Herr Professor Freilich, was halten Sie von Donald Trumps Plan, den er gestern vorgestellt hat und der vorsieht, dass Amerika den Gazastreifen übernimmt und wieder aufbaut? Ist das realistisch?
Ich glaube nicht, dass es realistisch ist. Realistisch ist aber, dass Trump mit seinem Vorgehen jetzt alle zwingt, ihre langjährigen Positionen zu überdenken. Und das ist eine positive Sache.
Warum?
Weil er Druck auf die Palästinenser und die arabischen Staaten ausübt, neue Positionen zu formulieren. Er zwingt sie förmlich, sich längst vergessenen Wahrheiten zu stellen, wie zum Beispiel der, dass Jordanien und Ägypten gemeinsam mit Israel für die Entstehung des Palästina-Problems verantwortlich waren und sie deswegen auch zu seiner Lösung beitragen müssen.
Können Sie sich vorstellen, dass arabische Staats- und Regierungschefs einer vorübergehenden oder dauerhaften Aussiedlung oder Vertreibung von Palästinensern aus Gaza zustimmen?
Ich glaube nicht, dass irgendein arabischer Führer dem zustimmen kann. Allerdings ist Gaza in seinen derzeitigen Grenzen schlichtweg nicht überlebensfähig. Die Bevölkerung verdoppelt sich dort etwa alle 20 Jahre, und es gibt unter den obwaltenden Bedingungen einfach keinen Platz, um dort ein stabiles Gemeinwesen aufzubauen. Also muss entweder das Territorium vergrößert oder die Bevölkerung verringert werden. Nichtstun ist jedenfalls keine Option.
Trump widmet dem Nahen Osten in den ersten Wochen seiner zweiten Amtszeit viel Aufmerksamkeit. Wollte er nicht nach dem Prinzip »America first« handeln?
Ich denke, für ihn gilt immer noch »America first«. Aber Trump geht auch eine Reihe wichtiger außenpolitischer Themen zügig an - ganz, wie er es zuvor versprochen hatte.
Sind neue Abkommen im Rahmen der Abraham-Abkommen, insbesondere zwischen Israel und Saudi-Arabien, mit dem umstrittenen Gaza-Plan nun weniger wahrscheinlich geworden?
Die Saudis wollen ein Abkommen mit den USA. Sie werden sich schlussendlich auch bereit erklären, den Preis dafür zu zahlen und ihre Beziehungen zu Israel zu normalisieren. Der Trump-Plan könnte kurzfristig zu einer Verzögerung in diesem Prozess führen. Aber ich bezweifle, dass das lange anhalten wird. Trump hat ja bereits angekündigt, dass er beabsichtigt, bald nach Saudi-Arabien zu reisen.
Chuck Freilich ist ehemaliger stellvertretender nationaler Sicherheitsberater in Israel und lehrt an der Columbia University in New York und an der Universität Tel Aviv. Er ist außerdem Senior Editor des »Israel Journal of Foreign Affairs«. Das Interview führte Michael Thaidigsmann.