Die Staats- und Regierungschefs von Frankreich, Großbritannien und Kanada haben Israels Vorgehen im Gaza-Krieg als »völlig unverhältnismäßige« Eskalation kritisiert und eine Warnung ausgesprochen. »Sollte Israel die erneute Militäroffensive nicht einstellen und die Beschränkungen der humanitären Hilfe nicht aufheben, werden wir mit weiteren konkreten Maßnahmen reagieren«, teilten Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, der britische Premier Keir Starmer sowie sein kanadischer Amtskollege Mark Carney mit.
»Das menschliche Leid in Gaza ist unerträglich«, hieß es in der Stellungnahme weiter. Die Ausweitung der Angriffe auf den teils bis zur Unkenntlichkeit zerstörten Küstenstreifen lehne man entschieden ab.
Israel geht in Gaza gegen die Hamas vor, die weiterhin 58 israelische Geiseln in ihrer Gewalt hat und den jüdischen Staat vernichten will. Seit 2007 überzieht die palästinensische Terrororganisation Israel mit Kriegen und Terrorwellen. Diese gipfelten in den Massakern vom 7. Oktober 2023, die die Hamas erklärtermaßen wiederholen will.
»Gezielte Sanktionen«
Macron, Starmer und Carney wandten sich auch gegen den weiteren Siedlungsbau im Westjordanland. Man erwäge »gezielte Sanktionen«. Israel eroberte das Westjordanland während des Sechstagekrieges im Jahr 1967 von Jordanien, das das Gebiet zuvor besetzt hatte. Den Palästinensern wurde das Westjordanland seit dem Jahr 2000 zweimal für einen eigenen Staat angeboten. Sie lehnten ab und zogen es vor, Israel zu bekämpfen.
Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu kritisierte die Stellungnahme der drei Staats- und Regierungschefs Frankreichs, Großbritanniens und Kanadas: Sie böten einen »riesigen Preis für den völkermörderischen Angriff auf Israel am 7. Oktober 2023 und laden gleichzeitig zu weiteren solchen Gräueltaten ein«, schrieb der Regierungschef bei X.
Israel werde nicht von seinen Kriegszielen abweichen und »sich weiterhin mit gerechten Mitteln verteidigen, bis der vollständige Sieg errungen ist«.
Sicherstellung der Grundversorgung
Erstmals seit fast drei Monaten kamen derweil wieder Hilfsgüter nach Gaza. Gleichzeitig läuft Israels neue Militäroffensive weiter. Nach Angaben der für Palästinenserangelegenheiten zuständigen israelischen Behörde Cogat erreichten am Montag fünf Lastwagen mit Hilfsgütern das dicht besiedelte Küstengebiet über den Grenzübergang Kerem Schalom.
Israel will nach Regierungsangaben eine Grundversorgung sicherstellen und eine Hungersnot im aufgrund des von der Hamas begonnenen Krieges großflächig zerstörten Gazastreifen verhindern. Eine neue Belieferungsstrategie, die sicherstellen soll, dass die Hamas Hilfsgüter nicht raubt, wurde noch für diesen Monat angekündigt.
Laut UN-Sprecher Stéphane Dujarric sind die Hilfslieferungen unzureichend: »Natürlich sind neun Lastwagen besser als gar keine Lastwagen, aber wir brauchen einen massiven Anstieg der humanitären Hilfe, wir brauchen einen massiven Zustrom von Lebensmitteln, von Speiseöl, von Treibstoff, um diesen Bedarf zu decken.«
Mehl, Babynahrung und Treibstoff
In einem gemeinsamen Appell an Israel forderten die Außenminister von Deutschland und rund 20 weiteren Geberländern, deutlich mehr Hilfslieferungen in den Gazastreifen zu erlauben. »Ermöglichen Sie den Vereinten Nationen und den humanitären Organisationen, unabhängig und unparteiisch zu arbeiten, um Leben zu retten, Leiden zu lindern und die Würde zu wahren«, heißt es in dem vom Auswärtigen Amt in Berlin veröffentlichten Schreiben.
Seit Anfang März hatte Israel keine Hilfslieferungen mehr in den Gazastreifen gelassen. Als Begründung führte Netanjahus Regierung an, dass die Hamas die Hilfsgüter gewinnbringend weiterverkaufe, um Terroristen und Waffen für ihren Kampf gegen den jüdischen Staat zu bezahlen. Am Sonntag kündigte das Büro des Ministerpräsidenten an, doch wieder Hilfslieferungen zuzulassen.
Medienberichten zufolge sollen Hilfsgüter wie Mehl, Babynahrung und Treibstoff nun erst einmal - wie schon zuvor - mit Hilfe internationaler Organisationen in den abgeriegelten Küstenstreifen kommen, bis Ende des Monats der neue Verteilungsmechanismus umgesetzt wird. Danach sollen die Güter künftig nur noch von wenigen Standorten im Gazastreifen aus verteilt werden. dpa/ja