Judo

Sieg nach Buchstaben

Or Sasson gewann bei den Olympischen Spielen 2016 Bronze. Foto: dpa

Judo

Sieg nach Buchstaben

In Marrakesch durfte Or Sasson das Länderkürzel ISR tragen

von Elke Wittich  13.11.2017 19:54 Uhr

Die drei Buchstaben ISR auf dem Judo-Anzug von Or Sasson waren am vergangenen Sonntag bei der Weltmeisterschaft der offenen Gewichtsklasse in Marrakesch ein großer Wurf. Denn allein, dass Sasson die Kürzel seines Landes Israel tragen durfte, war so etwas wie ein Sieg, auch wenn Sasson gegen den Franzosen Cyrille Maret auf der Matte nicht gewann.

Israelische Judoka – generell Einzelsportler – sind ansonsten anderes gewohnt. Demonstrativ nach einem Wettbewerb den Handschlag verweigern, einen Sichtschutz fordern, wenn gemeinsam trainiert wird, oder gar nicht erst zum Kampf antreten: Ihre arabischen und iranischen Kontrahenten bringen den Israelis des Öfteren Hass und Ablehnung entgegen.

turnier Was die Spitzen-Judoka des Landes allerdings Ende Oktober beim Grand-Slam-Turnier in den Vereinigten Arabischen Emiraten erlebten, überraschte selbst sie dann noch: Die zwölf Sportler wurden nicht als israelisches Team vorgestellt, sondern als Vertreter der Internationalen Judo-Föderation (IJF).

Die Athleten aus den Emiraten und aus Marokko weigerten sich, den Sportlern die Hand zu geben, am Austragungsort in Abu Dhabi wurde die israelische Fahne nicht gehisst und statt der Hatikwa wurde für den israelischen Sieger Tal Flicker ein Lied gespielt, das angeblich die IJF-Hymne sei.

Flicker war das egal, er sang trotzdem die Hatikwa – ganz allein für sich. Vielleicht aber hatten er und seine Teamkollegen auch schon geahnt, dass es in den Vereinigten Arabischen Emiraten nicht ganz einfach für sie werden würde – schließlich hatte es allein zweier Anläufe bedurft, überhaupt nach Abu Dhabi zu fliegen.

Grand Slam Moshe Ponte, Vorsitzender des israelischen Judo-Verbandes, ist dennoch davon überzeugt, dass 2018 beim Grand Slam in den Emiraten sowohl die Hymne als auch die Fahne Israels offen präsentiert werden können. Ponte hatte sich am letzten Tag des Wettbewerbs mit Mohammad Bin Thaloub Al-Darei, dem Präsidenten der Emirate-Judoka, dessen Stellvertreter sowie dem Weltverbands-Präsidenten Marius Vizer getroffen.

Al-Darei habe den Israelis zu ihren insgesamt zwei Medaillen gratuliert und sich dafür entschuldigt, dass seine Athleten den Israelis nicht die Hand geben wollten, berichtete Vizer später. Ponte bestätigte die Entschuldigung: »Er hat versprochen, dass das nicht wieder passieren wird.« Zusätzlich sollen zwei kurz vor Ende des Wettbewerbs entstandene Fotos wohl symbolisch für den Aufbruch in eine neue Judo-Zeit stehen: Das eine zeigt die am Treffen beteiligten Judo-Funktionäre bei einer Art Vierer-Handschlag, das andere den israelischen Bronze-Gewinner Peter Paltchik Arm in Arm mit zwei Judo-Offiziellen der Emirate.

Zu verdanken ist diese Annäherung wohl vor allem dem umtriebigen Marius Vizer. Der Rumäne, der unter anderem das Ehrenmitglied des Weltjudo-Verbands, Wladimir Putin, zu seinen Freunden zählt, gilt als höchst ehrgeizig. Auch dass Sasson in Marrakesch sein Länderkürzel tragen konnte, soll Vizers Vermittlung zu verdanken sein. Er selbst und nicht das IOC als Vermittler einer Art Sportfriedens zwischen Arabern und Israelis, das würde Vizer gut ins Konzept passen.

