London

Der junge Mann und das Mehr

»Diesmal stellen nicht nur Bauunternehmen und Einrichtungshäuser aus, sondern auch Unternehmen aus dem Lebensmittelbereich«: Ari Feferkorn

Im Untergeschoss eines zweistöckigen Wohnhauses im orthodox geprägten Londoner Stadtviertel Stamford Hill sitzt Ari Feferkorn in seinem Büro vor zwei Computern. Der Lamellenvorhang vor dem Fenster verdeckt das Tageslicht, auf dem Schreibtisch liegen Kataloge. Am rechten Handgelenk trägt Feferkorn ein Plastikarmband mit der hebräischen Aufschrift »Halte schlechte Neuigkeiten von mir fern!«. Und auf einem kleinen Aktenschrank steht ein Gebet für gute Geschäfte – beides orange.

Feferkorn trägt ein weißes kurzärmeliges Polohemd mit dem Namen eines seiner Projekte: »JTrade. London 2019«. Das Wort »Trade«, englisch für Handel, ist ebenfalls orange, genau wie Feferkorns neuer Range Rover vor dem Büro. »Orange ist meine Lieblingsfarbe«, sagt der junge Mann mit einem Lächeln, das die hauchdünnen Pejes an seinen Schläfen wackeln lässt. Aus den Hinterzimmern, in denen Feferkorns Mitarbeiter sitzen, dringen Gespräche auf Jiddisch, englische Wörter sind nur gelegentlich zu hören.

Erfolg Mit seinen erst 28 Jahren hat der in New York aufgewachsene orthodoxe Geschäftsmann durchaus Grund, zufrieden zu sein. In London, wo er seit acht Jahren lebt, gründete er eine Familie und hat ungeahnten beruflichen Erfolg.

Dabei fing seine Karriere sehr mühselig an. »Mein erster Job in London war in einer Fleischerei, wo ich als Hilfskraft arbeitete. Das bedeutete, morgens um sechs Uhr anzufangen und bis halb sechs am Nachmittag durchzuhalten«, erinnert er sich.

Als er 2500 Quadratmeter Ausstellungsfläche mietete, hielten ihn alle für verrückt.

Obwohl er mit der körperlich sehr anstrengenden Arbeit zufrieden gewesen sei, habe er eigentlich einen anderen Traum gehabt. »Ich wollte ins Bauwesen einsteigen«, erzählt er und bringt auf den Punkt, was ihn daran reizte: »unter schwierigen Umständen etwas aufzustellen«.

Ohne Ausbildung fing er dann bei einem jüdischen Bauunternehmer an – und gründete kurz darauf mit nur 24 Jahren sein erstes eigenes Unternehmen. Dabei setzte er eine Idee um, die er schon länger hatte: »Warum Geld an die Wohlfahrt spenden, wenn man Arbeitsplätze für jüdische Arbeitslose schaffen kann?«

zusammenarbeit Feferkorn ist es egal, ob er mit Orthodoxen, Liberalen oder Säkularen zusammenarbeitet. »Wir sind eine so kleine Gruppe und in der Welt zerstreut, da gibt es keinen Grund, uns aufgrund von Unterschieden noch mehr zu zerspalten«, meint er.

Nachdem er ein paar Jahre mit diesem Ziel sein eigenes Bauunternehmen aufgebaut hatte, kam ihm eine neue Idee: eine jüdische Baumesse. Auch hier würde es darum gehen, jüdische Unternehmen miteinander zu verbinden.

Ohne zu zögern, buchte er vergangenes Jahr 2500 Quadratmeter Ausstellungsfläche für eine Messe in London. JTrade nannte er das Unterfangen. »Alle hielten mich für verrückt, und niemand glaubte, dass so etwas gelingen könnte«, erzählt Feferkorn.

Doch 180 Aussteller bewiesen das Gegenteil, und es wurde ein großer Erfolg. Für kommenden Montag hat Feferkorn nun zum zweiten Mal eine JTrade-Messe geplant – mit doppelt so viel Ausstellungsfläche. »Diesmal wird es nicht nur um das jüdische Bau- und Einrichtungsgewerbe gehen, sondern wir haben auch Ausstellungsräume für Unternehmen aus dem Lebensmittelbereich«, sagt Feferkorn. 280 Aussteller hätten zugesagt. Als Nächstes will er derartige Netzwerke und Messen auch im europäischen Ausland organisieren.

feedback Ari Feferkorn holt sein Smartphone aus der Tasche und zeigt auf eine SMS, die er neulich erhalten hat. Darin dankt ihm jemand für die Messe im vergangenen Jahr: »Ich hatte damals nur die Idee für ein Fensterputzgeschäft – inzwischen habe ich Kleintransporter und Angestellte«, schreibt der Mann.

