UN-Vollversammlung

»Wir werden diesen Kampf gewinnen«

Benjamin Netanjahu Foto: IMAGO/SNA

Natürlich war Benjamin Netanjahu vorgewarnt. Sein Vorredner, Pakistans Premierminister, hatte erwartungsgemäß scharfe Töne gegen Israel angeschlagen. Mit der flachen Hand schlug Shehbaz Sharif mehrfach auf das alterwürdige Rednerpult in der Halle der UN-Vollversammlung und verurteilte den jüdischen Staat schärfstens.

Ein »systematisches Abschlachten unschuldiger Menschen in Palästina« erlebe man gerade, das »Blut von Gazas Kindern befleckt die Hände der Unterdrücker, aber auch die jener, die mitschuldig sind an der Verlängerung dieses grausamen Konflikts«, wetterte der Pakistaner in seiner auf Englisch gehaltenen Ansprache.

Es sei höchste Zeit, dass die Vereinten Nationen Palästina als Vollmitglied aufnähmen und die Staatlichkeit Palästinas in den Grenzen von vor 1967 »mit seiner ewigen Hauptstadt Al-Quds-Al-Scharif« anerkännten, so Sharif.

Politische Forderungen, soviel war allen klar, die Benjamin Netanjahu sich nicht im Entferntesten zu eigen machen würde. Doch das Thema war damit gesetzt.

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Der israelische Regierungschef wurde mit Jubel und Applaus von den Zuschauerrängen begrüßt. Israels Diplomaten in New York hatten offenbar dafür gesorgt, dass im Saal, in dem er pflichtschuldig beklatscht wurde, nicht nur betretenes Schweigen herrschen würde. Auch seine Frau Sara Netanjahu saß auf der Tribüne, ebenso wie Familienangehörige von Geiseln der Hamas und von Opfern der Massaker vom 7. Oktober 2023.

Zeitgleich mit Netanjahus Erscheinen am Rednerpult verließen aber zahlreiche Delegationen den Sitzungssaal. Doch auch damit war im Vorfeld zu rechnen gewesen.

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Dem Ministerpräsidenten konnte es gleichgültig sein. Sein Zielpublikum saß nicht vor ihm, es saß an den Bildschirmen in Israel und im Rest der Welt. In seiner Rede ließ der 74-Jährige denn auch kein gutes Haar an den Vereinten Nationen, bezeichnete sie gar als »verachtenswerte Farce« und als »antisemitischen Sumpf«, den es trockenzulegen gelte.

Er sei »im Namen seines Volkes« nach New York gekommen, so Netanjahu zu Beginn, um die Wahrheit auszusprechen und Israels guten Ruf gegen unfaire Angriffe auch von diesem Podium aus zu verteidigen. »Israel will Frieden, Israel sehnt sich nach Frieden, Israel hat Frieden geschlossen und wird wieder Frieden schließen«, sagte er.

An mehreren Fronten müsse man sich aber aktuell gegen die Islamische Republik Iran und seine Proxies zu Wehr setzen: gegen die Hamas in Gaza, gegen die Hisbollah im Libanon, gegen die Huthis im Jemen und gegen »Terroristen in Judäa und Samaria, die vom Iran angestachelt werden«. Zuletzt habe das iranische Regime sogar direkt zugeschlagen und Raketen und Drohnen gegen Israel eingesetzt.

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Netanjahu sandte eine martialische Warnung an Teheran: »Wenn ihr uns angreift, greifen wir euch an. Es gibt keinen Ort im Iran, den der lange Arm Israels nicht erreichen kann. Das gilt übrigens für den gesamten Nahen Osten.« Es war wohl eine Anspielung auf die jüngsten Pager-Attacken gegen hochrangige Hisbollah-Mitglieder und die Tötung von Hamas-Chef Ismail Haniyeh im August in Teheran.

Er habe da noch eine weitere Botschaft, fügte Netanjahu hinzu: »Wir gewinnen gerade.« Neunzig Prozent des Raketenarsenals der Terrorgruppen im Gazastreifen sei mittlerweile von Israel zerstört worden, ebenso wie 23 von 24 Hamas-Bataillonen.

Doch die vom Iran unterstützte Hamas übe weiter Kontrolle über die Küstenenklave aus, indem sie Hilfslieferungen stehle und die Nahrungsmittel zu überteuerten Preisen an die Menschen in Gaza weiterverkaufe; sie sei noch nicht vollständig besiegt.

Genau das müsse aber geschehen, forderte er. Die Hamas dürfe nicht überleben. Man habe schließlich 1945 den Nationalsozialisten auch nicht die Aufgabe übertragen, Deutschland wiederaufzubauen. »Ein vollständiger Sieg ist durch nichts zu ersetzen«, so der israelische Regierungschef. Gleichzeitig machte er erneut deutlich, dass der Krieg dann vorbei sei, wenn die Hamas die 101 israelischen Geiseln in ihrer Gewalt freilasse.

Netanjahu widersprach erneut Behauptungen, Israel wolle dauerhaft in dem Palästinensergebiet bleiben, wie einige Minister in seiner Regierungskoalition dies gefordert hatten. »Wir streben keine neue Besiedelung des Gazastreifens an, sondern eine Entradikalisierung dort. Nur dann können wir sicher sein, dass dies die letzte Runde der Kämpfe ist.« Wie genau es dort aber weitergehen soll, verriet er nicht.