Delegation Zuletzt hatte der ägyptische Judoka Islam El Shehaby bei den Olympischen Spielen von Rio de Janeiro 2016 nicht nur demonstrativ seinem israelischen Gegner Or Sasson den Handschlag verwehrt, die ägyptische Delegation hatte sich auch geweigert, mit den Israelis im gleichen Fahrstuhl zu fahren. »Manchmal kann man mit Courage, Respekt und Höflichkeit doch Spannungen und Konflikte lösen, die jahrzehntelang nicht gelöst werden konnten«, ist Vizer überzeugt. Gerade einmal zwei Jahre sei es her, dass die israelischen Judoka zum ersten Mal in Abu Dhabi antreten durften, sagt Vizer.

Israels Judoka sind erfolgreich: »Israel ist jetzt ein Judo-Imperium«, hatte sich Or Sasson nach den Spielen von Rio gefreut, wo er und seine Teamkollegin Yarden Gerbi Bronze gewonnen hatten. Die Judoka führen seither unangefochten vor den Seglern die Gesamtwertung an. »Fußball mag populärer sein, aber Judo ist das, worin wir gut sind«, betonte Ponte nach den Erfolgen in Rio.

Ein Grund, warum Judo in Israel so populär geworden ist, sei Krav Maga. Die mittlerweile auch international populär gewordene Selbstverteidigungstechnik enthält Judo-Elemente, hatte der Chef des israelischen olympischen Komitees, Gili Lustig, festgestellt. »Ja, wir sind gut in Krav Maga, wir sind aggressiv und kreativ im Kampf und wir wissen, wie wir die Schwächen unserer Gegner ausnutzen können. Und all das ist ganz wichtig im Judo.«

kinder Dazu kommt wohl auch, dass Judo eine Sportart ist, die sich schon für Kinder ab fünf Jahren gut eignet. Im Judo werden nicht nur Kondition, Fitness und körperliche Fähigkeiten vermittelt, sondern auch Respekt und Höflichkeit. Zumindest im Idealfall. 60.000 israelische Kinder sind derzeit in Judo-Vereinen und -Kursen aktiv, sagt Ponte ein bisschen stolz, »jedes zweite Kind betreibt es«. Dazu hat der Judo-Verband ein Projekt für Kinder arabischer Israelis gestartet, erläuterte er im Sommer 2016 in einem Interview mit der Tageszeitung Haaretz.

Der Verband schickte regelmäßig Trainer in Schulen und spendete Judo-Matten und -Ausrüstung. »Rund 400 arabische Schulkinder nehmen schon an unseren Kursen teil«, sagt Ponte. Dabei hatte der Boom der Sportart in Israel streng genommen mit einer Niederlage begonnen: 1992 hatte Yael Arad bei den Spielen in Barcelona im Finale der Klasse unter 61 Kilo gegen die Französin Catherine Fleury verloren – aber gleichzeitig die erste und bis heute einzige Silbermedaille für Israel gewonnen. Arad widmete ihren Erfolg den 20 Jahre zuvor beim Terrorangriff in München getöteten Israelis.

Or Sasson ist zwar in Marrakesch ausgeschieden, aber in einem Post auf seiner Facebook-Seite bedankte er sich bei Ponte und der Judovereinigung, »die wie immer gekämpft haben, um all die Schwierigkeiten, die wir überwinden mussten, zu meistern«. Sein nächstes Ziel ist laut Facebook-Post ein Trainingslager in Japan, danach der Tokyo Grand Slam vom 2. bis 3. Dezember. Dann wird er wieder die drei Buchstaben tragen können, sein Gegner wird ihm die Hand reichen, und die Hymne wird – sollte er gewinnen – zu hören sein.

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