Hälfte-Hälfte, das ist der Deal. Der Vorsitz der Zionistischen Weltorganisation (WZO) geht für die kommenden zweieinhalb Jahre an Yaakov Hagoel vom Mitte-rechts-Lager, in der zweiten Hälfte der fünfjährigen Amtszeit übernimmt ein Vertreter des Mitte-links-Lagers. Beim Jüdischen Nationalfonds Keren Kayemeth LeIsrael (KKL) ist es andersherum: Die Spitze wird zuerst ein noch nicht benannter progressiver Vertreter übernehmen, der dann von einem Rechtskonservativen abgelöst wird.
Das ist das am Donnerstag verkündete Ergebnis zäher Verhandlungen des Zionistischen Weltkongresses, der in diesem Jahr zum 39. Mal in seiner Geschichte zusammengekommen ist.
Dem Mitte-links-Block ist es damit gelungen, das Kräfteverhältnis in den sogenannten Nationalen Institutionen zu seinen Gunsten zu ändern, denn in den vergangenen fünf Jahren waren WZO und KKL allein in der Hand der rechtsnationalen Partei Likud. Zudem sind radikalere Kräfte um den rechtsextremen Sicherheitsminister Israels, Itamar Ben-Gvir, bei der Ämterverteilung gar nicht zum Zuge gekommen.
Politische Ränkespiele beim Zionistischen Weltkongress
»Diese Vereinbarung stellt sicher, dass unsere Institutionen eine ausgewogene Führung ohne die Anwesenheit von Provokateuren haben, die unsere Bemühungen im Namen Israels und des jüdischen Volkes untergraben würden«, sagte WZO-Vize Yizhar Hess von der konservativ-jüdischen Bewegung Masorti, die Teil des Mitte-links-Blocks ist, in einem Statement, das der Jüdischen Allgemeinen vorliegt.
Hess weiter: »Nach einer intensiven Phase jüdischer und zionistischer Demokratie in Aktion wird die endgültige Vereinbarung, die wir erzielt haben, unseren Nationalen Institutionen ermöglichen, ihre wichtige Arbeit fortzusetzen.«
Von einer »intensive Phase« zu sprechen, dürften viele Beteiligte vermutlich als Untertreibung empfinden. Der Zionistische Weltkongress wurde in diesem Jahr von einem politischen Ränkespiel dominiert, das das traditionsreiche Treffen beinahe im Eklat enden ließ.
Die Nationalen Institutionen verfügen über ein beachtliches Budget
Die Konferenz wurde im Jahr 1897 von Theodor Herzl gegründet und findet seitdem alle fünf Jahre statt. Jüdische Vertreter aus der ganzen Welt entscheiden hier über die Belange der vier Nationalen Institutionen: Neben WZO und KKL gehören auch die Jewish Agency und Keren Hayesod dazu. Gemeinsam verfügen die Organisationen über ein beachtliches Budget und sind Gegenstand komplexer politischer Aushandlungen zwischen Repräsentanten der israelischen Parteien und der Diasporagemeinden sowie der unterschiedlichen religiösen Strömungen und zahlreicher weiterer jüdischer Organisationen.
Ende Oktober dieses Jahres kamen erneut etwa 550 nationale Delegierte – jeweils ungefähr ein Drittel aus Israel, den USA und dem Rest der Welt – sowie über 200 weitere, die jüdische Organisationen vertreten, in Jerusalem zusammen. Doch auch nachdem die meisten längst wieder zuhause waren war das Treffen offiziell noch nicht beendet. Die Verhandlungen liefen zwei weitere Woche virtuell weiter, weil keine Einigung über die Ämterverteilung gefunden werden konnte.
Zwar lag schon früh ein Kompromiss vor, der sich von dem nun getroffenen nur in Details unterschied. Doch das Mitte-links-Lager zog seine Zustimmung zurück, nachdem öffentlich wurde, dass der Likud Yair Netanjahu für ein hohes WZO-Amt vorsah. Der Sohn des Parteivorsitzenden und israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu ist wegen seiner öffentlichen verbalen Angriffe gegen politische Gegner seines Vaters und seiner guten Kontakte zu europäischen Rechtsaußenparteien höchst umstritten. In der nun getroffenen Einigung ist kein Amt mehr für Yair Netanjahu vorgesehen.
Yair Lapid wirft den Nationalen Institutionen Korruption vor
Der Kongress drohte vollends zum Desaster zu werden, als Israels Oppositionsführer Yair Lapid vergangenen Mittwoch den Austritt seiner liberalen Partei Yesh Atid aus der WZO erklärte. In einer Videonachricht warf er den vier Nationalen Institutionen eine »Kultur der Korruption« vor. »Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass sie nicht repariert werden können, sie müssen stillgelegt werden«, sagte Lapid. Der Israeli fordert daher die »sofortige Verstaatlichung« von KKL, in dessen Besitz sich zehn Prozent des Landes in Israel befinden.
Lapid vertritt schon lange die Ansicht, dass die Nationalen Institutionen in ihrer aktuellen Form nicht weiterbestehen sollten. Er und andere Kritiker betrachten die Organisationen als ineffizient, unzeitgemäß und übermäßig politisiert.
Dass der Mitte-links-Block auch ohne Yesh Atid so erfolgreich in den Verhandlungen sein konnte, erklärt ein anonym bleibender Insider gegenüber der »Jüdischen Allgemeinen« mit dem großen Zusammenhalt der verbliebenen progressiven Kräfte. Versuchen, den Block weiter zu spalten, habe man erfolgreich widerstanden.
Ganz zu Ende ist das Drama aber offenbar noch nicht. Noch wurde keine Person für den Vorsitz von KKL nominiert. Doch die Nachrichtenseiten »eJewishPhilanthropy« berichtet von Gerüchten, nach denen ausgerechnet ein Name für den Posten hoch gehandelt werden soll: Gil Segal, der ehemalige Geschäftsführer von Yesh Atid. Die Partei erklärte prompt, sich von ihm lossagen zu wollen, sollte er das Amt annehmen. Denn auch Segal stünde dann unter dem »Verdacht der Korruption«.