Herr Shai, rund 150.000 Israelis sind im Ausland gestrandet. Der Luftraum ist gesperrt, der Flughafen ist geschlossen. Sie sind derzeit in Prag. Wie geht es Ihnen?
Ich bin wegen eines Konzerts von Bruce Springsteen hierhergekommen. Eigentlich zum zweiten Mal – letztes Jahr auch schon, aber damals wurde das Konzert verschoben. Diesmal fand es statt, aber nun ist unser Rückflug abgesagt worden. Unglücklicherweise sind wir hier in Prag gestrandet und können derzeit nicht nach Israel zurückkehren. Beim Konzert am Sonntagabend habe ich sehr viele Israelis gesehen. Ich gehe davon aus, dass Hunderte hier in Prag darauf warten, wieder nach Hause zu kommen.
Wie stehen die Chancen, dass das bald möglich wird?
Ich weiß es nicht. Es gibt sehr unterschiedliche Informationen. Ich habe gehört, dass morgen erste Rückführungen beginnen sollen. Aber ich bin mir nicht sicher, ob Prag zu den Städten gehört, von denen aus Flüge Richtung Israel starten werden. Ich habe mich bei EL AL registriert, und sie sagten, dass sie ihre Pläne ständig neu bewerten. Ich versuche herauszufinden, wie es weitergehen wird.
Die israelische Regierung hat gestern die Aktion »Safe Return« vorgestellt. Wie beurteilen Sie diese Pläne?
Sie sagen, dass sie es versuchen werden, dass sie bestimmte Maßnahmen ergreifen, um die Israelis zurückzuholen. Aber nach meinem Verständnis wird es nur wenige Flüge pro Tag geben können, in Tel Aviv werden nur zwei Flüge in der Stunde landen dürfen. Das wird also alles etwas dauern.
Was denken Sie über die Bemerkung der Verkehrsministerin Miri Regev, die gestern die im Ausland gestrandeten Landsleute zur Geduld aufrief und ihnen riet, die Zeit zu »genießen«?
Das war ein Fehler, eine unglückliche Bemerkung von ihr. Was sollen wir genießen? Wir wollen nach Hause. Ich habe Familie in Israel, die ich sehr vermisse. Und ich möchte bei ihnen sein. Und ich habe einen Job, eine Aufgabe in Israel. Ich bin Dekan des Hebrew Union College und bin für Studenten, Fakultätsmitglieder und den gesamten Betrieb verantwortlich.
In den meisten Ländern der Welt würden wohl die Bürger versuchen, das Kriegsgebiet zu verlassen. In Israel ist genau das Gegenteil der Fall. Wie erklären Sie sich das?
Ja, das ist eine Besonderheit der Israelis. Das ist schon etwas seltsam. Es gibt einige wenige, die das Land jetzt verlassen wollen. Aber in meinem Fall – und ich denke, in vielen, vielen anderen Fällen – ist es genau umgekehrt. Wir wollen nach Hause. Wir wollen unsere Arbeit machen. Und ich glaube, dass ich, wenn ich etwas für den Staat Israel oder für irgendeine nationale Initiative beitragen kann, dies gerne tun würde. Ich fühle mich meinem Land, meinem Staat und meinem Volk gegenüber verantwortlich. Auf jeden Fall würde ich gerne nach Hause zurückkehren.
Mit dem ehemaligen israelischen Minister für Diaspora-Angelegenheiten sprach Detlef David Kauschke.