Grossbritannien

Batman-Kostüm statt FFP2-Maske

Groß und Klein freuen sich auf das Purimfest. Foto: JWR

Grossbritannien

Batman-Kostüm statt FFP2-Maske

Nach dem Wegfall der Corona-Maßnahmen kann Purim endlich wieder groß gefeiert werden

von Daniel Zylbersztajn-Lewandowski  17.03.2022 08:36 Uhr

Nachdem bereits im Januar die Corona-Abstandsregeln gefallen sind, kann Purim in diesem Jahr in Großbritannien wieder so gefeiert werden wie vor der Pandemie. Ein Veranstalter wirbt mit Europas größter Purimparty, andere laden zu einem riesigen Maskenball in einen Klub in Londons Trendviertel Camden Town, und die ultraorthodoxen Gemeinden veranstalten in Stamford Hill wieder einen Straßenumzug. Den gab es zwar auch im vergangenen Jahr, doch unterlag er damals noch den Abstandsregeln.

Rabbinerin Alexandra Wright von der liberalen Synagoge im Londoner Stadtteil St. Johns Wood beobachtet, dass Purim dieses Jahr bei vielen extra Freude aufkommen lasse – darüber, dass man endlich wieder zusammenkommen kann. Die Purimgeschichte vom Sieg über das Böse hätte wegen des Kriegs in der Ukraine in diesem Jahr eine ganz besondere Bedeutung. »Wir ziehen Parallelen und fragen uns: Wie lassen sich die Kräfte des Hasses und des Bösen besiegen? Wie kann die Entschlossenheit eines Staatschefs gebrochen werden, der ein Nachbarland auslöschen möchte?«

ROLLEN Für das Lesen der Megilla hat Wrights Synagoge dieses Jahr besondere Hilfe von außen angeheuert. Die Coaching-Expertinnen Shoshana Bloom und Rachel Knightley sollen die Rollen und Identitäten in der Purimgeschichte analysieren.

Knightley erklärt, dass es ihr und Bloom um die Geschichten geht, die Menschen über sich selbst erzählen, und die Rollen, die Menschen haben, insbesondere, welche Stärken und welches Potenzial sich dahinter beherbergen. »Bei keinem anderen jüdischen Fest ist das Auskundschaften von Rollen ein derart zentrales Thema wie in der Geschichte von Esther im Purimfest«, sagt Knightley und erinnert sich daran, wie sie sich als Kind verkleidete und dabei stets verschiedene Rollen annahm. »Auch damals wurde bereits analysiert und diskutiert, welche Motivationen hinter den Charakteren stecken und wie sie auf das, was die Welt von ihnen fordert, reagieren.« Im Zentrum ihres Purim-Workshops stehen die eigene Verantwortung und Entscheidungsfreiheit.

Knightley glaubt wie Wright, dass deswegen und auch wegen des lang ersehnten Zusammenseins in der Synagoge Purim dieses Jahr ganz besonders ist. Dies heiße allerdings nicht, dass sie die Zoomveranstaltungen während der Pandemie bedauere. Im Gegenteil, sagt Knightley, sie sei auf ihre heutige Geschäftspartnerin Shushana Bloom und die liberale Synagoge eigentlich erst über Zoom-Veranstaltungen gestoßen. Der gemeinsame Workshop zu Purim gehe darauf zurück.

PUPPENTHEATER Durch die neuen Möglichkeiten nach dem Ende der Corona-Beschränkungen hat auch das Londoner jüdische Gemeinschaftszentrum JW3 eine ganze Serie von Purim-Veranstaltungen im Programm. Zwar gab es auch 2021 an Purim ein paar Familienveranstaltungen im JW3, doch erst dieses Jahr könnte das Zentrum wieder so wie früher für alle offenstehen, die kommen wollen, sagt Jacob Morrison-Wood der die Verantwortung für das Marketing trägt.

Der 37-Jährige glaubt, dass die Pandemie keine negative Erfahrung gewesen sei. »Die Zahl der Menschen, die wir während dieser Zeit per Videoschaltungen online erreichten, hat sich weit über die alten Grenzen und sogar bis ins Ausland ausgeweitet.«

Einer der diesjährigen Purim-Höhepunkte ist eine (bereits ausverkaufte) Puppentheatervorstellung. Darin geht es darum, wie ein ganz gewöhnliches Leben zu einem Wunder wird. Darüber hinaus ist im JW3 ein jüdisches Komödiantenfest geplant. Und selbstverständlich gebe es auch in diesem Jahr wieder das sogenannte Family Purim, sagt Morrison-Wood: »Schminken, Kostümparaden, Superhelden-Spiele – und dieses Jahr neu: ›Soul Jump‹, die erste animierte virtuelle Kinderband der Welt.« Für junge Erwachsene steht außerdem ein Purim-Kabarett auf dem Programm mit Musik und frechen Witzen, welche die Purimgeschichte nachfühlen lassen sollen.

