Meinung

Der Fall Samir

Der Filmemacher Samir wurde 1955 in Bagdad geboren. Foto: IMAGO/Alexander Gonschior

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Der Fall Samir

Der Regisseur möchte über seine wirren Thesen diskutieren. Doch bei Menschenhass hört der Dialog auf

von Philipp Peyman Engel  22.04.2024 13:08 Uhr

Er ist einer der renommiertesten Schweizer Regisseure, doch mittlerweile hört er sich an wie ein antisemitischer Verschwörungstheoretiker par excellence: der preisgekrönte Filmemacher und Co-Präsident der Schweizer Filmakademie Samir.

Seit dem 7. Oktober 2023, dem größten Massaker an Juden nach dem Holocaust, macht der im Irak geborene Schweizer auf X immer wieder durch die Veröffentlichung von israelfeindlichen Fake News und Kommentaren ausgewiesener Israel-Hasser von sich reden.

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Der Täter ist bei Samir stets derselbe: der jüdische Staat. Geradezu obsessiv beschäftigt sich der 68-Jährige auf seinem X-Account mit dem Nahostkonflikt. Worte zur Terrororganisation Hamas, die Israel auslöschen und möglichst viele Juden weltweit töten will, sich im Krieg hinter der eigenen Zivilbevölkerung versteckt und die Zufuhr an humanitärer Hilfe in den Gazastreifen sabotiert? Fehlanzeige! 

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Im März schrieb der 1955 in Bagdad geborene Künstler: »Der Blick aus einem israelischen Armeefahrzeug, wenn mal nicht geschossen wird. Bilder, die an den 2. Weltkrieg erinnern.« Dass Israel sich in einem Krieg gegen die Terrororganisation befindet, unterschlägt der Regisseur. Stattdessen übt er sich in klassischer Täter-Opfer-Umkehr und unterstellt dem jüdischen Staat mehr oder weniger subtil, nicht besser als die Nationalsozialisten zu sein.

In einem anderen Post suggeriert er, dass das Massaker auf die feiernden jungen Menschen beim Nova-Festival von Israel selbst inszeniert gewesen sei: »Wie konnte Hamas so viele Autos so gründlich von oben zerstören. Und wofür hätte das militärisch gut sein sollen? Es wird der Tag kommen, in welchem (sic) die israelische Kriegspropaganda aufgedeckt wird«, schreib Samir unter einem Post, der ausgebrannte Fahrzeuge auf dem Parkplatz des Nova-Technofestivals zeigt.

Über die blutige Attacke der Hamas-Islamisten auf die wehrlosen Zivilisten im südisraelischen Kibbuz Be’eri, bei der mehr als 200 Israelis ermordet, verschleppt oder verwundet wurden, glaubt der Regisseur zu wissen. »Zerstörte Häuser im Kibbuz Be’eri. Jeder Mensch versteht sofort, dass ein paar Hamaskämpfer mit ein paar Kalaschnikows keinen solchen Schaden anrichten konnten. In Israel wissen inzwischen alle, dass die eigene Armee dies gemacht hat. Warum schreiben hiesige Medien nix darüber?«

Und es kommt noch schlimmer: Über die Vergewaltigungen und Misshandlungen von israelischen Frauen durch Hamas-Terroristen schreibt er: »Über sexuelle Gewaltfantasien der Hamas wird ausführlich spekuliert und die wildesten Geschichten erzählt.« Es ist ein weiterer moralischer Bankrott des Künstlers, der sich als linker Aktivist doch wohlgemerkt die Menschenrechte und das Eintreten für die Unterdrückten auf die Fahnen geschrieben hat. 

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Zu Recht konstatierte der Generalsekretär des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes (SIG), Jonathan Kreutner, jüngst auf Anfrage dieser Zeitung, dass die zitierten Posts des Regisseurs »höchst problematisch« seien. Samir ziehe einen Vergleich zwischen der Situation in Gaza und dem Holocaust. Der Filmemacher erwecke den Eindruck, Israel selbst sei für die Massaker an israelischen Zivilisten am 7. Oktober verantwortlich.

Nun, an diesem Wochenende, fragte Samir in der Schweizer Sonntagszeitung »Blick« Kreutner rhetorisch: »Joni, warum bezeichnest du mich als Antisemiten?«

Die Antwort dürfte Samir nicht gefallen. Erstens, weil das Kreutner gar nicht behauptet. Und zweitens, weil mehrere von Samirs Aussagen antisemitisch sind. Weil es laut international anerkannter IHRA-Definition antisemitisch ist, Holocaust-Vergleiche anzustellen und den jüdischen Staat zu diffamieren, zu dämonisieren und an ihn doppelte Standards anzulegen.

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Kontrafaktische Täter-Opfer-Umkehr, das Suggerieren, Israel sei selbst für den 7. Oktober verantwortlich, Israel verhalte sich wie Nazi-Deutschland, und die Lage der Palästinenser in Gaza erinnere an die Juden während der NS-Zeit: Zu Recht konstatiert Kreutner, dass Samir in einen Strudel absurder Verschwörungstheorien gezogen wurde.

Samir wiederum rechtfertigt sich nun im »Blick« und sagt: »Aufgrund der einseitigen Berichterstattung recherchiere ich in den sozialen Medien zum Krieg. Falls ich dabei unwahre Angaben oder Propaganda gepostet habe, tut mir das leid.« Zudem wirft der Regisseur Kreutner vor, mit ihm nicht öffentlich vis-à-vis über ihre »unterschiedlichen Ansichten« diskutieren zu wollen.

Seit wann sind antisemitische Fake News »unterschiedliche Ansichten«? Es gibt unterschiedliche Ansichten, aber wohlgemerkt keine alternativen Fakten.

»Ich führe keine öffentlichen Debatten über Verschwörungstheorien. Auch Dialog hat seine Grenzen«, betont Kreutner denn auch. Es ist die einzig richtige Reaktion: Samirs Verschwörungstheorien sind brandgefährlich. Und ob es ihm bewusst ist oder nicht: Sie sind explizit antisemitisch.

Denjenigen – und seien sie angeblich noch so »progressiv« und »links« –, die antisemitische Ressentiments befeuern, sollte nicht noch eine öffentliche Plattform für ihre menschenverachtende Weltsicht geboten werden. Mit ihnen gibt es keine Gesprächsgrundlage.

Dies sollte im Übrigen auch die renommierte Schweizer Filmakademie so sehen – und sich endlich zum Fall Samir zu Wort melden. Denn jedes Mal, wenn der Regisseur und Co-Präsident der Filmakademie gegen Israel hetzt, wirft dies auch ein fatales Licht auf die eigentlich doch so ehrwürdige Institution.

engel@juedische-allgemeine.de

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