USA

Bauer auf Zeit

Nachhaltig: Für viele ist die Arbeit auf dem Feld eine Erfahrung fürs Leben. Foto: imago

Zurzeit ist es noch ein leeres, etwa 4.000 Quadratmeter großes Baugrundstück in West Berkeley. Doch wenn alles gut geht, soll dieses unscheinbare Stück Land im nächsten Sommer Tomaten, Gurken und eine Vielzahl anderer frischer Gartenerzeugnisse hervorbringen, gepflanzt und geerntet von der ersten Kohorte von Universitätsabsolventen, die sich für das Urban-Adamah-Programm angemeldet haben, das jüdische Corps für Nachhaltigkeit.

Das Projekt ist das neueste in einer stetig wachsenden Reihe von jüdischen Agrarinitiativen im ganzen Land und das erste seiner Art an der Westküste der USA. »Wenn man bedenkt, wie groß das Interesse an nachhaltigen Lebensmitteln und sozialer Gerechtigkeit in Kalifornien ist, lag es auf der Hand, unser Pilotprojekt hier in Berkeley zu starten«, sagte Adam Berman, Gründer und Geschäftsführer des geplanten Leadership-Training-Programms. Es sieht vor, dass eine Gruppe junger jüdischer Erwachsener in der Stadt leben wird, um sich drei Monate lang in biologischer Landwirtschaft, grünen Praktiken, jüdischen Studien und konkretem sozialem Engagement zu üben.

Leadership-Seminar Berman hat in den vergangenen sieben Jahren als Geschäftsführer des Isabella Freedman Jewish Retreat Center in Connecticut gearbeitet. Dort gründete er 2003 das Adamah-Programm für Umweltschutz und Leadership-Training für junge jüdische Erwachsene. Im ersten Sommer verbrachten sechs Freiwillige drei Monate auf der Farm. Alle Bewerber wurden angenommen. Dieses Jahr, erzählt Berman, gibt es zehn Bewerber für jeden freien Platz in Connecticut und eine lange Warteliste.

Die 140 ehemaligen Studenten, die Adamah durchlaufen haben – viele von ihnen interessierten sich davor wenig für jüdisches Leben –, besetzen heute die unterschiedlichsten Positionen im Netz der jüdischen Gemeinden. Aus ihnen wurden Rabbiner, jüdische Lehrer und Führungskräfte in jüdischen gemeinnützigen Organisationen. Sie bilden den Kern dessen, was als neue jüdische Ernährungsbewegung bekannt geworden ist.

»Das Adamah-Programm ist unglaublich erfolgreich. Nicht nur das Leben der Adamahniks selbst erfährt eine grundlegende Veränderung, sondern zunehmend auch das Leben jener Menschen und Institutionen, mit denen sie in Berührung kommen«, sagt Nigel Savage, Geschäftsführer von Hazon, einer jüdischen Initiative für Nachhaltigkeit, wo derzeit vier ehemalige Adamah-Stipendiaten angestellt sind.

Erfahrung Genau wie die ursprüngliche Adamah-Organisation soll das Berkeley-Programm zu einer umfassenden Erfahrung werden. Die jüdische Gemeinschaft in der Stadt ist groß, deshalb wird die Farm auch als jüdisches Bildungszentrum dienen und Veranstaltungen für Schulklassen und an den Feiertagen organisieren. Bis zum dritten Jahr des Projekts erwartet Berman 10.000 Farmbesucher jährlich.

»Urban Adamah bietet Jugendlichen die Chance, praktisches Wissen über unsere Erde zu erwerben und jüdische Werte durch hoch qualifizierte Lehrer vermittelt zu bekommen«, sagt Debra Massey, die für Bildung zuständige Leiterin des Temple Beth El in Berkeley. »Es ist aufregend, sich vorzustellen, was uns das auf lange Sicht bringen wird.«

Zehn Stunden in der Woche werden die Stipendiaten bei sozialen Einrichtungen verbringen, die vor Ort tätig sind und sich für Armutsbekämpfung und Nahrungsversorgung engagieren. Berman hofft, dass der Bauernhof im ersten Jahr rund dreieinhalb Tonnen Gemüse erzeugen wird. Das meiste davon, sagt er, solle an die lokalen Lebensmittelhilfen und Suppenküchen geliefert werden. Den Rest will er auf den Bauernmärkten in sozial schwachen Bezirken verkaufen.

Hühnerställe Neu ist auch die Transportfähigkeit des Projekts. Grund und Boden ist in der San Francisco Bay sehr teuer. Statt zu versuchen, Land zu kaufen, fand Berman einen örtlichen Bauunternehmer, der bereit ist, ihm die Nutzung des Areals für drei Jahre umsonst zu überlassen. Stipendiaten wohnen in einem angemieteten Haus, und das Obst und Gemüse wächst in transportablen Kisten und Treibhäusern, die an einen neuen Ort mit umziehen können, wenn der derzeitige Mietvertrag ausläuft. Die Hühnerställe haben Räder, Kurse werden in Zelten abgehalten.

