Geschichte

Zentralrat kritisiert Netanjahu

Benjamin Netanjahu vor dem Zionistischen Kongress in Jerusalem Foto: Flash90

Der Zentralrat der Juden in Deutschland hat sich von der umstrittenen Äußerung des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu zur Entstehungsgeschichte der Schoa distanziert. Netanjahu hatte in einer Rede am Dienstag vor dem 37. Zionistischen Kongress in Jerusalem gesagt, der Großmufti von Jerusalem, Haj Amin al-Husseini, habe Hitler zum Holocaust angestiftet. Hitler habe die Juden Europas zunächst nur vertreiben wollen. Der Mufti habe ihm aber bei einem Treffen geraten: »Verbrennt sie.«

Verantwortung Zentralratspräsident Josef Schuster sagte dazu: »Für den Zentralrat der Juden in Deutschland wird es immer eine unumstößliche Tatsache bleiben, dass Hitler und das nationalsozialistische Deutschland für die Schoa verantwortlich sind und die Vernichtung des Judentums geplant und betrieben haben.« Diese eindeutige Verantwortung sollte nicht relativiert werden, betonte Schuster.

Netanjahu hatte seine umstrittene Aussage am Mittwochabend bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Bundeskazlerin Angela Merkel (CDU) im Kanzleramt nicht wiederholt, aber laut Übersetzung gesagt: »Der Mufti wurde ein krimineller Komplize für (SS-Hef Heinrich) Himmler und (Holocaust-Organisator Adolf) Eichmann bei der Ausführung des Holocaust«. Haj Amin al-Husseini sei »ein Kriegsverbrecher. Er ist ein Mann, der mit den Nazis kollaboriert hat.« Weiter sagte Netanjahu: »Hitler ist verantwortlich für den Holocaust. Niemand sollte das abstreiten.«

Zentralratspräsident Schuster erklärte am Donnerstag: »Eine deutlichere Distanzierung Netanjahus von seiner Aussage wäre wünschenswert gewesen.« Auch israelische Politiker und Historiker widersprachen Netanjahu. So bezeichnete Oppositionschef Isaac Herzog die Äußerung als »Geschichtsverdrehung«.

Die Chefhistorikerin von Yad Vashem, Dina Porat, wird im Onlinedienst ynet.org mit der Einschätzung zitiert, dass die Behauptung faktisch falsch sei. Man könne nicht sagen, dass es der Mufti gewesen sei, der Hitler auf die Idee gebracht habe, die Juden zu ermorden.

Muslimbruderschaft Der Direktor der Berliner Stiftung Topographie des Terrors, Andreas Nachama, sagte der Jüdischen Allgemeinen, dass man die Gedanken und Äußerungen von al-Husseini in die Geschichte der Muslimbruderschaft einordnen muss, die Mitte der 20er-Jahre begann: »Die hatten von Anfang an einen judenfeindlichen Aspekt, in einem eliminatorischen Sinne.«

Insofern sei es nicht auszuschließen, dass sich al-Husseini beim Treffen mit Hitler in dem geschilderten Sinne geäußert hat.
Gleichwohl waren schon zwei Jahre vor dem Treffen Synagogen mit darin eingesperrten Juden von den SS-Einsatzgruppen im NS-besetzten Polen in Brand gesetzt worden. »Der erste Feldzug war auch eine Art Experimentierfeld der Vernichtungsmöglichkeiten. Ab Oktober 1939 hatte die Vernichtung der Juden im NS-besetzten Europa begonnen.« Das wusste die Welt, davon habe sicherlich auch al-Husseini Kenntnis gehabt, als er mit Hitler 1941 zusammentraf, meint Nachama.

Antisemit Der Direktor des Simon Wiesenthal Center in Jerusalem, Efraim Zuroff, sagte der Jüdischen Allgemeinen: »Es besteht kein Zweifel, dass al-Husseini ein notorischer Antisemit war, der die Palästinenser mehrfach zur Gewalt gegen die Juden in Eretz Israel aufgehetzt hat.«

Auch bestehe kein Zweifel daran, so Zuroff, dass al-Husseini überzeugter Anhänger des »Dritten Reiches« war. »Aber Hitler hat keinen Rat und keine Ermutigung des Muftis oder von sonst jemandem gebraucht, um den Beginn der Vernichtung des europäischen Judentums zu beschließen.« ja

Wetter

Israel erwartet extreme Hitzewelle

In einigen Regionen könnten Temperaturen von fast 50 Grad Celsius erreicht werden, sagt der Nationale Wetterdienst

 05.08.2025

Nahost

Berichte: Netanjahu plant vollständige Besetzung Gazas

Doch im Kabinett und in der Armeeführung gibt es Widerspruch

 05.08.2025

Israel

Kabinett stimmt für Absetzung von Baharav-Miara

Die Generalstaatsanwältin soll Gesetzesverstöße der Regierung ahnden und ist Ministerpräsident Netanjahu schon länger ein Dorn im Auge

 04.08.2025

Tsad Kadima

So divers wie die Stadt

Eine Jerusalemer Initiative verhilft Menschen mit Behinderungen zu mehr Selbstständigkeit

von Sabine Brandes  04.08.2025

Berlin

Innenministerium: Keine Anfragen zur Aufnahme von Kindern aus Gaza und Israel

Das Ansinnen mehrerer Städte ist formal noch nicht bei der Bundesregierung angekommen. Der Kanzleramtschef reagiert bereits zurückhaltend

 04.08.2025

Israel

Ehemalige Sicherheitschefs fordern Kriegsende

In einem eindringlichen Appell fordern 19 ehemalige Sicherheitschefs Israels ein sofortiges Ende des Gaza-Kriegs

 04.08.2025

Meinung

Die Folgen wären fatal - auch für uns

Warum der Ausschluss Israels aus »Horizon Europe« ein Fehler wäre und Deutschland mit Nein stimmen sollte

von Carsten Ovens  04.08.2025

Terror

Rom Braslavski bittet weinend um Freiheit

Ein neues Video zeigt die ausgehungerte deutsch-israelische Geisel in Gaza

von Imanuel Marcus  04.08.2025

Jerusalem

»Aus irgendeinem verrückten Grund wird Israel verantwortlich gemacht«

Die Israelis machen »einen hervorragenden Job«, wenn es darum gehe, zu versuchen, unschuldige Bewohner zu schützen, sagt der amerikanische Botschafter in Israel, Mike Huckabee

von Imanuel Marcus  04.08.2025