Südafrika

Boykott am Kap

Streitobjekt Herkunftslabel Foto: Frank Albinus

»Made in Israel« – eine Lüge? Ja, wenn es nach Südafrikas Handelsminister Rob Davies geht. Er kündigte Mitte Mai an, sein Land erwäge ein eigenes Label für Produkte aus dem Westjordanland. Das sind neben Obst und Olivenöl auch Softdrinks, Textilien und Kosmetika. Konzernriesen wie HeidelbergCement, Caterpillar oder Motorola wären ebenfalls betroffen.

Kurz nachdem die Debatte in Südafrika losging, äußerten Dänemark und Irland ähnliche Vorhaben. In der Schweiz will der Lebensmittelkonzern Migros Produkte aus den besetzten Gebieten ab 2013 kennzeichnen.

Verurteilung Von der jüdischen Gemeinde in Südafrika erntete der Minister teils heftige Kritik. Doch weniger für das neue Etikett an sich, als vielmehr für seine grobe Entscheidung. Die beiden großen jüdischen Organisationen des Landes, das Jewish Board of Deputies und die Zionistische Föderation Südafrika, verurteilten Davies wegen seiner Weisung, die ihrer Ansicht nach von oben herab kam. Der Minister habe weder eine jüdische Gruppe um ihre Meinung gefragt, noch erklärt, wie die Regierung dazu stehe.

Ein »Made in West Bank«-Label störe sie weniger als der ganze Prozess, erklärt David Jacobson, Direktor des Jewish Board of Deputies, im Gespräch mit der Jüdischen Allgemeinen. Er ist erschüttert, wie ein wirtschaftlicher Schritt so sehr politisiert werden konnte. »Es ist gut, dass die Leute wissen, woher die Produkte stammen. Aber dann müsste man das auf alle Produkte in Südafrika anwenden.« Bei der jüdischen Gemeinde in Kapstadt hat Jacobson Zorn, Besorgnis und Enttäuschung beobachtet. Nun erwägt das Board, Davies vor Gericht zu bringen und den Vorschlag auf seine Legitimität zu prüfen. Bis Juli können Zivilgruppen dagegen Beschwerde einlegen.

Irritationen Der Großteil der jüdischen Südafrikaner übt Solidarität mit Israel, doch die diplomatischen Beziehungen kränkeln in letzter Zeit. Anfang Mai sagte Südafrikas Agrarminister seine Reise nach Israel in letzter Minute ab. Eine offizielle Begründung blieb aus. Die Entscheidung löste diplomatische Irritationen aus.

Nach der jüngsten Aufregung um die Produktkennzeichnung bestellte das israelische Außenministerium den südafrikanischen Botschafter ein. Das schlimmste anzunehmende Ende dieses Konflikts wäre laut Jacobson, wenn die Länder ihre Botschafter zurückriefen. Der wirtschaftliche Schaden sei »vernachlässigbar«. Doch Jacobson warnt vor einem offenen Messer, in das Südafrika laufe: die Streichung der Entwicklungszusammenarbeit. Israel und Südafrika teilten mit Wassermangel dieselbe Ausgangssituation. »Im Gegensatz zu Südafrika ist Israel aber ein hoch technisiertes Land und Vorreiter in Ernährungssicherheit. Es wäre schade, ließe sich Südafrika eine Chance entgehen.«

Lobby Südafrika hat sich in der Vergangenheit schon häufiger mit den Palästinensern verbündet und nicht selten den Groll Israels auf sich gezogen. Offiziell plädiert Südafrika für zwei getrennte Staaten. In den vergangenen Jahren entstand eine Lobby für Palästina, die unter anderem die jährliche Israeli Apartheid Week organisiert. Die Gruppe ist klein, doch sie hat Einfluss. Erzbischof Desmond Tutu ist Unterstützer der Kampagne »Boycott, Divestment and Sanctions« (BDS).

Dass Südafrika, »ein Land, das so lange unter Rassismus gelitten hat«, seit Jahren anti-israelisch eingestellt sei, darüber klagt Israels Außenminister Avigdor Lieberman. Amnesty International hingegen feierte Südafrikas Schritt als Sieg der Menschenrechte. An den Haaren herbeigezogen sind für Jacobson beide Vergleiche.

»Mit Rassismus und Menschenrechten hat das nichts zu tun. Wer ein Produkt aus dem Westjordanland ablehnt, hat keine Skrupel, ins nächste Geschäft zu gehen und dasselbe Produkt aus chinesischer Kinderarbeit zu kaufen. Das ist kein Konsumentenschutz, sondern Politik.«

USA

Ein Stadtneurotiker wird 90

Woody Allen steht als Autor, Regisseur und Schauspieler für einzigartige Filme. Doch bis heute überschatten Missbrauchsvorwürfe sein Lebenswerk

von Barbara Schweizerhof, Sophie Albers Ben Chamo  29.11.2025

Meinung

Wenn ein Botschafter Schoa-Überlebende zu Lügnern erklärt

Tom Rose, neuer US-Botschafter in Warschau, hat in einer Rede die Komplizenschaft Tausender Polen während des Holocaust bestritten. Das ist fatal für das Ansehen der USA

von Menachem Z. Rosensaft  29.11.2025

Großbritannien

Frauen haben Besseres verdient

Die Journalistin Marina Gerner beklagt in ihrem Buch fehlende Innovationen im Bereich Frauengesundheit – und eckt nicht nur mit dem Titel an

von Amie Liebowitz  28.11.2025

Kultur

André Heller fühlte sich jahrzehntelang fremd

Der Wiener André Heller ist bekannt für Projekte wie »Flic Flac«, »Begnadete Körper« und poetische Feuerwerke. Auch als Sänger feierte er Erfolge, trotzdem konnte er sich selbst lange nicht leiden

von Barbara Just  28.11.2025

Niederlande

Demonstranten stören Vorlesung in Gedenken an Nazi-Gegner

An der Universität Leiden erzwangen antiisraelische Studenten die Verlegung einer Gedächtnisvorlesung zum Andenken an einen Professor, der während der Nazi-Zeit gegen die Judenverfolgung protestiert hatte

von Michael Thaidigsmann  28.11.2025

Großbritannien

Verdächtiger nach Anschlag auf Synagoge in Manchester festgenommen

Der Angriff auf die Synagoge am Vorabend des höchsten jüdischen Feiertags Jom Kippur sorgte international für Bestürzung. Jetzt wurde ein weiterer Tatverdächtiger festgenommen

von Burkhard Jürgens  27.11.2025

Bereit fürs ICZ-Präsidium: Noëmi van Gelder, Arthur Braunschweig und Edi Rosenstein (v.l.n.r.)

Interview

»Meinungsvielfalt gilt es auszuhalten« 

Am 8. Dezember wählt die Gemeindeversammlung der Israelitischen Cultusgemeinde Zürich ein neues Präsidium. Ein Gespräch mit den Kandidaten über Herausforderungen an die Gemeinde, Grabenkämpfe und Visionen

von Nicole Dreyfus  27.11.2025

Schweiz

Antisemitismus auch in der queeren Szene benennen

Viele Jüdinnen und Juden fühlen sich teils unsicher, wenn in der queeren Szene über Israel gesprochen wird. Der Verein Keschet will das ändern

von Nicole Dreyfus  27.11.2025

Das Ausmalbuch "From the river to the sea" in einer Buchhandlung in Zürich.

Meinung

Mit Kufiya und Waffen

Ein Kinderbuch mit Folgen

von Zsolt Balkanyi-Guery  27.11.2025