USA

Der Lautsprecher

Howard Lutnick: Donald Trumps Kumpel aus gemeinsamen Partyzeiten wurde Handelsminister fürs Grobe. Foto: picture alliance / Captital Pictures

Howard Lutnick ist derzeit eines der besonders sichtbaren Gesichter der Trump-Regierung. Kaum ein Tag vergeht, an dem der Handelsminister nicht in den Nachrichten ist, um US-Präsident Donald Trumps neueste Volte in der Zollpolitik zu erklären und zu verteidigen. Am vergangenen Sonntag, dem traditionell wichtigsten Tag der Polit-Talkshows im amerikanischen Fernsehen, schien es so, als sei Lutnick den ganzen Tag von Studio zu Studio gehetzt, um der amerikanischen Öffentlichkeit zu verkaufen, warum Trump die Strafzölle nun doch teilweise zurückzieht.

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Dabei überschlägt sich der Sohn eines jüdischen Geschichtsprofessors und einer Künstlerin aus den edleren New Yorker Vororten von Long Island förmlich. Im forschen Stil und im Eiltempo rast er von einem Gedanken zum nächsten. Dabei ist seine Botschaft immer dieselbe: Die ganze Welt bereichert sich auf dem Rücken von Amerika, und genau das muss nun endlich ein Ende haben.

Lutnick präsentiert sich gern als Architekt der Trumpschen Welthandelspolitik und als ihr lautstärkster Verkäufer. Er sei ja derjenige, sagte er kürzlich in einem Pod­cast, der Trump schon lange vor dessen zweiter Präsidentschaft den Weg zu diesem brüsken Vorgehen gegen den Rest der Welt gewiesen und die Umsetzung Schritt für Schritt durchgeplant habe. Er sei es auch gewesen, der Trumps vagen Wunsch, Amerikas Rang als führende Wirtschaftsmacht der Welt wiederherzustellen, in konkrete Handlungsanweisungen umgesetzt habe.

Mittlerweile wird seine fachliche Kompetenz in Abrede gestellt.

Lutnick ist dabei so laut und so omnipräsent, dass Regierungsmitglieder zunehmend unverblümt ihren Unmut über den 63-Jährigen zum Ausdruck bringen. So sagten Insider gegenüber dem Magazin »Politico«, der Handelsminister mache sich durch die Art und Weise, wie er sich ständig in den Vordergrund dränge, in Washington mehr und mehr Feinde. »Er versucht, der Mini-Trump zu sein. Es muss ihm mal jemand sagen, dass es nur einen Trump gibt.«

Die gleichen Stimmen stellen infrage, wie groß Lutnicks Anteil daran tatsächlich war, Trumps umstrittene Zollpolitik zu entwerfen und durchzusetzen, und wie groß sein Einfluss auf Trump wirklich ist. Selbst seine fachliche Kompetenz wird in Abrede gestellt. Um derartiges Geraune zu dämpfen, sagte kürzlich der Sprecher des Weißen Hauses, Kush Desai, dass Lutnicks herausragende Karriere im privaten Sektor wohl für sich spreche. Genau das jedoch zweifeln Kritiker an.

Lutnick machte sich in der Privatwirtschaft einen Namen, als er nach den Terroranschlägen des 11. September 2001 die New Yorker Maklerfirma Cantor Fitzgerald wieder zu einer profitablen Finanzinstitution aufbaute. Cantor Fitzgerald, wo Lutnick seinerzeit angestellt war, hatte Büros in den oberen Stockwerken des World Trade Center. Als das erste von Al-Qaida-Terroristen gesteuerte Flugzeug in den Wolkenkratzer einschlug, kamen alle 658 Mitarbeiter, die an diesem Morgen im Büro waren, ums Leben. Das Unternehmen wurde zu einem Symbol der 9/11-Tragödie. Lutnick überlebte, weil er noch unterwegs war, um seinen Sohn in den Kindergarten zu bringen. Sein Bruder starb im Inferno der Türme.

»Hündchen vom Boss«

Zum Zeitpunkt der Anschläge war Lutnick bereits Vorstandsvorsitzender der Firma. Deren Gründer Bernie Cantor hatte ihn Mitte der 80er-Jahre als jungen Makler angeheuert und gefördert. Er sei »das Hündchen vom Boss« gewesen, gab Lutnick einmal offenherzig zu. Seine Tätigkeiten beinhalteten, dem Chef Kaffee zu holen, dessen Rasen zu mähen und die Frau auszuführen.

In jener Zeit entstand auch die Freundschaft zwischen Lutnick und Donald Trump. Die beiden trafen sich immer wieder auf Wohltätigkeitsbällen, zu denen Lutnick Cantors Frau begleitete, und nachdem er die Frau seines Chefs nach Hause gebracht hatte, gingen die beiden Junggesellen auf Tour. »Wir sind denselben Frauen hinterhergejagt«, sagte Lutnick später. Trump und Cantor verband jedoch mehr als testosterongetriebene Machospiele im New Yorker Nachtleben. Laut einem Report von »Bloomberg News« galten beide in der New Yorker Geschäftswelt als Außenseiter. Was Trump im Immobilien­geschäft war, war Lutnick im Finanzwesen: ein ungehobelter, zum Vulgären neigender Emporkömmling, mit dem man nur mit zugehaltener Nase Geschäfte tätigte und sozial nicht verkehrte.

Weil es Lutnick nach 9/11 schaffte, die Firma Cantor Fitzgerald fast aus dem Nichts wiederaufzubauen, gelang es ihm, seinen Ruf als Geschäftsmann zu verbessern. Er kümmerte sich um die Familien der Terroropfer, besuchte jede Beerdigung und gründete einen Fonds für die Hinterbliebenen. Hinter den Kulissen zeigte er sich allerdings weniger großzügig: Die Lohnfortzahlungen für die Familien der Opfer wurden weitgehend eingestellt.

Im Herbst 2023 habe Trump sich dann wieder bei ihm gemeldet, so Lutnick. Mit der Bitte, ihm bei der Kampagne zur Wiederwahl zu helfen. Lutnick zögerte nicht lange, spendete spontan 15 Millionen Dollar aus eigener Tasche und begann, Events mit finanzkräftigen Spendern zu organisieren. Kaum jemand war in der heißen Phase des Wahlkampfes als Cheerleader für Trump an der Wall Street wichtiger als sein alter Kumpel aus Junggesellentagen.

Schon in Trumps Übergangsteam heckte Lutnick eine neue Handelspolitik aus.

Nach der Wahl dankte Trump es Lutnick, indem er ihm eine führende Rolle in seinem Übergangsteam einräumte. Lutnick nutzte die Funktion, um eine neue Handelspolitik auszuhecken und vertrauliche Verhandlungen über ein Handelsabkommen mit China einzuleiten.

Seine Nominierung für den Posten des Handelsministers war dennoch alles andere als selbstverständlich. Das begehrte Amt war hart umkämpft. Hinzu kam, dass Trump sich zwischenzeitlich darüber genervt zeigte, wie Lutnick um ihn herumschwirrte und versuchte, den Nominierungsprozess zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Am Ende bekam der New Yorker Geschäftsmann vor allem deshalb den Zuschlag, weil Elon Musk ihn unterstützte.

Doch schon nach drei Monaten scheint der Zauber verflogen zu sein. Lutnick geht mit seiner Art vielen im Weißen Haus auf die Nerven. Wie lange er noch amtieren darf, ist ungewiss. Dass Trump auf alte Freundschaften keine Rücksicht nimmt, hat er schon mehrfach bewiesen.

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