Jerusalem

Koalition mit unklarem Kurs

Benjamin Netanjahu Foto: Flash 90

Nachdem Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am Freitagnachmittag die Koalitionsvereinbarungen mit den Vertretern der Parteien Jesch Atid und Jüdisches Haus unterschrieben hatte, stellte er heute die neue Regierung in der Knesset vor. Die Parteien Likud und Israel Beiteinu waren bei den Wahlen auf einer gemeinsamen Liste angetreten und bilden nun eine gemeinsame Fraktion.

KURS Die Regierungsmannschaft ist ziemlich bunt gewürfelt, sodass sich nur schwer ein klarer Kurs ablesen lässt. Die verbreiteten Klischees vom »Hardliner« oder »extrem-nationalistisch«helfen da nicht weiter, wenn zum Beispiel der als »rechts« eingestufte Naftali Bennett vom Jüdischen Haus das unpolitische Handels- und Industrieministerium übernimmt. Die von vielen als gemäßigt dargestellte neue Justizministerin Zipi Livni wurde zwar mit den Friedensverhandlungen betraut. Doch da sie mit ihrer Partei Hatnua nur ein kleiner Koalitionspartner ist, wird sie keine eigenen Wege gehen können.

Ein klassischer rechtsgerichteter Hardliner wäre Uzi Landau. Doch der ist nun Tourismusminister und dürfte nur geringen Einfluss auf die große Politik haben, darunter Herausforderungen wie Irans Atomprogramm, das zerfallende Syrien, die Palästinenser oder Ägypten. Verteidigungsminister ist Moshe Yaalon, der frühere Generalstabschef der Zahal. Sein ehemaliger Amtsvorgänger, Amir Peretz, wird als neuer Umweltminister nicht viel mitreden können.

POSTEN Das Außenamt wird vorläufig der Ministerpräsident betreuen. Denn dieses Amt bleibt für Avigdor Lieberman reserviert, bis der seinen Korruptionsprozess mit einem Freispruch überwunden hat. Sollte das Gericht Lieberman allerdings schuldig sprechen, müsste dieser Posten neu verhandelt werden. Der bisherige Erziehungsminister Gideon Saar (Likud) ist nun Innenminister, der Rabbiner Shay Piron (Jesch Atid) ist für Bildung und Erziehung zuständig.

Der wichtigste und mächtigste Posten neben dem Ministerpräsidenten, das Finanzministerium, fällt an Yair Lapid, dessen Partei Jesch Atid ohne klares Konzept bei den Wahlen fast so gut abgeschlossen hat wie das Bündnis von Netanjahu und Lieberman. Doch Lapid ist ein Neuling in der Politik und deshalb ein unbeschriebenes Blatt. Gleichwohl wird er künftig mitentscheiden, wohin die knappen Gelder fließen.

Mehr Sicherheit bedeutet weniger Geld für Soziales. Mehr Straßen oder Wohnungen in Israel wie in den besetzten Gebieten bedeuten weniger Gesundheit und Wissenschaftsförderung. Offen ist, wo Lapid die Schwergewichte setzen will. Davon wird aber ganz entscheidend auch die Zukunft Israels abhängen. Denn Israels Probleme lassen sich nicht nur auf Siedlungen oder »Palästina« reduzieren. Ohne funktionierende Wirtschaft lässt sich auch kein Frieden schaffen.

ULTRAORTHODOXE Erstmals sind in der Regierung keine ultraorthodoxen Parteien vertreten. Für die Siedlungspolitik hat das keine Bedeutung, denn ausgerechnet die Ultraorthodoxen standen bei diesem Thema eher »links« und haben in der Vergangenheit für den Rückzug aus Sinai und dem Gazastreifen mitsamt einer Aufgabe von Siedlungen gestimmt.

Deren Fehlen am Kabinettstisch wird vor allem soziale und finanzielle Folgen haben, sobald sie keine Möglichkeit mehr haben, viel Geld in ihr separates Erziehungssystem zu lotsen. Zudem drohen dem orthodoxen Bevölkerungssektor schmerzhafte Kürzungen, sollten Netanjahus Koalitionspartner ihre Wahlversprechen zu »sozialer Gerechtigkeit« und »gleichen Pflichten für alle« durchsetzen, also auch den Militärdienst für die bisher freigestellten Ultra-Frommen.

Unwetter

Wintersturm »Byron« fordert zwei Tote

Der Sturm »Byron« hält an. Regenfälle und starke Winde kosten einem Kind im Gazastreifen und einem 53-Jährigen in Israel das Leben

 11.12.2025

Andrea Kiewel

Ein Weltwunder namens Regen

Jedes Jahr im Dezember versetzt der Regen die Menschen in Israel in Panik - dabei ist er so vorhersehbar wie Chanukka

von Andrea Kiewel  11.12.2025 Aktualisiert

Gazastreifen

»Ein Arzt injizierte ihr Luft«

Der Vater der von der Hamas am 7. Oktober 2023 nach Gaza verschleppten israelischen Soldatin Noa Marciano beschuldigt einen Arzt im Al-Schifa-Krankenhaus, seine Tochter ermordet zu haben

 11.12.2025

Waffenruhe

Hamas-Auslandschef: Waffen abgeben, wäre wie Seele verlieren

Khaled Meshaal widerspricht in einem Interview den Kernforderungen von US-Präsident Trump und Ministerpräsident Netanjahu

 11.12.2025

Interview

»Ein jüdischer Film braucht keinen jüdischen Regisseur«

Leiterin Daniella Tourgeman über das »Jerusalem Jewish Film Festival«, eine Hommage an israelische Krankenschwestern und Boykottaufrufe in der Kunstwelt

von Joshua Schultheis  11.12.2025

Israel

Kibbuz will Einwohnerzahl nach Hamas-Massaker verdoppeln

Der 7. Oktober war ein tiefer Einschnitt für die Gemeinde an der Grenze zum Gazastreifen. Doch die Menschen dort denken nicht ans Aufgeben

 10.12.2025

Justiz

Mutmaßlicher Entführer: Chef eines israelischen Sicherheitsunternehmens packt aus

Die Hintergründe

 10.12.2025

Fußball

Sorge vor Maccabi-Spiel in Stuttgart

Tausende Polizisten, Metalldetektoren beim Einlass, Sorge vor Gewalt: Warum der Besuch von Maccabi Tel Aviv in der Europa League beim VfB aufgrund der politischen Lage kein sportlicher Alltag ist.

 10.12.2025

Wetter

Wintersturm Byron fegt über Israel

Israelische Rettungsdienste und kommunale Behörden im ganzen Land sind in Alarmbereitschaft. Wintersturm Byron bringt Überschwemmungen und Blitzschlag

 10.12.2025