Langfristiges Ziel sei es, das Projekt auf andere Städte auszuweiten. »Es ist eine wunderbare Bereicherung«, sagt Nati Passow, Geschäftsführer der Jewish Farm School, eines gemeinnützigen Vereins, der mit vielen Farmen überall in den USA Partnerschaften unterhält und jüdische Landwirtschaftsprogramme durchführt.

Eine Hauptkritikpunkt an den jüdischen Farm-Initiativen wie dem ursprünglichen Adamah-Programm war laut Passow das Fehlen einer direkten Anbindung an die Arbeit für soziale Gerechtigkeit. Das neue Berkeley-Projekt soll das ändern. Die jungen Teilnehmern erhalten nicht nur eine landwirtschaftliche Ausbildung, sondern arbeiten auch in den Sozialprojekten der örtlichen Gemeinde mit – »eine großartige Kombination«, sagt Passow.

Finanzierung Bislang hat Berman erst ein Drittel des Geldes beschaffen können, das er braucht, um die erste Stipendiatengruppe zu finanzieren, die kommenden Juni eintreffen soll. Doch er setzt seine Arbeit unbeirrt fort, überzeugt, dass sich die nötige Finanzierung finden werde.

Schließlich, so betonen Berman, Savage und Passow immer wieder, ziehen jüdische Umweltschutz- und Nachhaltigkeitsprojekte jedes Jahr mehr junge Menschen an, seien es die auf einer Farm abgehaltenen Seminare der Jewish Farm School oder die jährlich stattfindenden jüdischen Lebensmittelkonferenzen von Hazon.

»Im kommenden Jahrzehnt wird es ein enormes Wachstum in allen Bereichen städtischer Nachhaltigkeit geben«, glaubt Savage. »Das Urban-Adamah-Projekt ist ein naheliegender nächster Schritt – eine Chance, die begabtesten und idealistischsten jüdischen Menschen in Amerika zusammenzubringen und zu inspirieren.«

Kommentar

Der »Tages-Anzeiger« und das Geraune von der jüdischen Lobby

Die Zeitung unterstellt, erst eine Intervention des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes habe zur Absage einer Veranstaltung mit Francesca Albanese durch die Uni Bern geführt. Dabei war die Intervention richtig

von Michael Thaidigsmann  15.09.2025

Argentinien

Raubkunst in der Immobilienanzeige

Die Tochter eines Naziverbrechers wollte ihre Villa verkaufen und führte Ermittler auf die Spur einer gestohlenen Kunstsammlung

von Andreas Knobloch  13.09.2025

München/Gent

Charlotte Knobloch spricht von »historischem Echo«

Nach der Ausladung des israelischen Dirigenten Lahav Shani von einem Musikfestival meldet sich Charlotte Knobloch mit deutlichen Worten

 11.09.2025

Italien

Jüdisches Touristen-Paar in Venedig attackiert

Die Täter schrien »Free Palestine«, bevor sie die Ehefrau mit einer Flasche attackierten und ihren Ehemann ohrfeigten

 11.09.2025

Georgien

Sicher und schön

Der Kaukasus-Staat pflegt Erbe und Zukunft der Juden. Und bietet atemberaubende Natur. Ein Besuch

von Michael Khachidze  11.09.2025

Belgien

Argerich, Maisky, Schiff empört über Gent-Festival

Bekannte jüdische und nichtjüdische Musiker haben eine Petition gestartet, um gegen die Ausladung der Münchner Philharmoniker und ihres Dirigenten Lahav Shani zu protestieren

 11.09.2025

Imanuels Interpreten (13)

Herb Alpert: Der Universalkünstler

Vom Trompeter zum Philantropen: Der Sohn jüdischer Einwanderer aus Kalifornien erreichte in den 90 Jahren seines bisherigen Lebens viel

von Imanuel Marcus  10.09.2025

Bundesamt für Statistik

Dieser hebräische Vorname ist am beliebtesten bei Schweizer Eltern

Auch in der Schweiz wählen Eltern weiterhin häufig biblische Namen für ihr Neugeborenes

von Nicole Dreyfus  10.09.2025 Aktualisiert

Südafrika

Unvergessliche Stimme

Die Schoa-Überlebende Ruth Weiss hat sich als Journalistin, Schriftstellerin und Kämpferin für Menschenrechte einen Namen gemacht. Sie wurde 101 Jahre alt. Ein Nachruf

von Katrin Richter  10.09.2025