»Früher waren zahlreiche Menschen in der orthodoxen Gemeinde in London von Sozialhilfe und Wohlfahrtseinrichtungen abhängig«, erzählt Feferkorn. Das habe sich inzwischen stark verändert. »Wo ein Wille ist, ist eben auch ein Weg.«

Er erzählt von einem Bekannten in seinem Alter, der bei der Müllabfuhr anfing und heute sein eigenes Müllentsorgungsunternehmen hat. Ein anderer habe eine Metallbaufirma gegründet und inzwischen einen Vertrag mit der britischen Eisenbahn geschlossen.

Vergangenes Jahr waren 180 Aussteller vertreten, diesmal sind es 280.

Feferkorn hält viel vom Glauben an sich selbst. »Ich beginne jeden Tag nach dem Morgengebet mit dem Vorsatz, dass heute ein guter Tag werden wird. Manchmal bringe ich etwas für meine Mitarbeiter mit, um damit positive Energie zu verbreiten«, sagt er.

Solche Gesten und harte Arbeit seien das Erfolgsrezept. »Es ist die Hölle, wenn Angestellte kündigen oder der Cashflow nicht stimmt«, gesteht er. Gerade deshalb sei es wichtig, dass sich Leute mit ähnlichem Hintergrund und gemeinsamen Interessen gegenseitig unterstützen und einander gelegentlich treffen.

Doch das ist nicht alles. Feferkorn erzählt, dass sein Vater arm war, als Kassierer arbeitete und nie ein erfolgreiches Geschäft hatte. »Manchmal fehlte es am Geld, um Rechnungen zu bezahlen, doch mein Vater hatte immer eine positive Einstellung zum Leben – bis heute. Er lacht und ist der glücklichste Mensch, wenn er am Schabbat mit uns zusammen ist«, berichtet Feferkorn.

Lebensphilosophie Die Lebensphilosophie des jungen Unternehmers ist: »Wer sich schult, positiv zu denken, kann von keinem Menschen aufgehalten werden. Er erzählt, dass er sich von nichts und niemandem Stress und Sorgen machen lässt und dass er mitten in den Vorbereitungen zur Messe zur Hochzeit eines guten Freundes nach Israel geflogen ist. »Warum denn nicht?«, fragt er. »Mit Handy und Computer lässt sich doch überall arbeiten!«

USA

Angriff auf Cousin einer ermordeten Geisel

Ariel Yaakov Marciano wurde in Santa Monica angegriffen und geschlagen, weil er Hebräisch sprach

 17.09.2025

Belgien

Gent bleibt hart: Lahav Shani bei Festival weiter unerwünscht

Nach massiver Kritik befasste sich der Verwaltungsrat des Musikfestivals am Montagabend erneut mit der Ausladung der Münchner Philharmoniker. Es blieb bei der Ausladung

von Michael Thaidigsmann  16.09.2025

Bundesamt für Statistik

Dieser hebräische Vorname ist am beliebtesten bei Schweizer Eltern

Auch in der Schweiz wählen Eltern weiterhin häufig biblische Namen für ihr Neugeborenes

von Nicole Dreyfus  16.09.2025 Aktualisiert

Kommentar

Das Geraune von der jüdischen Lobby

Der Zürcher »Tages-Anzeiger« befasst sich kritisch mit dem Schweizerischen Israelitischen Gemeindebund, der die Absage einer Veranstaltung mit Francesca Albanese an der Uni Bern gefordert hatte. Dabei war diese Intervention richtig

von Michael Thaidigsmann  15.09.2025

Argentinien

Raubkunst in der Immobilienanzeige

Die Tochter eines Naziverbrechers wollte ihre Villa verkaufen und führte Ermittler auf die Spur einer gestohlenen Kunstsammlung

von Andreas Knobloch  13.09.2025

München/Gent

Charlotte Knobloch spricht von »historischem Echo«

Nach der Ausladung des israelischen Dirigenten Lahav Shani von einem Musikfestival meldet sich Charlotte Knobloch mit deutlichen Worten

 11.09.2025

Italien

Jüdisches Touristen-Paar in Venedig attackiert

Die Täter schrien »Free Palestine«, bevor sie die Ehefrau mit einer Flasche attackierten und ihren Ehemann ohrfeigten

 11.09.2025

Georgien

Sicher und schön

Der Kaukasus-Staat pflegt Erbe und Zukunft der Juden. Und bietet atemberaubende Natur. Ein Besuch

von Michael Khachidze  11.09.2025

Belgien

Argerich, Maisky, Schiff empört über Gent-Festival

Bekannte jüdische und nichtjüdische Musiker haben eine Petition gestartet, um gegen die Ausladung der Münchner Philharmoniker und ihres Dirigenten Lahav Shani zu protestieren

 11.09.2025