Antisemitismus

Beunruhigende Zahlen

Jeder vierte Jude in den EU-Staaten hat Angst, seine Jüdischkeit öffentlich zu zeigen. Foto: dpa

Die EU-Grundrechteagentur (FRA) hat am Freitag in Wien eine Studie vorgestellt, in der erstmals Juden nach ihren Erfahrungen mit Antisemitismus befragt wurden. Der Bericht basiert auf den Antworten von 5847 Menschen in acht Ländern, in denen nach Schätzungen rund 90 Prozent der jüdischen Bevölkerung der EU leben.

Die wichtigsten Ergebnisse der Studie: 76 Prozent der Befragten gaben an, die Situation habe sich in den vergangenen fünf Jahren deutlich verschlechtert. 21 Prozent haben in den zwölf Monaten vor der Erhebung antisemitische Vorfälle wie Beschimpfungen, Belästigungen oder körperliche Angriffe erlebt. Zwei Prozent wurden im Jahr vor der Umfrage Opfer antisemitisch motivierter körperlicher Angriffe.

Die Befragungsergebnisse zeigen, dass zwischen den Ländern große Unterschiede bestehen. So gaben zum Beispiel in Großbritannien neun Prozent der Befragten an, sie hätten häufig die Behauptung gehört: »Juden sind für die aktuelle Wirtschaftskrise verantwortlich«; in Ungarn äußerten dies hingegen 59 Prozent. In Lettland erklärten lediglich acht Prozent, der Nahost-Konflikt habe einen großen Einfluss darauf, wie sicher sie sich fühlten; in Deutschland äußerten dies jedoch 28 Prozent und in Frankreich sogar 73 Prozent.

Zentralrat Der Präsident des Zentralrats der Juden, Dieter Graumann, lobte die Arbeit der FRA. Mit der Studie untermauere sie mit handfesten Zahlen, von unabhängiger Seite kommend, worauf viele jüdische Organisationen, gerade auch der Zentralrat, seit Jahren aufmerksam machen: »Vorurteile gegen Juden und Antisemitismus sind in Europa hässlicher Teil unserer Lebenswirklichkeit.« Die Studie spiegele die tiefe emotionale Verunsicherung in der jüdischen Gemeinschaft in Europa wider, so Graumann. »Unsere Warnungen waren und sind ganz offensichtlich nicht übertrieben. Wir nehmen die Sorgen und Ängste der Mitglieder unserer Gemeinschaft ernst und wissen ganz genau, was sie bewegt.«

Regierungen, Behörden und die ganze Zivilgesellschaft in den europäischen Ländern seien durch die neuen Zahlen erneut aufgerufen, dem Antisemitismus und der Hasskriminalität überall entschlossen entgegenzuwirken, betont der Zentralratspräsident. »Aber klar ist auch: Wir Juden lassen uns bestimmt niemals entmutigen!«

Forderungen
FRA-Direktor Morten Kjaerum sagte bei der Präsentation, dass innerhalb der EU »gezieltere Maßnahmen« zur Bekämpfung von Antisemitismus notwendig seien.

Der Europäisch-Jüdische Kongress (EJC) ruft die Regierungen der EU-Staaten dazu auf, die Studie gründlich zu lesen und Konsequenzen daraus abzuleiten. »Die Tatsache, dass ein Viertel der Juden aus Angst sein Jüdischsein nicht ausdrücken kann, sollte ein Wendepunkt für Europa und die EU sein«, sagte EJC-Präsident Moshe Kantor. Die Behörden müssten sich mit den Vorfällen von Hass und Intoleranz »als Ganzes beschäftigen, um diese Phänomene wirklich zu bekämpfen« – bevor es zu spät sei. »Wir würden gern konkrete Schritte sehen.«

Mehr Informationen unter folgendem Link:
http://bit.ly/17cpV9d

Kommentar

Müssen immer erst Juden sterben?

Der Anschlag von Sydney sollte auch für Deutschland ein Weckruf sein. Wer weiter zulässt, dass auf Straßen und Plätzen zur globalen Intifada aufgerufen wird, sollte sich nicht wundern, wenn der Terror auch zu uns kommt

von Michael Thaidigsmann  14.12.2025

Meinung

Blut statt Licht

Das Abwarten, Abwiegeln, das Aber, mit dem die westlichen Gesellschaften auf den rasenden Antisemitismus reagieren, machen das nächste Massaker nur zu einer Frage der Zeit. Nun war es also wieder so weit

von Sophie Albers Ben Chamo  14.12.2025 Aktualisiert

Anschlag in Sydney

Felix Klein: »Von Terror und Hass nicht einschüchtern lassen«

Zwei Männer töten und verletzen in Sydney zahlreiche Teilnehmer einer Chanukka-Feier. Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung äußert sich zu der Tat

 14.12.2025

Terror in Sydney

Zivilist entwaffnet Angreifer und wird als »Held« gefeiert

Zwei Männer schießen auf Teilnehmer einer Chanukka-Feier in Sydney: Es gibt Tote und Verletzte. Ein Video soll nun den mutigen Einsatz eines Passanten zeigen

 14.12.2025

Australien

Merz: »Angriff auf unsere gemeinsamen Werte«

Bei einem Anschlag auf eine Chanukka-Feier in der australischen Metropole gab es viele Tote und Verletzte. Der Bundeskanzler und die Minister Wadephul und Prien äußern sich zu der Tat

 14.12.2025 Aktualisiert

Terror in Sydney

Zentralrat der Juden: »In Gedanken bei den Betroffenen«

Der Zentralrat der Juden und weitere jüdische Organisationen aus Deutschland äußern sich zu dem Anschlag auf eine Chanukka-Feier im australischen Sydney

 14.12.2025 Aktualisiert

Australien

16 Tote bei antisemitischem Massaker in Sydney

Zwei Attentäter schießen auf Juden, die sich am Bondi Beach in Sydney zu einer Chanukka-Feier versammelt hatten

von Michael Thaidigsmann  15.12.2025 Aktualisiert

Australien

Judenfeindlicher Terroranschlag in Sydney: Zwei Personen in Polizeigewahrsam

Die Polizei ruft nach dem Angriff in Sydney dazu auf, das Gebiet des Angriffs weiter zu meiden. Der Einsatz dauere an

 14.12.2025

Terror

Medienberichte: Terroranschlag in Australien bei Chanukka-Feier

Die Polizei warnt vor einem »sich entwickelnden Vorfall« am Bondi Beach. Ersten Berichten zufolge soll das Ziel ein Chanukka-Fest gewesen sein. Australische Medien berichten von mehreren Opfern

von Denise Sternberg  14.12.2025 Aktualisiert