Iran-Konflikt

Leere Strände, leere Kassen

»Viermal hat uns die Polizei auf der Autobahn nach Tel Aviv angehalten«, berichtet der Jerusalemer Künstler Guy Briller grinsend und zeigt auf den Grund für die unfreiwilligen Pausen: eine mehr als drei Meter lange Rakete, gebaut aus Abflussrohren und bunt bemalt.

Gezeigt wird sie auf einer Ausstellung mit dem simplen Titel »Iran«, die jüngst in Tel Aviv in der Spaceship Gallery auf der Hayarkon Street eröffnet wurde. Und weil das Plastikgeschoss auf der Dachterrasse installiert wurde, gab es prompt Besuch von amerikanischen Sicherheitsbeamten, schließlich befindet sich die US-Botschaft nur einen Steinwurf entfernt auf der anderen Straßenseite.

»Man mochte es nicht, dass die Rakete auf deren Gebäude gerichtet war, und bat uns höflich, ihre Position zu ändern«, erzählt Joshua Simon, Kurator der Ausstellung, die sich kritisch mit der Art und Weise auseinandersetzt, wie die iranische Bedrohung in der israelischen Öffentlichkeit diskutiert wird. »Dabei wollen wir vor allem die israelischen Psychosen thematisieren, die dabei zum Ausdruck kommen.«

Insbesondere die ständigen Verweise auf die Schoa, wie jüngst während des Auftritts von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu auf der AIPAC-Konferenz in Washington, finden die Künstler problematisch. »Die Debatten über das Für und Wider eines Militärschlags gegen den Iran werden dadurch irrational«, glaubt Ofri Ilani, der in seiner Video-Installation deshalb einen imaginären Luftangriff israelischer Kampfflugzeuge auf Auschwitz zeigt.

Uneins Die Meinungen der Künstler mögen nicht repräsentativ sein, aber sie zeigen eines: In der Frage eines Militäreinsatzes gegen Teherans Nuklearanlagen herrscht in Israel alles andere als Einigkeit. Insbesondere die Ungewissheit, wie lange ein solcher Waffengang dauern könnte, bereitet vielen Israelis Kopfzerbrechen. Nur eine Minderheit von 18 Prozent glaubt, dass nach wenigen Tagen alles wieder vorbei ist, 29 Prozent befürchten einen mehrmonatigen Krieg.

22 Prozent meinen sogar, dass dieser Jahre dauern könnte. Denn eines ist sicher: Je länger eine Auseinandersetzung mit dem Iran dauert, desto gravierender sind die Folgen. Nicht nur die Zahl der Opfer könnte erschreckende Dimensionen annehmen, auch die Auswirkungen auf die Wirtschaft wären katastrophal.

Zwar brummt Israels Konjunktur weiterhin ordentlich, sodass Zentralbankchef Stanley Fischer nach wie vor von einem Wachstum des Bruttoinlandsproduktes für das laufende Jahr von 3,2 Prozent ausgeht. Doch die Stimmung in der Bevölkerung beginnt sich langsam einzutrüben.

Ein Indiz dafür ist der monatlich von Globes Research und der Wirtschaftsprüfungsfirma PwC erstellte Verbrauchervertrauensindex, der im Februar erneut deutlich nach unten zeigte. Zudem attestieren Experten Politikern und Medien ein hohes Maß an Verdrängungswillen, wenn es um die ökonomischen Folgekosten eines Krieges geht.

»Es ist schon ein wenig ärgerlich, dass israelische Journalisten dieses Thema erst dann ansprachen, als anlässlich des US-Besuchs von Netanjahu ihre ausländischen Kollegen hartnäckig danach zu fragen begannen«, so Avi Temkin, Kommentator der Wirtschaftszeitung Globes.

wirtschaft Erstes Opfer eines solchen Krieges wäre wie immer der für Israel wichtige Tourismus. Aber auch die IT-Branche würde massiv in Mitleidenschaft gezogen werden. Denn wenn Teheran wie angekündigt im Konfliktfall die Tankerschifffahrt im Persischen Golf blockiert, dann schießt der Ölpreis in ungeahnte Höhen.

