Tierschutz

Transporte des Horrors

Allein 2018 kamen 685.000 Tiere aus Australien und Europa nach Israel. Foto: imago

Es kam wie aus dem Nichts. Kleine Kinder schrien und weinten, Erwachsene wandten sich ob des erschreckenden Anblicks angewidert ab. Vor rund zwei Wochen schwemmte der aufgedunsene Kadaver eines Kalbes am Zuk-Strand im Norden von Tel Aviv an.

Einige Tage später wiederholte sich der grausige Vorfall. »Woher bloß kommen die toten Tiere?«, fragten die Badegäste aufgebracht. Die Antwort kam mit den Abendnachrichten: von den Tiertransporten, mit denen regelmäßig Hunderttausende von Kühen und Schafen nach Israel geschifft werden. Gestorben und über Bord geworfen.

ELEKTROSCHOCKS Die verendeten Kälber waren die grausige Erinnerung an ein Thema, das die meisten ignorieren, wenn sie voller Appetit in ihr Schnitzel beißen oder ihr Steak in der Pfanne brutzeln. Und es war nur der Anfang. Einige Tage darauf ging es mindestens ebenso verstörend weiter. Arbeiter wurden dabei gefilmt, wie sie Kälber und Lämmer beim Abladen aus dem Schiffsbauch mit Elektroschocks quälen. Die 20.000 jungen Tiere waren in einer wochenlangen Reise aus Australien bis in den Hafen von Eilat transportiert worden.

Das Abladen allein dauerte fünf lange Tage. Es sind Bilder, die tief schockieren und selbst Hartgesottene erschüttern. Schafe, Kühe, Kälber und Lämmer, die zusammengepfercht in den überhitzten Lagerräumen von Schiffen vor sich hindämmern und anschließend misshandelt werden. Dazwischen kranke und verendete Tiere, mit Exkrementen und Blut verschmiert. Viele erleiden durch die raue See Verletzungen und Knochenbrüche.

ANZEIGE Israelische Tierschutzorganisationen zeigten die Verantwortlichen nach den vom Fernsehkanal 13 veröffentlichten Bildern wegen Grausamkeit gegen Tiere an. Der Sprecher für die Organisation »Israel Against Live Shipments« (Israel gegen Lebendtransporte) sagte, dass er in den 15 Jahren, in denen die Gruppe aktiv ist, noch niemals eine solche Tierquälerei gesehen habe.
Und doch ist es kein Einzelfall, sondern tägliche Realität bei den Transporten lebender Tiere.

Verendete Tiere sollen über Bord geworfen worden sein.

Es sei gängige Praxis, so die Tierschutzorganisation, kranke oder verendete Tiere einfach über Bord zu werfen. »Viele sogar bei lebendigem Leib.«

Das Landwirtschaftsministerium gab an, dass während des jüngsten Transports aus Australien 34 Tiere bei der Überfahrt verendeten und nach dem Entladen noch einmal 30. Es darf angenommen werden, dass die tatsächliche Zahl wesentlich höher liegt. Die Knessetabgeordnete Miki Haimovich (Union Blau-Weiß), die sich als Veganerin den Tierschutz im israelischen Parlament auf die Fahnen geschrieben hat, äußerte sich schockiert: »Es ist so verstörend in zweierlei Hinsicht: für den Tierschutz und für unsere Gesundheit.«

Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Allein im vergangenen Jahr wurden 685.000 Kälber und Lämmer aus Australien und Europa nach Israel verschifft; das bedeutete eine Steigerung zum Vorjahr, in dem es 500.000 waren, um 37 Prozent. Im Januar 2019 waren es allein 50.000 Kälber, die zum Mästen in Israel ankamen.

AKTIONEN Ein Bericht der australischen Fernsehsendung 60 Minutes deckte im April die Horrorszenarien auf den Transportschiffen auf der Route von Australien nach Nahost auf. Das entrüstete auch israelische Tierschützer, die ihre Aktionen zum Stopp der Schiffe im Anschluss an die Ausstrahlung intensivierten. Während eines Transports, so 60 Minutes, seien 2400 Schafe gestorben und ins Meer geworfen worden.