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Israel müsse auch die Hisbollah im Libanon besiegen. Die sei das beste Exempel für eine Terrororganisation und habe bereits 8000 Raketen auf israelisches Gebiet abgefeuert. Die Hisbollah habe aber nicht nur Israels auf dem Gewissen. Sie habe, so Netanjahu, «mehr Amerikaner und Franzosen ermordet als jede andere Gruppe» mit Ausnahme der Al-Kaida von Osama Bin-Laden. Israel stehe aber nicht im Krieg mit dem Libanon und den Menschen dort, sondern nur mit der Hisbollah.

Wie schon in den Vorjahren warb er für die Abraham-Abkommen mit den arabischen Nachbarstaaten. Die Welt habe die Wahl zwischen Israel, Frieden, Demokratie und Wohlstand einerseits und dem Iran, der den westlichen Way of Life zerstören wolle und eine Gefahr für alle friedliebenden Menschen weltweit sei.

Dann folgte eine scharfe Abrechnung mit den Vereinten Nationen. Das Gute werde hier als Böse bezeichnet und umgekehrt. Während Israel von der Vollversammlung insgesamt bereits 174 Mal verurteilt worden sei, habe dasselbe Gremium alle anderen Mitgliedsstaaten zusammen nur 73 Mal gerügt.

«Es geht hier doch in Wahrheit gar nicht um Gaza. Es geht um Israel, es geht um Israels Existenz», so Netanjahu. «In diesem Sumpf aus antisemitischer Gallenflüssigkeit gibt es eine automatische Mehrheit, die bereit ist, den jüdischen Staat für alles zu verteufeln», rief er.

Schon 1984, bei seiner ersten Rede vom selben Podium, habe er sich - damals noch als israelischer UN-Botschafter - gegen Versuche zur Wehr setzen müssen, Israel aus den Vereinten Nationen auszuschließen. Nun sei es Mahmud Abbas, der Präsident der Palästinensischen Autonomiebehörde und Chef der PLO, welcher nun an gleicher Stelle diese Forderung erneut erhoben habe.

Wörtlich sagte der israelische Regierungschef: «Vier Jahrzehnte später stehe ich erneut hier, um Israel gegen Forderungen nach einem Ausschluss zu verteidigen. Und wer führt diesmal die Anklage an? Nicht die Hamas, Abbas!»

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Den «antisemitischen Sumpf» könne man nicht nur in der Vollversammlung, sondern auch beim Internationalen Strafgerichtshof erkennen, so Netanjahu. Es müsse daher niemanden überraschen, dass Karim Khan, der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs, erwäge, Haftbefehle gegen ihn, den demokratisch gewählten Regierungschef des Staates Israel, und den israelischen Verteidigungsminister zu erlassen, sagte Netanjahu. Khans Weigerung, Israel mit seinen unabhängigen Gerichten wie andere Demokratien auch zu behandeln, nannte er «reinen Antisemitismus».

Spätestens nach diesen Aussagen war klar, dass Netanjahu mit seiner Rede kaum neue Freunde im Saal würde gewinnen können, obwohl die Zuschauer auf der Tribüne immer frenetischer jubelten. Getragen vom Applaus wurde der Ministerpräsident immer deutlicher, forderte von den Regierungsvertretern ein klares Bekenntnis zu Israel, wohl wissend, dass das in der aktuellen Situation nicht zu bekommen war. «Diejenigen unter Ihnen, die sich auf die Seite dieser Kriegsverbrecher stellen, die sich auf die Seite des Bösen stellen, gegen das Gute, für den Fluch, gegen den Segen, die sollten sich schämen», rief er.

Netanjahus Rede steuerte dem Höhepunkt zu. Er habe eine Botschaft an alle: «Israel wird diesen Kampf gewinnen. Wir werden diesen Kampf gewinnen, weil wir keine andere Wahl haben. Über Generationen hinweg wurde unser Volk abgeschlachtet, gnadenlos niedergemetzelt, und niemand hat einen Finger zu unserer Verteidigung gerührt. Wir haben jetzt einen Staat. Wir haben jetzt eine tapfere Armee, eine Armee von unvergleichlichem Mut. Und wir verteidigen uns.»

Netanjahu sprach nicht zum ersten Mal zur VollversammlungFoto: IMAGO/UPI Photo

Wie es in der Bibel im Buch Samuel geschrieben stehe, werde Israel niemals wanken, auf alle Ewigkeit hin nicht. «Dieses uralte Versprechen wurde immer gehalten und es wird für alle Zeiten wahr bleiben.» Israel werde nicht einfach sanft entschlummern. «Wir werden uns immer gegen das Erlöschen des Lichts wehren, denn die Fackel Israels wird für immer hell leuchten.»

Zum Schluss wandte der Redner sich nicht an sein Publikum im Saal, sondern an die Menschen zuhause: «An das Volk Israel und an die Soldaten Israels sage ich: Seid stark und mutig. Das Volk Israel lebt - jetzt, morgen, immer.»

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