Nahost

Was bedeutet das Abkommen für Israel – und was für die Hamas?

Im Gazastreifen sollen ab Sonntag die Waffen schweigen Foto: picture alliance / ZUMAPRESS.com

Monatelang liefen die Bemühungen der USA, Ägyptens und Katars, durch indirekte Verhandlungen Israel und die Terroristen der Hamas zu einem Abkommen über eine Waffenruhe und die Freilassung von Geiseln gegen palästinensische Häftlinge zu bewegen. Nun kam der Durchbruch. Hier die wichtigsten Fragen und Antworten dazu:

Was bedeutet das Abkommen für Israel – und was für die Hamas?

Sollte die nun für sechs Wochen vereinbarte Waffenruhe auch ein längerfristiges Ende des Krieges einleiten, dürfte es trotzdem kaum eine Art von Gewinner geben. Weder hat Israel sein Kriegsziel erreicht, die Hamas vollständig zu zerstören, noch werden im Zuge dieses Abkommens bisher alle Geiseln befreit. 

Die islamistische Hamas wiederum hat ihre wichtigsten Anführer und auch weitgehend die Kontrolle in Gaza verloren. Die größten Verlierer und Leidtragenden des Kriegs sind fraglos die Hunderttausenden betroffenen Zivilisten in Gaza sowie die Geiseln in der Gewalt der Hamas und deren Angehörige. Für sie alle bedeutet das Abkommen Hoffnung auf ein Ende des Leidens.

Aber auch die israelische Gesellschaft insgesamt ist durch das Massaker der Hamas und anderer Extremisten aus dem Gazastreifen in Israel vom 7. Oktober 2023 und den längsten Krieg in der Geschichte des Staates gespalten und traumatisiert. Und die Hoffnung vieler Israelis, dass man die Palästinenser mit ihren Forderungen nach einem eigenen Staat einfach ignorieren kann, hat sich als trügerisch erwiesen. 

Zudem hat das Ansehen Israels in vielen Teilen der Welt sehr gelitten. Da fraglich ist, ob man sich in der zweiten Phase des Abkommens auf die Freilassung der restlichen Geiseln einigen wird, gibt es zugleich Vorwürfe an Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu, man habe mit dem jetzigen Abkommen die restlichen Geiseln im Stich gelassen.

Wie stabil ist das Abkommen? 

Die Vereinbarung steht auf recht wackeligen Füßen. Die Hamas kündigte noch am Mittwochabend an, den Kampf um die Befreiung Jerusalems, also die Zerstörung Israels, nicht aufzugeben. Insofern ist fraglich, ob sich die Terroristen an die Waffenruhe halten werden.

Ebenso fordert Israels Nationaler Sicherheitsminister Itamar Ben Gvir, den Deal nicht anzunehmen. Darüber hinaus hatte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu eigentlich erklärt, die Hamas zerstören zu wollen, damit die Terroristen die Massaker vom 7. Oktober nicht wiederholen können.

Angesichts des tiefen Misstrauens bleibt abzuwarten, ob sich beide Seiten über Wochen an die vereinbarten Schritte halten, und ob etwa bestimmte Passagen jeweils anders interpretiert werden. Andererseits gibt es in beiden Bevölkerungen eine große Sehnsucht danach, dass die Waffen nach 15 Monaten Krieg schweigen – die Kriegsmüdigkeit könnte daher stabilisierend wirken.

Wer soll in Zukunft regieren? 

Weit auseinander liegen Israel und die Hamas bei der Frage, wer den großflächig zerstörten Gazastreifen künftig regieren soll. Israel lehnt eine weitere Herrschaft der Terroristen, die den jüdischen Staat zerstören wollen, kategorisch ab und droht, es könne den Kampf wiederaufnehmen, bis die Macht der schon stark dezimierten Hamas endgültig gebrochen sei.

Die Hamas hingegen will eine Garantie, dass der Krieg endet – wohl auch, um sich neu aufzustellen und ihre alte Machtposition wieder einzunehmen. Zu klären wäre auch, wer den kostspieligen Wiederaufbau in einer auf zwei bis fünf Jahre angelegten dritten Phase des Abkommens übernehmen und finanzieren soll. 

Israels Regierungschef Netanjahu hat in den 15 Monaten Krieg nie genau umrissen, wie er sich eine künftige Regierung im Gazastreifen vorstellt. Er hatte nur stets betont, dass die Hamas entmachtet und zerschlagen werden müsse. 

Der scheidende US-Außenminister Antony Blinken hatte diese Woche seinen Plan für die Zukunft des Gazastreifens skizziert. Folgende Prinzipien seien zentral: Zum einen eine von Palästinensern geführte Regierung, die den Gazastreifen mit dem Westjordanland vereine und der dortigen Autonomiebehörde unterstellt sei. Zum anderen dürfe es langfristig keine militärische Besetzung des Gazastreifens durch Israel geben, auch keine Verkleinerung des Gazastreifens sowie Versuche, ihn nach dem Konflikt zu belagern oder zu blockieren.

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Haben Donald Trumps Drohungen gewirkt?

Der bevorstehende Machtwechsel in Washington dürfte ein Faktor für die Fortschritte in den Verhandlungen gewesen sein. Die Regierung von US-Präsident Joe Biden hat zwar stets zu Israel gehalten, aber auch zunehmend Kritik an der Kriegsführung in Gaza geübt.

Der designierte US-Präsident Donald Trump dagegen ist als Verbündeter Netanjahus bekannt und es ist fraglich, wie stark seine Regierung die israelische in die Schranken weisen würde. Seine Drohungen an die Hamas waren vor diesem Hintergrund also durchaus ernstzunehmen.

Der Republikaner hatte gesagt, dass im »Nahen Osten die Hölle losbrechen« werde. Es werde »nicht gut für die Hamas sein, und es wird – offen gesagt – für niemanden gut sein«, wenn die entführten Geiseln nicht bis zu seiner Amtseinführung am kommenden Montag zurück seien. 

In den USA hat nun jedenfalls ein Kampf um die Deutungshoheit begonnen. Trump verbuchte den Durchbruch als sein Verdienst. Sein Wahlsieg habe der Welt zu verstehen gegeben, dass seine Regierung Frieden anstreben und Vereinbarungen aushandeln werde, um die Sicherheit aller Amerikaner und der Verbündeten zu gewährleisten. »Wir haben so viel erreicht, ohne dass wir überhaupt im Weißen Haus waren«, schrieb er auf seiner Online-Plattform Truth Social. 

Darauf angesprochen, dass Trump die Lorbeeren für den Deal ernten will, sagte Biden, der Rahmen für das Abkommen sei exakt derjenige, den er im Mai vorgeschlagen habe. Er habe sein Verhandlungsteam aber stets angewiesen, sich eng mit Trumps Mannschaft abzustimmen, um sicherzustellen, dass die USA mit einer Stimme sprächen.

Zuvor hatten Vertreter des Weißen Hauses betont, das Trump-Team sei zwar kontinuierlich über die Gespräche in Doha informiert worden, doch verhandelt habe allein die Biden-Regierung. (mit ja)

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