Proteste

»Wir Israelis kämpfen für das Leben«

Die Herzen der Angehörigen der Geiseln sind gebrochen. Foto: Paulina Pattiner

Es ist der 323. Oktober. Für die Familien der Geiseln in der Gewalt der Hamas fühlt es sich so an, als ob der Monat, der das absolute Grauen über sie brachte, niemals endet. »Erst wenn unsere Angehörigen befreit sind, werden wir die Monate weiterzählen«, sagen sie.

Am Samstagabend forderten wieder Tausende Menschen auf den Straßen Israels, in Jerusalem, Tel Aviv, Beer Schewa, Haifa und an anderen Orten, einen Deal, um die noch in Gaza festgehaltenen 109 Verschleppten nach Hause zu holen.  

Unter einem riesigen Spruchband fand die Kundgebung auf dem Platz der Geiseln in Tel Aviv statt. Darauf stand in fetten Lettern: »Ihr hättet sie retten können.« Der Abend markierte das Ende der Woche in denen die Leichen von Geiseln aus einem Tunnel im Gazastreifen geborgen wurden. Bei den Toten handelt es sich um Abraham Munder, Alex Dancyg, Chaim Peri, Yagev Buchshtab, Yoram Metzger und Nadav Popplewell. Die Männer sind lebend aus ihren Heimatkibbutzim entführt und dann von der Hamas ermordet worden. Alle Toten wiesen Schusswunden auf, ergaben die Obduktionen.

Am Sonntag wollen Verhandlungsteams aus Israel und angeblich auch von der Hamas nach Kairo fliegen, um dort die Verhandlungen zu einem Waffenstillstand und der Geiselbefreiung fortzusetzen. Mehrere Angehörige der Geiseln verurteilten Ministerpräsident Benjamin Netanjahu wegen seines Beharrens auf einer israelischen Präsenz auf der Philadelphi-Passage entlang der Grenze zwischen Gaza und Ägypten.

Freigelassene Geiseln trafen sich mit Premier Netanjahu

»Die Philadelphi-Passage ist grausame Propaganda Netanjahus, die darauf abzielt, ein Abkommen zu torpedieren und seine Hetzkampagne gegen die Anführer des Sicherheitsestablishments anzufeuern«, meinte Yehuda Cohen, der Vater des Geisels Nimrod Cohen.

Der Neffe des ermordeten Abraham Munder, Eyal Mor, sagte, dass er wahrscheinlich im März starb. »Das bedeutet, dass mein Onkel und seine älteren Freunde über fünf Monate in einem Tunnel unter unmenschlichen Bedingungen verbrachten und es schafften, ohne saubere Luft, Tageslicht, Medikamente, sanitäre Bedingungen, Kontakt zur Außenwelt und mit wenig Nahrung und Wasser zu überleben.«

»Als wir uns in die Augen sahen und du nichts sagen konntest, blieben mir deine traurigen Augen, die mich überallhin begleiten, in jedem Moment.«

Dieselbe Staatsführung, die es versäumt habe, sie in ihren Häusern in der Nähe des Gazastreifens zu schützen, habe sie wiederholt vernachlässigt und jede Gelegenheit verpasst, sie im Rahmen eines Abkommens zurückzuholen. »Wir wissen mit Sicherheit, dass es solche Gelegenheiten gab«, so Mor. »Wir werden nie erfahren, was in den Köpfen von Chaim, Alex, Yoram, Nadav, Yagev und Abraham während dieser Monate körperlicher und geistiger Folter vorging, aber ich glaube, jede Vermutung, die die Worte ›Vernachlässigung‹ oder ›Verrat‹ enthält, trifft ins Schwarze.«

Viele der Angehörigen sind nach den Monaten des Kämpfens für das Leben ihrer Liebsten verzweifelt und zermürbt. Aviva Siegel richtete ihre Worte an ihren gefangenen Ehemann Keith: »Du fehlst hier so sehr und ich frage mich immer wieder: ›Wie geht es dir? Wo bist du? Wie ist es möglich, dass so viel Zeit vergangen ist seit dem schrecklichen Moment, als sie uns trennten?‹ Als wir uns in die Augen sahen und du nichts sagen konntest, blieben mir deine traurigen Augen, die mich überallhin begleiten, in jedem Moment.«

Demonstranten wollen Taten sehen

Sie beendete ihren emotionalen Appell mit einer Ansprache an Premierminister Benjamin Netanjahu, den sie einen Tag zuvor zusammen mit anderen Überlebenden der Gefangenschaft getroffen hatte. »Sie haben mir in die Augen geschaut und versprochen, Keith nach Hause zu bringen. Doch ich glaube nicht mehr an Worte – ich will Taten sehen. Keith kann nicht mehr lange durchhalten, und wir wissen es beide. Bringen Sie ihn heute nach Hause! Bringen Sie die Hoffnung zurück! Bringen Sie uns die Fähigkeit zurück, zu atmen und in dem Land zu leben, das wir so sehr lieben.«

Gil Dickmann, Cousin der Geisel Carmel Gat, machte klar, dass – obwohl so viele Menschen von den Terroristen der Hamas getötet und gefangengenommen wurden – die Werte der gegenseitigen Verantwortung, der Solidarität, Gleichheit, Demokratie und des Lebens nicht getötet werden können.

Jeder Soldat, der in Gaza kämpft, wolle [Hamasanführer Yahya] Sinwar finden, glaubt Dickmann. »Doch noch tausendmal mehr wollen sie die Geiseln lebend finden«, ist er überzeugt. »Denn das ist, was Israel ausmacht. Wir glauben an das Leben. Und wir Israelis kämpfen für das Leben.«

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