Gesundheit

Lauterbach will Know-how aus Israel

Die Konferenz mit Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) in Tel Aviv Foto: Haim Zach, GPO

Alles dreht sich dieser Tage in Tel Aviv um die Gesundheit. Vom 12. bis 14. September sind Gesundheitsminister aus 53 Ländern zur Tagung des Regionalkomitees der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in die Stadt gereist. Mit dabei ist Bundesminister Karl Lauterbach. Der will vor allem eins: eine engere Kooperation mit Israel in Gesundheitsbelangen und dadurch mehr Know-how aus der Impfnation.  

Während seines Besuchs lobte Lauterbach Israels Umgang mit der Pandemie in höchsten Tönen. Das Land habe ein sehr gutes digitalisiertes Gesundheitswesen, die elektronische Patientenakte funktioniere, hob er hervor. Davon zu lernen, stehe für ihn im Zentrum seines Besuches.

Der Minister sieht auch die Forschung auf dem höchsten Stand. »Es gibt in Israel grundsätzlich eine gute Einstellung zu Forschung und Wissenschaft. Davon können wir viel lernen. Israel und Deutschland kooperieren schon jetzt bei konkreten Projekten.«

PANDEMIE Das jährliche WHO-Treffen ist das wichtigste zum Thema öffentliche Gesundheit in der europäischen Region, um regionale Politiken, Aktivitäten und Finanzen zu erörtern und zu billigen. Und es ist die erste persönliche Zusammenkunft seit der Corona-Pandemie. Auf der Tagesordnung stehen vor allem die digitale Gesundheit, Gesundheitsförderung durch Verhaltens- und Kulturerkenntnisse, erschwingliche Medikamente und der Mangel an Gesundheitspersonal.

Im Vordergrund steht bei den Corona-Themen auch insbesondere die Notwendigkeit, in Forschung, Diagnostik, Behandlung und Rehabilitation für diejenigen zu investieren, die unter Long Covid leiden.

»Wir könnten von mehr als 25 Millionen Menschen in unserer Region sprechen, die unter Long Covid leiden.«

Natasha Azzopardi Muscat (WHO Europa)

»Anscheinend entwickeln zehn bis 20 Prozent jener, die sich mit Covid-19 infiziert hatten, mittelschwere und schwere Symptome. Wir könnten dabei von mehr als 25 Millionen Menschen in unserer Region sprechen«, sagte die Direktorin für Gesundheitspolitik und -systeme der Länder, WHO Europa, Natasha Azzopardi Muscat, bei der Konferenz. »Oft leiden die Menschen unter derart schwächenden Symptomen, dass ihr komplettes Leben eingeschränkt ist.« Das treffe auch Gesundheitspersonal, an dem ohnehin großer Mangel herrsche.

»Und es belastet unsere Gesundheitssysteme erheblich, denn es geht um Millionen von Frauen und Männern, die sich auf ihrem beruflichen Höhepunkt befinden – und plötzlich nicht mehr arbeiten können«, so Azzopardi Muscat. »Wir müssen das alles besser verstehen, vergleichbare Daten und Beweise sammeln. Es heißt, wir müssen der Wissenschaft folgen. Doch wir müssen diese Wissenschaft erst zusammentragen, um ihr dann zu folgen.«

KINDER Auch der israelische Vorsitzende der Maccabi-Krankenversicherung und Kinderarzt, Zachi Grossman, äußerte sich zu Long Covid: »Es ist frustrierend, diese Einsicht teile ich mit meinen Kollegen. Denn viele nehmen vor allem bei Kindern Long Covid nicht wahr, weder Eltern noch Ärzte. Doch es existiert. Wir wissen mittlerweile, dass zwei bis vier Prozent der infizierten Kinder in Israel darunter leiden. Sie können keinen Sport mehr ausüben, auch wenn sie das vorher konnten, können sich nicht konzentrieren und fallen in der Schule durch«.

Der israelische Präsident Isaac Herzog hatte die 72. Sitzung des Ausschusses der WHO für Europa eröffnet. Mit dabei waren auch der WHO-Vorsitzende Tedros Adhanom Ghebreyesus und der israelische Gesundheitsminister Nitzan Horowitz.

»Israel ist bestrebt, eng mit der WHO zusammenzuarbeiten, um die Menschheit in die Lage zu versetzen, die vielen Herausforderungen zu bewältigen, denen wir gegenüberstehen. Wir sind ein kleines Land mit wenigen natürlichen Ressourcen, aber dafür mit phänomenalen menschlichen Ressourcen.« Israel sei die Heimat unzähliger bahnbrechender Start-ups im Bereich Medizintechnik und Gesundheitstechnologie, die die Grenzen der menschlichen Vorstellungskraft sprengen, fuhr Herzog fort. »Gemeinsam können wir die Durchbrüche entwickeln, die es den Menschen ermöglichen, gesünder und länger zu leben.«

»Die voreingenommenen und politisierten Resolutionen, denen Israel ständig bei der Weltgesundheitsversammlung ausgesetzt ist, müssen enden.«

präsident isaac herzog

Doch der Präsident kritisierte die WHO auch: »Die voreingenommenen und politisierten Resolutionen, denen Israel bei der Weltgesundheitsversammlung fast jährlich ausgesetzt ist, müssen enden. Solche Beschlüsse, die auf Unwahrheiten und Hintergedanken beruhen, schaden der Arbeit und dem Ruf dieses angesehenen Gremiums und wirken sich negativ auf die Gesundheitszusammenarbeit in der Region aus. Die Gesundheit muss über der Politik stehen und als Brücke dienen.«

Das sieht Gesundheitsminister Lauterbach sicherlich genauso. Um diese Zusammenarbeit zu vertiefen, unterzeichnete er mit seinem israelischen Amtskollegen Nitzan Horowitz in Jerusalem eine Erklärung. Ziel ist es, »die intensive Zusammenarbeit weiter zu fördern, Erfahrungen auszutauschen und in den Bereichen Krankheitsprävention und -kontrolle, Medizinprodukte und Arzneimittel, Gesundheitsberufe, digitale Gesundheit sowie Krankenversicherung zusammenarbeiten«. Wenn Lauterbach nach Deutschland zurückreist, wird sein Koffer sicher schwerer sein als beim Hinflug – voll mit Wissen made in Israel.

Lesen Sie das ganze Interview mit Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) in Tel Aviv in der kommenden Printausgabe der Jüdischen Allgemeinen.

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