Ingo Way

Sderot und die mediale Ignoranz

Ingo Way Foto: Stephan Pramme

Ingo Way

Sderot und die mediale Ignoranz

Für manche Nahostkorrespondenten gibt es Raketenopfer erster und zweiter Klasse

von Ingo Way  03.04.2019 12:01 Uhr

Wenn Raketen aus Gaza auf Israel niedergehen, entdecken deutsche Nahostkorrespondenten, die so empathische Reportagen abliefern, wenn es um Palästinenser geht, auf einmal die Vorzüge der kühl-distanzierten Berichterstattung. Es sei denn, es ist einmal nicht der abgelegene Süden des Landes betroffen, sondern wie vergangene Woche Tel Aviv. Denn dort haben die meisten Korrespondenten ihren Wohnsitz.

So schreibt etwa Susanne Knaul in der taz: »Zwischen Tel Aviv, dem Herzstück Israels, und Sderot unweit der Grenze zu Gaza bestehe kein Unterschied, sagt ­Netanjahu. Doch das ist eine glatte Lüge.« Denn wie man nicht nur bei der taz zu wissen glaubt, kann es gar nichts anderes sein, wenn Netanjahu etwas sagt. »Mit den Raketen auf die grenznahen israelischen Ortschaften kann man sich arrangieren«, schreibt das Blatt, die Gebäude seien sicher, die Bevölkerung geschützt und erhalte sogar Steuervergünstigungen. »Die palästinensischen Attacken auf Tel Aviv treffen dagegen das Nervenzentrum des Landes, und sie treffen ahnungslose, schlafende Familien.«

Dauerfeuer, Alarmsirenen, Schutzräume: Daran gewöhnen kann man sich nicht – und sollte es auch nicht.

ALARM Ich weiß nicht, ob Frau Knaul schon einmal in Sderot übernachtet hat. Auch dort freut man sich keineswegs, wenn man nachts von der Alarmsirene geweckt wird und dann mit Kindern in 15 Sekunden den Schutzraum erreichen muss. In der Nacht, nachdem Tel Aviv beschossen worden war, schrillte in Sderot Dutzende Male der Alarm wegen des Dauerfeuers aus dem Gazastreifen. Zahlreiche Einwohner zogen es vor, gleich in den beengten Schutzräumen zu schlafen.

Mit so einer Situation kann man sich arrangieren, daran gewöhnen kann man sich nicht – und sollte es auch nicht. So sind die von der taz fast neidvoll erwähnten Steuervergünstigungen allenfalls ein kleiner Anreiz, trotz allem in Orten wie Sderot zu bleiben. Keineswegs sind sie ein Ausgleich für die permanente Angst und Anspannung in Erwartung der nächsten Raketenattacke, die jederzeit erfolgen kann. Daran kann man sich nicht gewöhnen – in Sderot ebensowenig wie in Tel Aviv.

way@juedische-allgemeine.de

Glosse

Auf, auf zum bewaffneten Kampf!

Eine deutsche Komikerin wechselte am Wochenende wieder einmal das Genre. Enissa Amani versuchte allen Ernstes, rund 150 Berlinern zu erklären, dass Nelson Mandela das Vorgehen der Hamas gegen Israel gutgeheißen hätte

von Michael Thaidigsmann  20.11.2025 Aktualisiert

Geiseln

»Alon – du bist nicht allein«

Der israelisch-deutsche Doppelstaatsbürger Alon Ohel spielt auf dem Klavier, das eigens auf dem Platz der Geiseln für ihn aufgestellt wurde

von Sabine Brandes  20.11.2025

Gaza-Gefangenschaft überleben

»Wut zerstört dich«

Der nach mehr als zwei Jahren aus der Hamas-Gefangenschaft entlassene Avinatan Or hat eine zutiefst bewegende und motivierende Rede über Resilienz gehalten. Eine Dokumentation

von Avinatan Or  20.11.2025

Gespräch

»Der Überlebenskampf dauert an«

Arye Sharuz Shalicar über sein neues Buch, Israels Krieg gegen den palästinensischen Terror und die verzerrte Nahost-Berichterstattung in den deutschen Medien

von Detlef David Kauschke  20.11.2025

Israel

Späte Aufklärung

Der Oberste Gerichtshof erwirkt einstweilige Verfügung gegen die politische Untersuchungskommission der Regierung

von Sabine Brandes  20.11.2025 Aktualisiert

Wetter

Hitzewelle im November

In Israel werden Temperaturen erwartet, die deutlich über dem jahreszeitlichen Durchschnitt liegen

 20.11.2025 Aktualisiert

Nahost

Israels Armee greift Hisbollah-Gebäude im Libanon an

Vor einem Jahr trat die Waffenruhe in Kraft. Nun wirft Israel der libanesischen Terrorgruppe vor, sich neu zu strukturieren und aufzurüsten

von Cindy Riechau  19.11.2025

Kommentar

Danke, Berlin!

Die Entscheidung der Behörden, einem Hamas-Fanboy die Staatsbürgerschaft zu entziehen, sendet ein unmissverständliches und notwendiges Signal an alle Israelhasser. Mit Mahnwachen allein können wir die Demokratie nicht verteidigen

von Imanuel Marcus  19.11.2025

Weltall

Studie: Viele ferne Planeten könnten über Wasser verfügen

Israelische und amerikanische Wissenschaftler gehen davon aus, dass diese Himmelskörper Wasser direkt in ihrem Inneren produzieren

 19.11.2025