»Protective Edge«

Scharfe Kritik an Politik und Armee

Während des Gaza-Kriegs 2014 feuerte die Hamas Raketen auf Israel. Foto: Flash 90

Der Bericht zum Gaza-Krieg von 2014 ist veröffentlicht – und der staatliche Kontrolleur Yosef Shapira hat wenig Worte des Lobes für die damalige Führungsriege übrig.

Allen voran wird Regierungschef Benjamin Netanjahu von Yosef Shapira scharf kritisiert. Denn Netanjahu, heißt es in dem am Dienstag veröffentlichten Bericht, habe unter anderem versäumt, sein Kabinett während der Militäroperation »Protective Edge« ausreichend über die Gefahr der Terrortunnel der Hamas aufzuklären.

Der Militärführung, damals unter der Leitung von Generalstabschef Benny Gantz und dem militärischen Geheimdienstchef Aviv Kochavi, wird von Shapira bescheinigt, vor dem Krieg große Lücken in der Geheimdienstarbeit zugelassen zu haben.

Hamas Während der Auseinandersetzung hätten zu wenige klar definierte Einsatzpläne vorgelegen, um das Tunnelnetzwerk der Terrororganisation vollständig zu zerstören. »Die israelische Armee hat ihre Mission nicht vollendet«, lautet das Fazit.

Netanjahu wies die Vorwürfe zurück. Bereits am Montag sagte er: »Anders als im Bericht des staatlichen Kontrolleurs steht, stehe ich hinter der israelischen Verteidigungsarmee, dem Sicherheitsdienst Schin Bet und dem gesamten Verteidigungssystem.« Netanjahu hatte dem Kontrolleur für seinen Bericht Unterlagen geliefert, die belegen sollten, dass der Regierungschef die Tunnel im Kabinett zur Sprache gebracht habe. Diese Diskussionen im Kabinett, so Shapira, seien aber oberflächlich gewesen und hätten nicht die wahre Gefahr widergespiegelt.

Auch die Politik der Regierung habe mit zu der kriegerischen Auseinandersetzung geführt, kritisierte Shapira. Hauptsächlich thematisierte er in diesem Zusammenhang die Frage, was Netanjahu, sein damaliger Verteidigungsminister Mosche Yaalon, Außenminister Avigdor Lieberman und das restliche Kabinett versäumt hätten, um einen Krieg zu verhindern.

Bereits 2013, so der fast 200 Seiten starke Bericht, habe die Armee die Politiker eindringlich davor gewarnt, dass »die schwierigen humanitären und wirtschaftlichen Bedingungen im Gazastreifen innerhalb von zwei Jahren zu einer Explosion führen können«.

Zipi Livni Trotzdem habe sich das Kabinett so gut wie gar nicht mit diesem Problemkomplex beschäftigt, urteilt Shapira. Außer Zipi Livni, damals Justizministerin, habe sich kein Mitglied der Regierung dazu geäußert oder etwas unternommen. Dreimal zitierte Shapira die Worte von Verteidigungsminister Yaalon kurz nach Beginn des Krieges: »Hätte man sich der Notlage im (Gaza-)Streifen vor einigen Monaten angenommen, hätte die Hamas möglicherweise die momentane Eskalation vermieden.«

Auf israelischer Seite starben im Sommer 2014 im Gaza-Krieg 74 Menschen, darunter sechs Zivilisten, auf palästinensischer Seite mehr als 2000. Laut Netanjahu hat Israel etwa 1000 Hamas-Terroristen eliminiert, darunter führende Kommandeure.

Yaalon veröffentlichte nach dem Bekanntwerden von Shapiras Bericht eine Videobotschaft im Internet: »Es war das unverantwortlichste und schlimmste Kabinett, das ich je gesehen habe.« Die Mitglieder hätten sich hinter verschlossenen Türen anders geäußert als in der Öffentlichkeit. Hätten nicht Regierungschef Netanjahu, der damalige Generalstabschef Benny Gantz und er selbst, Yaalon, »Ordnung in das Chaos gebracht«, hätte die Situation »in einer Katastrophe enden können«.

Auch der jetzige Stabschef Gadi Eizenkot äußerte sich: »Die IDF lernt ihre Lektion aus dem Bericht und erstellt ein Arbeitsprogramm für die Verbesserung ihrer Fähigkeiten im Gazastreifen. Wir sind nicht immun gegen Kritik, doch wir müssen bedenken, dass wir hier über die besten Leute reden, die zur Sicherheit des Staates beitragen.«

Familien Eltern, deren Söhne während des Krieges getötet wurden, forderten nach der Veröffentlichung des Berichts, dass die Politiker Verantwortung für den Tod ihrer Kinder übernehmen.

Die Mängel könnten zum vermeidbaren Tod der Soldaten geführt haben, schrieben die Eltern in einem Brief, den Parlamentssprecher Yuli Edelstein am Dienstag in der Knesset vorlas. Darin drängen Hinterbliebene der Gefallenen die Politiker, die Erkenntnisse und Forderungen des Berichtes vollständig umzusetzen, damit »die nächste Bedrohung nicht wieder in einem Krieg enden wird«.

Krieg

Luftwaffe fliegt Deutsche aus Israel aus. Die Maschinen sind auf dem Rückweg in die Bundesrepublik

Die Hintergründe

von Anna Ringle  20.06.2025

Interview

Warum gehen die Grünen auf Distanz zu Israel, Frau Brantner?

Die grüne Bundesvorsitzende erläutert, warum sie deutsche Rüstungsexporte einschränken und israelische Minister sanktionieren, aber trotzdem solidarisch mit Israel sein will

von Michael Thaidigsmann  20.06.2025

Israel

Verletzte in Haifa nach erneutem Raketenangriff aus dem Iran

Aus dem Iran werden wieder ballistische Raketen Richtung Israel gefeuert. Ein Geschoss soll in der Stadt Haifa mindestens drei Menschen verletzt haben

 20.06.2025

Israel

Im permanenten Ausnahmezustand

Wie gehen Israelis nach den Angriffen gegen Ziele im Iran mit den Gegenangriffen um? Unsere Autorin hat unter ihren Freunden und Bekannten ein Stimmungsbild eingeholt

von Sarah Maria Sander  20.06.2025

Nahost

Herzog unterstützt Krieg gegen Iran »uneingeschränkt«

»Wir mussten diese Bedrohung beseitigen«, sagt der Präsident

 20.06.2025

Nahost

Katz: Armee soll Angriffe auf staatliche Ziele im Iran verstärken

Israels Verteidigungsminister bestätigt, das Regime in Teheran destabilisieren zu wollen

 20.06.2025

Interview

»Irans Ziel scheint es zu sein, diesen Krieg so lange wie möglich zu führen«

Sarit Zehavi, Gründerin des Think Tanks Alma, über Irans Raketenarsenal, die Reaktion des Mullah-Regimes auf die israelischen Angriffe und seine Möglichkeit, einen Abnutzungskrieg zu führen

von Nils Kottmann  20.06.2025

Krieg

Fast kein Weg raus

Israelis werden aus dem Ausland zurückgeholt, doch es gibt kaum eine Möglichkeit auszureisen. Bürgerrechtsgruppen wollen den Obersten Gerichtshof anrufen

von Sabine Brandes  20.06.2025

Israel

Netanjahu: Militäreinsatz gegen Iran übertrifft Erwartungen

Israels Premier spricht einem Interview über den Stand der Militäraktionen im Iran. Die Frage, ob der Ajatollah getötet werden solle, beantwortet er nur indirekt

 20.06.2025