Immer mehr Gruppen und Verbände sprechen sich gegen die Lebendtransporte und die dabei zwangsläufigen Quälereien aus. Im vergangenen Jahr unterzeichneten 228 Anwälte eine Petition mit der Forderung, dass diese Überfahrten beendet werden müssten, da sie konträr zur Gesetzgebung für Tierschutz stünden. Auch viele Rabbiner sind dieser Meinung. 60 von ihnen schrieben einen öffentlichen Brief, in dem sie klarmachten: »Dies ist weder der Weg der Tora noch der menschlichen Moral, eine derartige Grausamkeit gegen Tiere zu erlauben.«

In einem Brief schrieben 60 Rabbiner, dies sei »nicht der Weg der Tora«.

Die Gesetzgebung jedoch steckt derzeit fest. Zwar wurde im vergangenen Juli ein Entwurf zur Beendigung der Lebendtransporte durch das Komitee für Gesetzgebung in einer Vorablesung angenommen. Der Vorschlag will das Verschiffen von lebenden Tieren – jährlich Hunderttausende – innerhalb der kommenden drei Jahre reduzieren und danach komplett verbieten. Ausschließlich Fleisch (gekühlt oder gefroren) soll dann noch nach Israel transportiert werden dürfen. Als Begründung werden die katastrophalen Zustände auf den Schiffen und das daraus resultierende Leiden der Tiere angegeben.

GESETZGEBUNG Im Anschluss an die erste Lesung veröffentlichte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu das Foto eines Kalbes während eines Transportes, das mit Exkrementen bedeckt ist, und schrieb, dass das Gesetzgebungskomitee eine Einbringung angenommen habe, die die Lebendtransporte beendet.

»Wir müssen den großen Schmerz, der den Tieren zugefügt wird, beenden«, heißt es da. Netanjahus Post datiert vom Juli 2018. Geschehen ist seitdem nichts mehr.

Meinung

Für das Leben entscheiden

Die Fortführung der Kampfhandlungen in Gaza gefährdet das Leben der Geiseln und den moralischen Fortbestand Israels. Es ist Zeit, diesen Krieg zu beenden

von Sabine Brandes  16.09.2025

Genf

UN-Kommission wirft Israel Genozid vor

In einem Bericht ist von vier erfüllten Tatbeständen des Völkermords die Rede. Die Weltorganisation verweist auf »das Verhalten politischer und militärischer Behörden«

 16.09.2025

Sarah Cohn-Fantl auf einem Gelände, auf dem Hilfslieferungen für Gaza lagern

Gaza

Hilfspakete so weit das Auge reicht

Nur selten lässt Israel Journalisten in das Kriegsgebiet. Unsere Autorin war vergangenen Mittwoch bei einer von der Armee begleiteten Fahrt am Rande des Küstenstreifens dabei und berichtet von ihren Eindrücken

von Sarah Cohen-Fantl  16.09.2025

Nahost

Bericht: Netanjahu informierte Trump vor Angriff in Doha

Der israelische Ministerpräsident soll den US-Präsidenten fast eine Stunde vor der Attacke auf Hamas-Führer unterrichtet haben. Trumps Version der Ereignisse klang dagegen ganz anders

 16.09.2025

Jerusalem

Rubio äußert Zweifel an diplomatischer Lösung für Gaza-Krieg

Der US-Außenminister trifft in Israel Vertreter des Landes. In einem Interview äußert er sich dort zu den Chancen für ein Ende des von der Hamas begonnenen Krieges

 16.09.2025

Nahost

Gaza-Stadt: Bodenoffensive der IDF beginnt

Während die israelische Armee vorrückt, protestieren dagegen Angehörige von Geiseln vor der Residenz Netanjahus in Jerusalem

 16.09.2025

Nahost

Bericht: Mossad verweigerte Doha-Angriff

Dem Luftangriff gegen die Hamas-Anführer in Katar gingen offenbar schwerwiegende Meinungsverschiedenheiten zwischen Regierung und Geheimdienst voran

von Sabine Brandes  15.09.2025

Gazakrieg

Wie sich Emily Damari den Terroristen widersetzte

Die ehemalige Geisel hat in London über ihre Gefangenschaft in Gaza gesprochen und darüber, wie sie trotz schrecklicher Bedingungen eine »aktive Rolle« einnehmen konnte

 15.09.2025

Nahost

Netanjahu nennt Kritik nach Angriff in Katar »Heuchelei«

US-Außenminister Rubio trifft nach Israels Angriff auf die Hamas in Katar Netanjahu. Die USA wollen laut Rubio »unabhängig davon, was geschehen ist« weiterhin die drängenden Probleme der Region lösen

 15.09.2025