Krieg

Fast kein Weg raus

Ben-Gurion-Flughafen: alles abgesagt Foto: copyright (c) Flash90 2025

Die israelische Verkehrsministerin Miri Regev (Likud) ist bekannt dafür, die Welt zu bereisen. Böse Zungen nennen sie nicht »Verkehrs-«, sondern stattdessen »Reiseministerin«. Auf einer Pressekonferenz nach dem Beginn des Krieges gegen den Iran sagte sie Israelis, die im Ausland gestrandet sind: »Tehenu«, Hebräisch für: »Habt eine gute Zeit«. Auch für ihre Landsleute daheim hatte sie einen Ratschlag: »Es gibt keinen Grund, das Land zu verlassen.«

Die Regierung ordnete an, dass Israelis nicht mit denselben Flugzeugen ausfliegen dürfen, selbst wenn israelische Airlines sogenannte »Rettungsflüge« starten, also Israelis aus dem Ausland zurückholen. Offizieller Grund: Man wolle es vermeiden, dass es am Flughafen Menschenmengen gibt. Regev stellte klar: Israelis dürften zwar einreisen, ausreisen aber eher nicht.

Dabei würden viele es gern. Weil sie sich vom dauernden Raketenbeschuss aus dem Iran bedroht fühlen, weil sie Angehörige, ihre Arbeit oder dringende Angelegenheiten im Ausland haben – oder einfach, weil sie es möchten.

Am Mittwoch begannen Airlines mit ersten Rettungsflügen

Mika Ziv etwa, die auf eine Hochzeit ihres Cousins in Italien eingeladen ist, die Ende Juni gefeiert werden soll. »Natürlich verstehe ich Sicherheitsanliegen im Krieg. Aber man kann doch als Regierung nicht einfach sagen, dass es keinen Grund gebe, Israel zu verlassen«, echauffiert sich die Frau aus Raanana.

Die Sicherheitsbedenken will sie so nicht akzeptieren. »Wenn Menschen hergebracht werden und sich bei ihrer Ankunft im Flughafen versammeln, könnten andere auch ausreisen. Man kann es ja zeitversetzt organisieren. »Ich lebe in einer Demokratie. Wenn es meine freie Entscheidung ist, das Land zu verlassen – und es eine Möglichkeit dafür gibt – dann sollte ich auch das Land verlassen können.«

Shay Ziv: »Natürlich verstehe ich Sicherheitsanliegen im Krieg. Aber man kann als Regierung nicht einfach sagen, es gebe keinen Grund, Israel zu verlassen.«

Am Mittwoch begannen Fluggesellschaften erstmals seit der Sperrung des Luftraums am vergangenen Freitag, im Ausland gestrandete Bürger mit Rettungsflügen nach Israel zu fliegen. Am Freitag sollen auch Gestrandete aus weiter entfernten Ländern wie den USA oder Thailand zurück nach Israel geflogen werden. Schon Tage zuvor hatte der vom Verkehrsministerium eingesetzte Ausschuss für Ausnahmeregelungen entschieden, wer als erster auf der Liste steht.

Etwa zehn Prozent der Sitzplätze auf jedem Rettungsflug werden an Passagiere vergeben, die als »humanitäre Fälle« eingestuft sind. Die Kriterien umfassen Schwerstkranke, die medizinische Behandlung benötigen, Menschen, die Medikamente brauchen, Todesfälle in der Familie, schwangere Frauen in Risikosituationen oder kurz vor der Entbindung, im Ausland ohne ihre Familie gestrandete Kleinkinder und Eltern, deren Kinder in Israel auf sie angewiesen sind.

Die verbleibenden Sitzplätze werden nach Ermessen der Fluggesellschaften vergeben. El Al beispielsweise gab bekannt, dass die derzeit nur an ihre Kunden vergeben werden und die Priorität nach der ursprünglichen Reisezeit bestimmt wird. Wer also zuerst ins Ausland geflogen ist, wird zuerst einen Rückflug erhalten.

Ab Freitag will sich der Ausschuss zudem mit der Ausreise aus Israel beschäftigen, heißt es aus Jerusalem. Zunächst würden die Flüge für Diplomaten, Touristen und ausländische Staatsbürger genehmigt. Israelis indes dürfen nur mit einer Sondergenehmigung das Land verlassen. Der Ausnahmeausschuss setzt sich aus Vertretern des Verkehrs- und Außenministeriums, des Heimatfrontkommandos der Armee, der nationalen Notstands- sowie der Bevölkerungsbehörde zusammen.

