Faktencheck

Wie stark senken Impfungen das Risiko für schwere Corona-Verläufe?

Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com

In Debatten rund um die Corona-Pandemie und die Impfkampagne wird häufig auf Israel geschaut. Auch Impf-Kritiker beziehen sich regelmäßig auf Daten dorther. So wird etwa in einem Artikel (hier archiviert) behauptet, eine Statistik des israelischen Gesundheitsministeriums zeige, dass Geimpfte »keine Vorteile« gegenüber Ungeimpften hätten.

Bewertung

Die Aussagen im Artikel sind ohne den nötigen Kontext dargestellt und dadurch verkürzt. So wird etwa nicht berücksichtigt, dass Ungeimpfte ein höheres Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf haben und die Zahl der Todesfälle in Israel seit Beginn der Impfkampagne abgenommen hat.

Fakten

Im Artikel wird vor allem mit den israelischen Infektionszahlen der Woche vom 27. Juni bis zum 3. Juli 2021 argumentiert. In diesem Zeitraum haben sich in Israel insgesamt knapp 900 Menschen im Alter ab 20 Jahren mit dem Coronavirus infiziert. Der größte Teil von ihnen - knapp 780 Menschen - war vollständig geimpft. Dies ist nicht verwunderlich: Die Impfquoten in Israel sind in diesen Altersgruppen sehr hoch. Wenn also nahezu alle Menschen geimpft sind, bleiben fast nur Geimpfte übrig, die sich infizieren können.

Die Autoren des Artikels gingen aus diesem Grund einen Schritt weiter und verglichen die Impfquoten für die verschiedenen Altersgruppen mit dem Anteil der Geimpften unter den Infizierten. Das Ergebnis: Für alle Altersgruppen lagen die beiden Werte nah beieinander. Daraus schließen die Autoren des Textes, dass die Impfung keine nennenswerten Vorteile bringe. 

Ein Vergleich der Tabelle mit einer Datenbank des israelischen Gesundheitsministeriums zeigt, dass die Zahlen korrekt sind. Allerdings ist die Aussagekraft der Tabelle aus zwei Gründen eingeschränkt: Zum einen beziehen sich die Daten lediglich auf einen kurzen Zeitraum (eine Woche). Zum anderen sind die absoluten Fallzahlen, gerade in den höheren Altersgruppen, relativ klein.

Im Folgenden präsentiert der Artikel eine Grafik, die anhand offizieller Zahlen zeigt, dass Geimpfte bei einer Infektion zumindest phasenweise öfter ins Krankenhaus mussten als Ungeimpfte. Auch das spreche dafür, dass die Impfung keine Vorteile bringe, so die Autoren. Sie lassen allerdings weitere Daten des israelischen Gesundheitsministeriums unerwähnt, die dieser These widersprechen.

Die israelischen Gesundheitsbehörden erfassen nämlich auch Zahlen zu schweren Covid-19-Verläufen. Einer Grafik im Dashboard des Gesundheitsministeriums ist zu entnehmen, dass Geimpfte bei einer Coronainfektion im Vergleich zu Ungeimpften seltener schwere Verläufe durchmachen. Dieser Unterschied - man könnte auch sagen: Vorteil von Geimpften - zeigt sich konstant über viele Monate hinweg.

Außerdem unterschlägt der Artikel, dass die Infektionszahlen in Israel monatelang deutlich unter dem Niveau von Januar lagen - also unter dem vor Beginn der Impfkampagne. In den vergangenen Tagen ist die Zahl der Neuinfektionen zwar wieder ähnlich hoch wie im Januar. Die Zahl der Todesfälle aber liegt auf einem niedrigeren Niveau als vor dem Start der Impfungen.

Auch aus der Veröffentlichung des Biostatistikers Jeffrey Morris auf Twitter wird deutlich, dass die Impfung Vorteile mit sich bringt. Morris hat aktuelle Infektionszahlen in Israel analysiert. Er berechnete, wie groß der Anteil der Corona-Krankenhauseinweisungen unter Geimpften war und verglich ihn mit dem Anteil der Krankenhausfälle unter den Ungeimpften. Ergebnis: Die Impfung vermindert das Risiko für eine Krankenhauseinweisung seinen Berechnungen zufolge um 67,5 Prozent. Weitere Berechnungen, bei denen Morris die unterschiedlichen Impfquoten zwischen unter und über 50-Jährigen berücksichtigte, ergaben sogar einen Wert von 85 bis 92 Prozent.

Geimpfte können grundsätzlich an Covid-19 erkranken, da die Impfstoffe nicht zu 100 Prozent wirksam sind. Das israelische Gesundheitsministerium hat Anfang Juli eine Analyse zur Wirksamkeit der Impfung bezüglich der sich verbreitenden Delta-Variante veröffentlicht. Sie ergab, dass die Impfung zu 64 Prozent eine Ansteckung verhinderte. Gegen schwere Verläufe liege die Wirksamkeit bei 93 Prozent, so die Analyse.

Erste Studien deuten darauf hin, dass der Impfschutz mit der Zeit abnimmt. Deshalb hat Israel damit begonnen, für bestimmte Bevölkerungsgruppen eine dritte Impfdosis anzubieten. dpa

Links

Datenbank des israelischen Gesundheitsministeriums

Corona-Dashboard des israelischen Gesundheitsministeriums (archiviert)

Neuinfektionen in Israel (archiviert)

Todesfälle in Israel (archiviert)

Tweet zur Daten-Auswertung von Jeffrey Morris (archiviert

Erklärung des israelischen Gesundheitsministeriums zur Wirksamkeit der Impfstoffe (archiviert)

Israelisches Gesundheitsministerium zu Booster-Impfungen (archiviert)

Studie zur Wirksamkeit des Impfstoffes von Biontech (archiviert)

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