Die Knesset hat am Mittwochabend mit knapper Mehrheit für ein Gesetz gestimmt, das die israelische Souveränität auf Siedlungsgebiete im Westjordanland ausweiten soll. Der Antrag mit dem Titel »Anwendung israelischer Souveränität in Judäa und Samaria, 2025«, eingebracht von Avi Maoz (Noam), passierte die erste Hürde mit 25 zu 24 Stimmen.
Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass »die Gesetze, das Justizsystem, die Verwaltung und die Souveränität des Staates Israel auf alle Siedlungsgebiete in Judäa und Samaria angewendet werden«. Damit wäre eine faktische Annexion großer Teile des Westjordanlands verbunden.
Vor der Abstimmung erklärte Maoz im Plenum: »Mit der Anwendung der Souveränität auf Judäa und Samaria korrigieren wir ein lange bestehendes historisches Unrecht. Da die Regierung gezögert hat, ist es unsere Pflicht als Abgeordnete, zu handeln.« Er habe sich, so Maoz weiter, geweigert, Premierminister Netanjahus Bitte nachzukommen, die Abstimmung zu verschieben.
Rubio gegen Entscheidung
Bildungsminister Joav Kisch betonte zwar, die Regierung sei »die beste, die die Siedlungsbewegung je hatte«, fügte aber hinzu: »Die Zeit für Souveränitätsgesetze wird kommen – und wir werden sie gemeinsam mit unseren amerikanischen Partnern anführen.«
Ein zweiter Antrag zur Anwendung israelischer Souveränität auf die Siedlung Ma›ale Adumim, eingebracht von Avigdor Liberman (Israel Beitenu), wurde mit 32 zu 9 Stimmen angenommen.
US-Außenminister Marco Rubio warnte unmittelbar nach der Abstimmung, die Entscheidung könne Präsident Donald Trumps Plan zur Beendigung des Gaza-Krieges gefährden. »Sie haben im Parlament abgestimmt, aber der Präsident hat klar gesagt, dass wir das derzeit nicht unterstützen«, erklärte Rubio vor seinem Abflug nach Israel. »Wir glauben, dass dieser Schritt das Friedensabkommen bedrohen könnte.«
Rubio betonte, man respektiere Israels demokratische Prozesse, halte den Zeitpunkt jedoch für »kontraproduktiv«.
»Kontraproduktiver« Zeitpunkt
Trump selbst hatte bereits im September betont, er werde eine israelische Annexion des Westjordanlands nicht zulassen. Mehrere arabische Staaten, darunter die Vereinigten Arabischen Emirate, hatten zuvor gewarnt, eine solche Maßnahme würde den Geist der Abraham-Abkommen untergraben.
Sollte der Gesetzentwurf endgültig angenommen werden, würde das israelische Zivilrecht in den Siedlungen gelten – ein Bruch mit dem derzeitigen Status, nach dem die Gebiete völkerrechtlich als »vorübergehend besetzt« gelten und unter der militärischen Verwaltung des israelischen Zentralkommandos stehen.
Nach israelischer Lesart handelt es sich beim Westjordanland nicht um besetztes Gebiet, da es vor 1967 keinen anerkannten Souverän gegeben habe. Internationale Organisationen hingegen sehen in der Besiedlung der Gebiete einen Verstoß gegen Artikel 49 der Vierten Genfer Konvention, der die Ansiedlung eigener Zivilisten in besetzten Territorien untersagt.
Im Jahr 2024 hatte der Internationale Gerichtshof in Den Haag in einem Gutachten erklärt, Israels Präsenz im Westjordanland sei »nicht mehr vorübergehend« und daher völkerrechtswidrig. dpa/ja