Libanon

Das Blaue vom Himmel

Leuchtend rote Ziegel bedecken das Dach, die weiße Fassade ist schon von Weitem zu sehen. Im Innenhof parken die schwarzen Autos der Arbeiter noch inmitten von Bauschutt, und die vier Dattelbäume vor dem Eingang sind mit reichlich Staub bedeckt. Wir befinden uns auf dem Gelände der Magen-Abraham-Synagoge im Wadi Abu Jamil, dem ehemaligen jüdischen Viertel von Beirut. Es liegt direkt vor dem Serail, dem Sitz des libanesischen Premierministers Saad Hariri. Das ist auch der Grund, warum es nicht möglich ist, diese Straße entlangzugehen, ohne von einem Wachmann aufgefordert zu werden, auf keinen Fall Fotos zu machen.

Ein paar Vögel zwitschern, in der Ferne wummern Presslufthämmer. Unfertige Betonpaläste mit baunetzbespannten Gerüsten sowie Ausgrabungsstätten umgeben die sefardische Synagoge, die bald als die einzige tatsächlich funktionsfähige im Libanon ihre zweite Eröffnung feiern wird. Noch ist die der Straße zugewandte Seite nicht gestrichen. Wer die stets abgesperrte und bewachte Baustelle betritt, dem fallen Schutt und Baustoffe ebenso auf wie die farbig isolierten Drähte, die an vielen Stellen aus der Decke und der Fassade herauswachsen. Im Hof stehen drei schwarze Autos, sie gehören den Malern, die gerade die Innengestaltung der Synagoge beenden. Das ganze Team besteht aus 15 Leuten, die meisten davon sind Muslime. »Für Renovierungsprojekte manch anderer religiöser Einrichtungen wurden Künstler aus dem Ausland bestellt, aber die Synagoge wird von Libanesen restauriert, darauf sind wir besonders stolz«, sagt der 37-jährige Maler, der heute mit zwei jungen Frauen die Schicht übernimmt. Dass sein Name in der Zeitung steht, möchte er aus Sicherheitsgründen nicht.

Bomben In vielerlei Hinsicht ist das Projekt sehr ungewöhnlich: 1925 als eine der größten und schönsten Synagogen im arabischen Raum eröffnet, wurde die Synagoge am 12. August 1982 während des libanesischen Bürgerkrieges von israelischen Flugzeugen bombardiert, was das Gebäude schwer beschädigt und ohne Dach zurückließ. Die israelische Armee vermutete auf Grund einer hohen Konzentration von palästinensischen PLO-Kämpfern in dem Viertel versteckte Waffen.

Im Jahr 2006 wurden erstmals Pläne über eine Renovierung geäußert, doch auf Grund der Finanzkrise verzögerte sich der Beginn des Projekts. Im Mai 2009 ging es schließlich los. Der heute 67-jährige Vorsteher der jüdischen Gemeinde im Libanon, Isaac Arazi, nahm die Gelder für den Wiederaufbau entgegen, die unter anderem von der staatlichen Wiederaufbaugesellschaft »Solidere« des ehemaligen Premierministers Rafik Hariri kamen. Solidere zahlte jeweils 150.000 Dollar an 14 verschiedene religiöse Organisationen, um Renovierungen zu unterstützen, darunter auch an die jüdische Gemeinde. Hariri sagte damals: »Wir respektieren das Judentum genauso, wie wir das Christentum respektieren. Unser einziges Problem ist Israel.«

Auch der Maler teilt diese Ansicht: »Es ist ein tolles Projekt, um anderen beweisen zu können, dass wir alle zusammenleben im Libanon.« Die Leute sprächen über religiöse Probleme, die es gar nicht gebe. »Wir sind sehr offen, im Gegensatz zu manch anderen Ländern, und diese Renovierung ist das beste Zeichen dafür.« Tatsächlich erkennt die libanesische Regierung offiziell 18 Konfessionen an, darunter auch das Judentum. Isaac Arazi schätzt, dass weniger als 100 Juden dauerhaft im Land leben. Selbst die islamistische Terrororganisation Hisbollah, die in der Vergangenheit mehrere Male Israel angegriffen und Soldaten getötet hat, reiht sich in die Schar derer ein, die den Aufbau der Beiruter Synagoge unterstützt, wenn auch nur mit Worten. Hussain Rahal, ein Sprecher der Hisbollah, betont: »Juden waren stets Teil des Libanon. Nur mit Israel haben wir ein Problem«.

Kosten Die geschätzten Gesamtkosten von rund 1,2 Millionen Dollar sind durch staatliche und private Spenden gesichert. Doch nicht immer lief alles ganz reibungslos ab. »Wir wollten die Synagoge nach alten Fotos originalgetreu wiederherstellen«, erläutert der Maler. Doch die wenigen Fotos der Fassaden seien weder komplett, noch farbig. »Deshalb waren wir gezwungen, unseren eigenen Stil und eigene Zeichnungen einzubringen«, erläutert er. Seine farbverschmierten Finger deuten auf die drei großen, mit Goldfarbe gemalten Davidsterne an der Decke. Die wurde, wie auch große Teile der Innenwände, in einem hellen, sanften Blauton gehalten. Weißer, handbemalter Marmor und goldene Davidsterne fügen sich harmonisch in das Gesamtbild ein.

Alles deutet darauf hin, dass die Arbeiten bald abgeschlossen sein werden. Wenn es keinerlei Verzögerungen mehr gibt, wird das Gebäude im Dezember feierlich eröffnet. Zu diesem Anlass soll ein Rabbiner aus Europa kommen, der einen Gottesdienst halten wird und der Gemeinde die Synagoge dann in voll funktionsfähigem Zustand übergibt. »Wir renovieren dieses Gebäude nicht nur für Touristen«, sagt der Maler. »Die Synagoge wird eine funktionierende jüdische Einrichtung für die Gemeinde sein. Vielleicht kommen sogar einige der geflohenen libanesischen Juden wieder zurück, ich würde es mir zumindest wünschen«, drückt der Maler seine Hoffnung aus, während sein Blick aus einem der noch unverglasten Fenster in die Ferne schweift.

Zukunft Die Renovierung liegt im Zeitplan, und auch die ausstehenden Arbeiten wie die Installation der Möblierung oder die Fertigstellung des Toraschreins dürften keine Probleme mehr bereiten. Ein in der Geschichte des Libanon einmaliges Projekt nähert sich seinem Ende. Wie es danach weitergeht? »Wir haben bereits Pläne, den zerstörten jüdischen Friedhof für 200.000 Dollar wiederherzustellen«, sagt der Maler. »Bisher freuen wir uns aber erst einmal, dass die Synagoge fertig wird. Es ist das erste und letzte Mal, dass Libanesen eine Synagoge renovieren.«

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