Anzahl der Sitzplätze aus Sicherheitsgründen beschränkt

Aus Sicherheitsgründen sei die Anzahl der Sitzplätze auf abfliegenden Flügen begrenzt, die Maschinen werden nicht voll besetzt sein, um das Risiko zu vermeiden, dass Passagiere lange beim Einsteigen in das Flugzeug warten müssen, erklärte das Ministerium weiter.

Shlomi Bar-On versteht das voll und ganz. Er hatte einen Familienurlaub für die Sommerferien in Griechenland gebucht, die Flüge wurden storniert. »Das ist zwar traurig«, gesteht der Angestellte einer Sicherheitsfirma. »Aber im Moment ist nicht die Zeit für Urlaub, jetzt ist die Zeit für nationale Einheit.«

Jeder, der Israel per Flugzeug verlassen möchte, Touristen, ausländische Staatsbürger und Israelis, muss ein Formular des Ausschusses ausfüllen. Ursprünglich hatte das Verkehrsministerium beantragt, es nur für israelische Staatsbürger zu aktivieren, doch die Rechtsberatung der Regierung erklärte, dies sei eine Diskriminierung. Folglich haben alle Ausreisewilligen ein Formular auszufüllen, in dem die Gründe für die Ausreise dargelegt werden. Der Ausschuss legt die Priorität fest.

Shlomi Bar-On: »Jetzt ist nicht die Zeit für Urlaub. Jetzt ist die Zeit für nationale Einheit.«

Ausländern und Touristen wird fast automatisch erlaubt, das Land zu verlassen, heißt es. Israelis (auch jene mit ausländischem Pass) indes müssen ihren Auslandswunsch genau begründen. Das Komitee priorisiert die Anträge und genehmigt sie nach einer festgelegten Rangfolge. Bevorzugt werden beispielsweise Personen, die dringend medizinische Behandlung im Ausland benötigen, oder jene, die zu Beerdigungen abreisen.

Die Operation, mit dem Namen »sichere Rückkehr«, startete am Mittwoch mit Rettungsflügen für die 100.000 bis 200.000 im Ausland gestrandeten Israelis. Die Rückführungsrate ist mit maximal 8500 Passagieren pro Tag verhältnismäßig niedrig. Sollte es in dieser Geschwindigkeit weitergehen, könnte es einige Monate dauern, bis alle Israelis, die zurückkehren wollen, wieder zu Hause sind.

Eine andere Möglichkeit, das Land zu verlassen, besteht an den Landübergängen zwischen Israel und Jordanien sowie Israel und Ägypten. Allerdings sorgen sich viele Israelis um ihre Sicherheit in den arabischen Ländern. Außerdem herrscht mittlerweile an den Grenzübergängen täglich so ein großer Andrang, dass nicht alle Wartenden abgefertigt werden – und viele unverrichteter Dinge nach Hause zurückkehren müssen.

Oberster Gerichtshof soll angerufen werden

Sollte sich in naher Zukunft nichts ändern, wird der Oberste Gerichtshof in der Angelegenheit entscheiden müssen. Mehrere Organisationen, darunter die Open Skies-Gruppe und die Vereinigung für Bürgerrechte in Israel, haben Briefe an Regev, Premierminister Benjamin Netanjahu und den Generaldirektor der Israelischen Flughafenbehörde geschickt und angekündigt, beim Obersten Gerichtshof Beschwerde einzulegen, falls diese den israelischen Luftraum nicht wieder für Flüge öffnen.

In dem Brief von Open Skies heißt es, die Schließung des israelischen Luftraums sei illegal. »Die Freiheit, Israel zu verlassen, ist das Grundrecht jedes Menschen, das im Grundgesetz über Menschenwürde und Freiheit verankert ist«. Der Verkehrsminister und die Flughafenbehörde hätten keine Rechtsquelle genannt, die sie ermächtige, ein pauschales Ausreiseverbot per Flugzeug zu verhängen, so die Beschwerdeführer.

Der Staat sei zwar befugt, die Ausreise aus Israel per Flugzeug aus Sicherheitsgründen zu verbieten, dieses Verbot könne jedoch nicht pauschal und unbefristet sein. Sollte eine Ausreise per Flugzeug aus Israel möglich sein, so die Petitionssteller, dürfe sie nicht auf ausländische Einwohner beschränkt werden.

Mehrere Abgeordneten von Oppositionsparteien forderten eine dringende Sitzung des Wirtschaftsausschusses der Knesset für nächsten Montag, um das Thema zu besprechen.

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