Sicherheit

Unter der eisernen Kuppel

Am Freitagnachmittag summten israelische Aufklärungsdrohnen am Himmel von Gaza über dem blauen VW-Lupo von Suheir Qaisi. Kurz darauf zischte eine Rakete in den hinteren Teil seines Wagens, die Wucht der Explosion riss dem Anführer der »Volkswiderstandskomitees« (Popular Resistance Committees – PRC) den Kopf ab und tötete auch seinen Beifahrer Ahmad Hanini, einen anderen hochrangigen Kommandanten der PRC.

Qaisi sei ein »Terror-Genie« gewesen, begründete Premierminister Benjamin Netanjahu den Präventivschlag in der Kabinettssitzung am Sonntag. Er habe »sich mitten in der letzten Planungsphase für ein neues Attentat« befunden.

Im vergangenen August, so behauptet Jerusalem, organisierte Qaisis Vorgänger einen schweren Anschlag an Israels Grenze zum Sinai, bei dem acht Israelis ermordet worden waren. Israel hatte ihn kurz darauf ebenfalls mit einem Luftangriff getötet. Nun habe Qaisi, unlängst im Rahmen des Schalit-Deals aus israelischer Haft freigelassen, den »Erfolg« vom vergangenen Jahr wiederholen wollen.

Eskalation Die Volkswiderstandskomitees schworen Rache. Seit Freitag schossen sie und der Islamische Dschihad mehr als 200 Raketen auf israelische Ballungszentren ab. Dabei sollen mindestens 15 Menschen verletzt worden sein. Israel reagierte mit Luftangriffen auf Terrorzellen und leere Ausbildungslager. Dabei kamen nach palästinensischen Angaben 18 Menschen ums Leben, 17 davon bewaffnete Aktivisten.

Auf israelischer Seite herrschte am Sonntag Ausnahmezustand: Im Süden des Landes erhielten mehr als 200.000 Schüler schulfrei und wurden angewiesen, sich in der Nähe von Schutzräumen aufzuhalten. Immer wieder heulten in Israels Städten Luftschutzsirenen auf. Dann bleiben zwischen 15 und 45 Sekunden, um sich in Sicherheit zu bringen. »Die Lage in Beer Sheva ist unhaltbar«, sagte die stellvertretende Bürgermeisterin Hefzi Sohar. »In unseren Schulen gibt es nicht genügend Schutzräume. Das Leben ist zum Stillstand gekommen.«

»Israel hat kein Interesse an einer Eskalation«, sagte Generalstabschef Benni Gantz, doch werde man auf Beschuss hart reagieren. Ismail Haniyah, der als Premier der radikalislamischen Hamas den Gazastreifen seit dem blutigen Putsch 2007 regiert, erklärte: »Unsere höchste Priorität ist es, Israels Aggression zu stoppen und palästinensische Zivilisten zu schützen.« Ägypten schaltete sich als Vermittler ein, noch am Samstag traf eine hochrangige Hamasdelegation zu Gesprächen in Kairo ein.

Waffenstillstand Nach viertägigen Auseinandersetzungen hat Heimatschutzminister Matan Vilnai am Dienstag im israelischen Rundfunk bestätigt, dass ein Waffenstillstand in Kraft getreten sei. Zuvor hatte ein ägyptischer Geheimdienstvertreter mitgeteilt, dass es Vermittlern gelungen sei, eine »umfassende und gegenseitige Waffenruhe« zwischen Israelis und Palästinensern auszuhandeln.

Doch die Entscheidung, ob an der Grenze zwischen Israel und Gaza Ruhe herrscht, liegt in den Händen des Islamischen Dschihad oder der PRC. Sie wollen die Machthaber der Hamas – ihre politischen Rivalen – mit Angriffen auf Israel und den darauf folgenden Vergeltungsschlägen kompromittieren. Mit kaum verhüllter Geringschätzung äußerte ein Sprecher der PRC am Sonntag seine Enttäuschung darüber, dass »nur wir und der Dschihad Raketen auf Israel abschießen.

Was hat Widerstand für einen Sinn, wenn nicht alle mitmachen?« Seine Organisation sorgt dafür, dass auch in Ruhephasen rund um den Gazastreifen kein Frieden herrscht. Seit Januar 2011 schossen palästinensische Organisationen nach israelischen Angaben mehr als 415 Raketen und 244 Mörsergranaten auf israelische Wohngebiete ab.

abwehr Das erzeugte auf israelischer Seite großen politischen Druck. Die Regierung sah sich gezwungen, zurückzuschlagen, um ihre Abschreckung zu erhalten und der Bevölkerung zu zeigen, dass sie etwas für ihre Sicherheit unternimmt. Doch die Einführung einer neuen Waffe – der »Iron Dome«-Raketenabwehr – könnte dabei helfen, den Teufelskreis der Gewalt zu durchbrechen.