Hamantaschen Für Dara Laughlin, die im Jüdischen Museum in Manchester das Kinder- und Jugendprogramm gestaltet, ist dieses Purim von doppelter Freude. Denn mitten in der Pandemie haben sich endlich wieder die Türen des wegen einer Gesamtrenovierung lange geschlossenen Museums geöffnet – doch erst jetzt könne man Gäste in der neuen Galerie und der historischen Synagoge wieder richtig willkommen heißen, sagt die 25-Jährige.

»Letztes Jahr mussten wir uns auf die Geschichte des Tagebuchs von Harris House beschränken.« Das sind Einträge junger Mädchen, die 1938/39 mit den Kindertransporten aus Nazi-Deutschland und Österreich nach England kamen und eine Zeitlang im nordwestenglischen Southport lebten. »Es gibt in dem Tagebuch auch einen Eintrag über ein Purimspiel, das sie damals auf die Bühne brachten, inklusive Fotos in ihren Kostümen.«

Dieses Jahr hat das Museum Robin Simpson, einen professionellen Schauspieler und Geschichtenerzähler, eingeladen. »Er hat für Purim Geschichten geschrieben, die sich speziell auf einige unserer Ausstellungsstücke beziehen.«

Zudem stehen das Backen von Hamantaschen sowie ein Gourmetabend mit persischer Küche auf dem Purim-Programm. Falls es Besucher aus Deutschland an diesem Purim-Wochenende nach Manchester verschlägt, sollten sie im Jüdischen Museum vorbeischauen, empfiehlt Laugh, denn es gebe noch Karten.

Großbritannien

Warten auf »Bridgerton«

Die Sehnsucht nach der vierten Staffel des Netflix-Hits ist groß. Aber wie war eigentlich das reale jüdische Leben in der Regency?

von Nicole Dreyfus  29.06.2025

Glastonbury Festival

Kritik an antiisraelischen Parolen

Neben der Musik sorgt Hetze gegen Israel für Aufsehen – mit Folgen für die BBC, die alles live übertragen hat

 29.06.2025

Glastonbury

Bob Vylan ruft »Death, death to the IDF« – BBC überträgt es

Beim größten Open Air Festival Großbritanniens rufen Musiker antiisraelische Parolen

 28.06.2025

Militär

Name des schwulen Bürgerrechtlers Harvey Milk von US-Kriegsschiff gestrichen

Das nach Milk benannte Versorgungsschiff heißt jetzt »USNS Oscar V. Peterson«

 28.06.2025

Meinung

Francesca Albaneses Horrorshow

Die UN-Berichterstatterin verharmlost den Hamas-Terror und setzt die Israelis mit den Nazis gleich. Mit ihren Ansichten tourt sie nun durch die Schweiz

von Nicole Dreyfus  30.06.2025 Aktualisiert

Aufarbeitung

Brasilien entschädigt Familie von jüdischem Diktaturopfer

Vladimir Herzog gehört zusammen mit dem ehemaligen Abgeordneten Rubens Paiva zu den bekanntesten Diktaturopfern

 27.06.2025

Buenos Aires

Anschlag auf Juden in Argentinien: Prozess nach mehr als 30 Jahren

Am 18. Juli 1994 waren beim Anschlag auf das jüdische Kulturzentrum AMIA 85 Menschen getötet und mehr als 300 verletzt worden

 27.06.2025

USA

Die Social-Media-Bändigerin

Die pro-israelische Influencerin Montana Tucker liefert Lehrstücke der modernen Kommunikation im Akkord. Zeit, sich die junge Frau, die mit Tanzvideos berühmt wurde, genauer anzusehen

von Sophie Albers Ben Chamo  26.06.2025

Balkan

Bosnien entschuldigt sich bei Rabbinerkonferenz

Über eine Tagung der Europäischen Rabbinerkonferenz in Sarajevo kam es zum judenfeindlichen Eklat. Mit der jetzt erfolgten Entschuldigung ist der Fall indes noch nicht bereinigt

 26.06.2025