Interview

»Trump hat Dinge getan, die niemand kommen sah«

AJC-Direktor Remko Leemhuis Foto: imago images/Reiner Zensen

Herr Leemhuis, Juden wählen in den USA mehrheitlich demokratisch. Was ist die Motivation einiger von ihnen, für Trump zu stimmen?
Es sind schon einige, weil sie Trump für den stärkeren und aufrichtigeren Unterstützer Israels halten. Sie begrüßen etwa die Botschaftsverlegung nach Jerusalem, oder den harten Kurs gegen den Iran. Denken Sie etwa an die Tötung von Qassem Soleimani, den Chef der Quds-Einheit, 2020 in Bagdad. Das ist für einige Leute schon ausschlaggebend und sie hoffen, dass Trump diese Politik fortsetzt.

Allerdings hat Donald Trump Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu im Wahlkampf bereits ein Ultimatum gesetzt: Sollte er gewählt werden, muss Netanjahu den Krieg gegen Hamas und Hisbollah bis zu seinem Amtsantritt beenden.
Es ist im Moment schwer einzuschätzen, was davon Wahlkampf ist, und was umgesetzt wird. Wir vertrauen darauf, dass auch eine Trump-Regierung weiterhin Israels Selbstverteidigungskriege gegen die Hisbollah und die Hamas unterstützen werden.

Wenn wir Trumps Ultimatum aber ernst nehmen und zu Ende denken: Was hieße das für einen Geisel-Deal?
Die letzten Monate haben gezeigt, dass Druck auf Israel nicht hilft, weil die Befreiung der Geiseln auch immer wieder an der Hamas gescheitert ist. Wenn man den Geheimdienstdokumenten glauben darf, die Israel im Gazastreifen gefunden hat, hat der Hamas-Chef Yayha Sinwar bis zu seinem Tod darauf spekuliert, die Geiseln möglichst lange in der Gewalt der Terroristen zu behalten und so, durch die Verlängerung dieses unerträglichen Zustandes, mehr Druck auf Israel auszuüben, damit die Hamas davon profitiert. Solange die Hamas nicht zu einem Deal bereit ist, kann auch die israelische Regierung nichts tun. Wir hoffen, dass die neue US-Regierung wieder mehr politisches Gewicht in diesen Verhandlungen haben wird und die Geiseln endlich freigelassen werden.

Der Journalist Hannes Stein glaubt, dass Trump nur so lange hinter Israel steht, wie er sich einen Vorteil von Netanjahu erhofft. Wie schätzen Sie das ein?
Das kann ich nicht beurteilen, aber selbst wenn es stimmen würde, gibt es auch noch einen Kongress, der heute Nacht ja auch gewählt wurde. Außerdem hat Trump Dinge getan, die niemand kommen sah, wie bereits die erwähnte die Tötung von Qassem Soleimanis. In seine Amtszeit fällt auch die Unterzeichnung der Abraham Accords, die ihm durchaus zuzurechnen und ein großer Erfolg sind.

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Haben die Kriege im Nahen Osten in den letzten Wochen des Wahlkampfs überhaupt noch eine Rolle gespielt?
Ich glaube, dass die beiden Kriege von ausländischen Beobachtern als wahlentscheidender Aspekt in den USA immer überbewertet wurden. Amerikaner wählen in allererster Linie aufgrund innenpolitischer Fragen. Bei jungen Wählern, denen oft unterstellt wurde, der Nahostkonflikt sei für sie das wichtigste Thema, rangierte er in Umfragen zu Wahlentscheidungen auf den hinteren Plätzen. Für Jungwähler sind etwa Jobs oder das Thema Klimawandel immer wichtiger.

Gilt das auch für arabischstämmige Amerikaner, die 2020 noch mehrheitlich für Joe Biden gestimmt haben?
In einem Staat wie Michigan, wo die meisten arabischstämmigen Amerikaner wohnen, ist der Nahostkonflikt bei der Wahl nicht ganz unwichtig, aber auch da wird er überschätzt. Ich glaube nicht, dass das Thema am Ende wahlentscheidend gewesen sein wird.

Mit dem Direktor des American Jewish Committee in Berlin sprach Nils Kottmann.

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