Israels geplante Besetzung der Stadt Gaza sorgt auch im eigenen Land für massive Proteste. Zehntausende Menschen forderten in Tel Aviv und anderen Städten einen Deal zur Freilassung der im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln.
Während sich der UN-Sicherheitsrat am heutigen Sonntag bei einer Dringlichkeitssitzung mit Israels Kriegsplänen befasst, arbeiten die Vermittler Katar und die USA laut einem Medienbericht an einem neuen Vorschlag für ein umfassendes Abkommen zur Beendigung des Krieges.
Er solle den Kriegsparteien innerhalb der nächsten zwei Wochen vorgelegt werden, zitierte die US-Nachrichtenseite »Axios« informierte Quellen. Der US-Sondergesandte Steve Witkoff habe sich hierzu im spanischen Ibiza mit dem katarischen Regierungschef Mohammed bin Abdulrahman Al Thani getroffen. Auch das israelische Nachrichtenportal »ynet« berichtete unter Berufung auf Quellen aus dem Umfeld der Terrororganisation Hamas, dass intensive Kontakte mit Israel stattfänden - vermittelt durch die USA, Ägypten und Katar - mit dem Ziel, eine vollständige israelische Einnahme des Gazastreifens zu verhindern.
Neuer Vorstoß zur Beendigung des Krieges
Das israelische Sicherheitskabinett unter Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hatte am Freitag beschlossen, dass das Militär die Stadt Gaza im Norden des abgeriegelten Küstenstreifens einnehmen soll. Es wurde allerdings nicht gesagt, wann genau mit der Besetzung der Stadt begonnen werden soll. Dadurch bleibe mehr Zeit, um eine diplomatische Lösung zu erreichen, zitierte »Axios« einen ranghohen israelischen Beamten. Bisherige Bemühungen um eine vorläufige Waffenruhe und die Freilassung von Geiseln waren ergebnislos verlaufen.
Streit in der Union wegen Rüstungsembargo
Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hatte am Freitag angekündigt, dass vorerst keine Ausfuhren von Rüstungsgütern genehmigt würden, die im Gaza-Krieg verwendet werden könnten. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu warf daraufhin Deutschland vor, mit dem Beschluss die Hamas zu belohnen. Er habe seine Enttäuschung in einem Gespräch mit Merz ausgedrückt, teilte sein Büro mit.
Kanzleramtsminister Thorsten Frei (CDU) wies Vorwürfe auch aus den Reihen der Union zurück, die Bundesregierung vollziehe mit dem Beschluss einen riskanten Kurswechsel in ihrer Israel-Politik.
»Es darf überhaupt kein Zweifel daran bestehen, dass die Grundlinien der deutschen Israel-Politik unverändert bleiben«, sagte Frei der Deutschen Presse-Agentur. »Deutschland unterstützt Israel weiter bei allem, was notwendig ist, seine Existenz und seine Sicherheit zu verteidigen.«
Massenproteste in Israel gegen Kriegsausweitung
Bei den Massenprotesten in Israel forderte das Forum der Geisel-Angehörigen ein umfassendes Abkommen zur Beendigung des Krieges. Die Angehörigen befürchten, dass die Einnahme der Stadt Gaza das Todesurteil für Ihre Liebsten bedeuten würde.
Nach israelischer Einschätzung befinden sich noch 20 lebende Geiseln in der Gewalt der Terrororganisation Hamas. Vor dem Militär-Hauptquartier in Tel Aviv forderten Redner laut der »Times of Israel« die Soldaten dazu auf, sich nicht an der Ausweitung des Krieges zu beteiligen. Sie riefen zudem Israels Opposition sowie Vertreter aus Wirtschaft, Gewerkschaften und Wissenschaft dazu auf, das Land lahmzulegen.
Die Stadt Gaza ist das größte Bevölkerungszentrum im nördlichen Teil des Gazastreifens. Hunderttausende Palästinenser leben dort. Es wird angenommen, dass sich dort auch einige der israelischen Geiseln befinden. Israels Führung hat nicht angegeben, wann der militärische Einsatz zur Einnahme der Stadt beginnen soll. Militäranalysten erklärten dem »Wall Street Journal«, der Einsatz könne sich über Wochen oder Monate hinziehen.
Chance für neue Verhandlungen?
Israel hoffe offenbar, dass der verstärkte militärische Druck die Hamas dazu bringt, zu den eigenen Bedingungen an den Verhandlungstisch zurückzukehren, sagten Analysten der US-Zeitung. Der Einsatz könne jederzeit ausgesetzt werden.
Es gibt jedoch Zweifel, ob die Drohung einer Besetzung ausreicht, um einen Durchbruch bei den indirekten Verhandlungen zu bewirken. »Die Kluft zwischen Israel und der Hamas in Bezug auf die Beendigung des Krieges ist enorm, daher ist es wahrscheinlich sinnlos, zu diesem Zeitpunkt von einem umfassenden Abkommen zu sprechen«, zitierte »Axios« einen israelischen Beamten.
Israels Sicherheitskabinett hatte nach Angaben des Büros von Netanjahu fünf Prinzipien beschlossen, um den Krieg zu beenden. Dazu gehörten die militärische Kontrolle des Küstengebiets durch Israel, die komplette Entwaffnung der Hamas sowie die Entmilitarisierung des Gazastreifens. Anschließend solle dort eine alternative Zivilregierung aufgebaut werden. dpa/ja