Eine globale Rezession wäre die Folge, und die völlig vom Export abhängige Hightechindustrie Israels käme ins Trudeln. »Selbst bei einem erfolgreichen Angriff können die Auswirkungen verheerend sein«, glaubt Temkin. »Die Israelis würden mit langfristigen und gravierenden Einschnitten im Gesundheits- und Bildungswesen einen sehr hohen Preis zahlen.«

»Genau deshalb wird ein Krieg mit dem Iran nicht stattfinden«, glaubt Amir Kahanovitz. Der Chefökonom von Israels größtem Brokerhaus Clal Finance hat in einer Studie versucht, den Iran-Konflikt durch eine rein wirtschaftliche Brille zu betrachten. »Die Aussichten auf einen Ölpreis von vielleicht 250 Dollar pro Barrel und die bereits vorhandenen Rezessionsängste in der Welt schmälern zudem die Aussicht auf eine internationale Unterstützung.«

Noch zeigen sich ausländische Investoren von dem Säbelrasseln unbeeindruckt. So legte Apple erst vor wenigen Wochen über 400 Millionen Dollar für den Flashspeicherspezialisten Anobit auf den Tisch und kündigte den Aufbau eines Entwicklungscenters in Israel an. »Doch das kann sich schnell ändern«, befürchtet Kahanovitz. »Bereits die Androhung einer militärischen Auseinandersetzung kann die Risikoprämien für Unternehmen, die in Israel Geschäfte tätigen, empfindlich verteuern.«

Andere dagegen geben sich weiterhin gelassen. So verweist der Wirtschaftsinformationsdienst Bloomberg auf die jüngsten Waffengänge Israels, die kaum negative Effekte auf die Wirtschaft hatten. Trotz Libanonkrieg oder Intervention in Gaza übertraf der Tel Aviver Aktienindex sogar zahlreiche andere Märkte deutlich in Sachen Performance.

Fernsehen

»Mord auf dem Inka-Pfad«: War der israelische Ehemann der Täter?

Es ist einer der ungewöhnlichsten Fälle der deutschen Kriminalgeschichte. Die ARD packt das Geschehen nun in einen sehenswerten True-Crime-Vierteiler

von Ute Wessels  30.04.2025

Nahost

Heftige Gefechte in Syrien: Erneut mehrere Tote. Jetzt schaltet sich Israel ein

Eine Tonaufnahme löst in Syrien erneut eine Welle der Gewalt aus. Mehrere Menschen werden getötet

von Amira Rajab, Nehal ElSherif  30.04.2025

Essay

Warum ich stolz auf Israel bin

Das Land ist trotz der Massaker vom 7. Oktober 2023 nicht zusammengebrochen, sondern widerstandsfähig und hoffnungsvoll geblieben. Eine Liebeserklärung

von Alon David  30.04.2025 Aktualisiert

Israel

Massive Brände breiten sich weiter aus

Starke Winde fachen die Feuer rund um Jerusalem an. Es wird an rund 20 verschiedenen Stellen Brandstiftung vermutet

von Sabine Brandes  30.04.2025

Jom Haatzmaut

»Ich habe keine Unabhängigkeit, weil sie immer noch dort sind«

Der aus dem Gazastreifen befreite Yarden Bibas bittet die Israelis, sich einer Solidaritätsaktion für die noch verbleibenden Geiseln anzuschließen

von Sabine Brandes  30.04.2025

Bern

Schweizer Juden reagieren auf Verbot der Terrororganisation Hamas

Deutschland hat die Terrororganisation schon kurz nach dem Angriff vom 7. Oktober 2023 verboten. Die Schweiz zieht jetzt erst nach

 30.04.2025

Nationaler Notstand

Jom-Haazmaut-Feiern wegen Feuer abgesagt

Im Umkreis von Jerusalem sind die schweren Waldbrände nicht unter Kontrolle zu bekommen. Straßen werden gesperrt und Wohnorte geräumt

 30.04.2025

Arbel Yehoud

Ex-Hamas Geisel berichtet erstmals ausführlich von ihrem Schicksal

Die 29-Jährige aus dem Kibbuz Nir Oz war fast 500 Tage in den Fängen der palästinensischen Terroristen

 30.04.2025

Raanana

Randale bei israelisch-palästinensischem Gedenken an Opfer

Bei Tel Aviv greifen ultrarechte Aktivisten Zuschauer einer Gedenkfeier sowie Polizisten an. Auch in Tel Aviv kommt es zu einem Vorfall

 30.04.2025