielen, fast vollständig verloren haben«, kommentierte der Vorsitzende des Zentralrats und der Gemeinde von Thessaloniki, David Saltiel, gegenüber der Nachrichtenagentur AMNA die frohe Kunde von der Rückkehr des Archivs.

Heute leben noch rund 5000 Juden in Griechenland. Während der Schoa wurden 70.000 jüdische Männer, Frauen und Kinder, knapp 70 Prozent der damaligen Gemeindemitglieder, ermordet. Am schlimmsten traf es die zu fast 95 Prozent ausgelöschte Gemeinde von Thessaloniki.

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