Schon vor wenigen Monaten stationierte die Armee in Israels Süden drei Batterien, die Kurzstreckenraketen abfangen und Todesopfer auf israelischer Seite verhindern sollen. Das Radar ist so differenziert, dass, um Kosten zu sparen, nur Raketen über Wohnorten abgeschossen werden. Geschosse, die auf Felder niedergehen, lässt Iron Dome passieren. Eine Abfangrakete vom Typ »Tamir« kostet angeblich rund 70.000 US-Dollar.

Beim neuesten Schlagabtausch übertraf die Raketenabwehr alle Erwartungen: »Bisher gelang es uns, 37 von 43 Raketen abzuschießen«, sagte Armeesprecher Arye Shalicar – das ist eine Rate von über 85 Prozent. Selbst ein Kritiker der Raketenabwehr, der Militärexperte Reuven Pedazur, räumte ein: »Wenn diese Angaben stimmen, handelt es sich um einen Riesenerfolg.«

Schutz Solange in Israel keine Zivilisten durch Raketenangriffe sterben, kann die Regierung die Rufe nach einem Einmarsch in Gaza abwehren. Verteidigungsminister Ehud Barak forderte, Iron Dome zu einem »nationalen Notstandsprojekt« zu erklären. Bis Mitte 2013 sollen sechs weitere Batterien gekauft werden, um Bürger an der Nord- und Südgrenze gleichzeitig vor Raketenbeschuss schützen zu können.

Doch das System bietet keinen perfekten Schutz. Das zeigte sich am Sonntagnachmittag. Raketen trafen ein Wohnviertel und eine leere Schule in Beer Sheva und verursachten schweren Sachschaden. So hält der Zivilschutz Israels Bürger weiter dazu an, sich nicht auf die Raketenabwehr zu verlassen und in der Nähe von Schutzräumen zu bleiben. Sollte durch einen Zufallstreffer eine große Zahl von Zivilisten getötet werden, könnte Israel sich doch noch gezwungen sehen, in Gaza einzumarschieren.

Sexualisierte Gewalt

Ex-Geisel: »Ich dachte, ich werde für immer ihre Sexsklavin sein«

Fast ein Jahr nach ihrer Freilassung spricht die junge Israelin Romi Gonen zum ersten Mal über ihre zutiefst verstörenden Erlebnisse in Gaza

von Sabine Brandes  26.12.2025

Israel

Zwei Tote bei Terrorangriff mit Auto und Messer

Palästinenser rammte Passanten mit seinem Auto und stach auf Frau ein – ein Sicherheitsmann schoss auf den Attentäter und verletzte ihn

 26.12.2025

Israel

Winterwarnungen und das Warten auf Schnee

Am Samstag zieht ein stärkeres Tiefdruckgebiet auf, begleitet von Starkregen, starken Winden und spürbarer Kälte

von Sabine Brandes  26.12.2025

Gazastreifen

Erneut tödlicher Zwischenfall

Israels Armee: Zwei Terroristen wurden getötet, die eine »unmittelbare Bedrohung« dargestellt hätten

 26.12.2025

ANU-Museum Tel Aviv

Jüdische Kultobjekte unterm Hammer

Stan Lees Autogramm, Herzls Foto, das Programm von Bernsteins erstem Israel-Konzert und viele andere Originale werden in diesen Tagen versteigert

von Sabine Brandes  25.12.2025

Sicherheit

Katz sagt erneut, Israel werde nicht komplett aus Gaza abziehen

Nach Kritik nach ähnlichen Äußerungen war der Verteidigungsminister zunächst zurückgerudert. Nun erklärt er: »Ich lege nie den Rückwärtsgang ein«

 25.12.2025

Israel

US-Botschafter: Iran zieht falsche Lehren aus Angriffen auf Atomanlagen

»Ich hoffe, sie haben die Botschaft verstanden, aber offenbar haben sie sie nicht vollständig verstanden«, sagte Mike Huckabee

 25.12.2025 Aktualisiert

Spionage-Verdacht in Israel

Ex-Premier Bennett im Visier des Iran

Ein israelischer Staatsbüger soll den einstigen Ministerpräsidenten Naftali Bennett ausspioniert haben. Dem Verdächtigen steht eine Anklage bevor

von Sabine Brandes  25.12.2025

Israel

Regierung will Waffenproduktion des Landes ausbauen

Laut Premier Netanjahu ist dafür eine Summe von 93 Milliarden Euro vorgesehen – Lehre aus Rüstungsbeschränkungen verbündeter Staaten

 25.12.2025