Der Paukenschlag kam vergangenen Mittwoch: Israels Oppositionsführer Yair Lapid erklärte den Austritt seiner Partei Yesh Atid aus der Zionistischen Weltorganisation (WZO). Er wirft dem globalen jüdischen Gremium sowie den anderen drei »Nationalen Institutionen« – der Jewish Agency for Israel, Keren Kayemeth LeIsrael (KKL) und Keren Hayesod – eine »Kultur der Korruption« vor.
»Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass sie nicht repariert werden können, sie müssen stillgelegt werden«, sagte Lapid in einer Videonachricht. Der Israeli fordert daher die »sofortige Verstaatlichung« von KKL, in dessen Besitz zehn Prozent des Lands in Israel sind.
Die Ankündigung Lapids ist der Höhepunkt eines Dramas, das sich derzeit auf dem 39. Zionistischen Weltkongress abspielt.
Seit der Gründung der Konferenz im Jahr 1897 durch Theodor Herzl treffen sich alle fünf Jahre jüdische Vertreter aus der ganzen Welt, um über die Belange der Nationalen Institutionen zu entscheiden. WZO, KKL, Jewish Agency und Keren Hayesod verfügen gemeinsam über ein beachtliches Budget und sind Gegenstand komplexer politischer Aushandlungen zwischen Repräsentanten der israelischen Parteien und der Diasporagemeinden sowie der unterschiedlichen religiösen Strömungen und zahlreicher weiterer jüdischer Organisationen.
Ein zuvor gefundener Kompromiss platzte doch noch
Vor zwei Wochen kamen etwa 550 Delegierte – jeweils ungefähr ein Drittel aus Israel, den USA und dem Rest der Welt – in Jerusalem zusammen. Doch auch wenn die meisten von ihnen längst wieder zuhause sind, ist das Treffen offiziell nicht beendet. Die Verhandlungen laufen bis zur selbstgesetzten Frist am Donnerstag virtuell weiter, weil ein zuvor gefundener Kompromiss doch noch platzte.
Wie die Nachrichtenseite »eJewishPhilanthropy« berichtet, sah die Einigung vor, dass der Vorsitz der WZO zunächst ans Mitte-rechts-Lager, die Leitung von KKL ans Mitte-links-Lager fallen sollte. Nach der Hälfte der Amtszeit hätte es einen Tausch an der Spitze der beiden Organisationen geben sollen.
Kritiker betrachten die Nationalen Institutionen als ineffizient, korrupt und übermäßig politisiert.
Doch der Plan wurde vom Mitte-links-Lager wieder verworfen, nachdem öffentlich wurde, dass der rechtskonservative Likud Yair Netanjahu, den Sohn des Parteivorsitzenden und israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu, für ein hohes WZO-Amt vorsah. Yair Netanjahu ist wegen seiner öffentlichen verbalen Angriffe gegen politische Gegner seines Vaters und seiner guten Kontakte zu europäischen Rechtsaußenparteien höchst umstritten.
Nach dem Rückzug von Yair Lapid und seiner Partei aus der WZO war die Aussicht auf eine schnelle Einigung schließlich vollends zunichte. Der Vorsitzende von Yesh Atid vertrat schon zuvor die Ansicht, dass die Nationalen Institutionen in ihrer jetzigen Form nicht weiterbestehen sollten. Er und andere Kritiker betrachten die Organisationen als ineffizient, korrupt und übermäßig politisiert.
Deutsche WZO-Delegierte lobt Arbeit der Nationalen Institutionen
Anderer Auffassung ist dagegen die deutsche WZO-Delegierte, Rabbinerin Gesa Ederberg. Sie ist Vertreterin der jüdisch-konservativen Bewegung »Masorti Olami«, die im selben Lager wie Yesh Atid ist. »Wir haben die WZO nicht verlassen«, sagte Ederberg im Gespräch mit der Jüdischen Allgemeinen. »Denn wir finden, dass es sich lohnt, mitzuarbeiten und von innen für Veränderungen zu sorgen.«
Sie lobt die Nationalen Institutionen unter anderem für ihre weltweite Bildungsarbeit und ihre Rolle bei der Aufforstung in Israel sowie beim Wiederaufbau der durch die Hamas zerstörten Kibbuzim im Süden des Landes. Die Rabbinerin hofft, dass der Kongress zu einem erfolgreichen Abschluss geführt werden kann. »Es geht schließlich um viel«, sagt sie. »Die WZO ist die einzige Institution, in der wirklich Jüdinnen und Juden aus der ganzen Welt vertreten sind.«
Bis Donnerstag hat sich der Weltzionistenkongress noch Zeit gegeben, um über die künftige Besetzung seiner wichtigsten Ämter zu entscheiden. Aus dem Umfeld der Verhandler heißt es, dass eine weitere Fristverlängerung vermieden werden soll. Die Gespräche würden auf Hochtouren laufen.