Wissenschaft

Israels Wunderkühe

Kuhweide in der Jesreel-Ebene Foto: Flash 90

Die schwarz-weiß gefleckten Wunderkühe stapfen träge durch den Dreck, stehen herum oder fressen. Das Wellblechdach des offenen Stalls schirmt die Tiere von der Sonne ab. Ventilatoren sorgen für angenehmen Wind.

»Wir wollen die Kühe glücklich machen«, sagt Peleg Orion, Landwirt aus Kfar Vitkin, einem Dorf in Israels Norden. »Erst wenn sie glücklich sind, geben sie uns auch Milch.« Israelische Kühe produzieren im Schnitt weltweit die meiste Milch – rund 13,2 Tonnen pro Jahr, wie die UN sagen. Die deutsche Durchschnittskuh hinkt da weit hinterher: Sie gibt rund 7,8 Tonnen.

SYSTEM Fütterung, Haltung, Züchtung: Fachleute in Deutschland zeigen sich beeindruckt vom israelischen System. Sie betonen aber, dass es nicht einfach so auf Deutschland übertragbar ist – zumindest nicht überall.

Die syrische Damaskus-Kuh ist an das Klima mit großer Hitze und Trockenheit gewöhnt.

Rund 700 Milchkühe hält Landwirt Orion mit sechs weiteren Bauern. Sie haben acht Angestellte, die die Tiere in drei Arbeitsschichten drei Mal am Tag melken lassen, wie Orion erzählt. Jeder Melkvorgang dauere sechs, sieben Minuten. 32 Kühe könnten parallel an die Melkmaschinen angeschlossen werden.

Jedes Tier trägt einen Transmitter am Bein. Damit werde elektronisch erfasst, wie viel Milch sie gibt, wie viel sie sich bewegt, wie die elektronische Leitfähigkeit der Milch ist, sagt Orion. Die Leitfähigkeit könne Hinweise auf Krankheiten liefern, aber auch auf den Eisprung der Kuh. Einmal im Monat schickt der Betrieb von jedem Tier eine Milchprobe ins Labor, um den Fett- und Proteingehalt kontrollieren zu lassen.

Der Deutsche Bauernverband bestätigt das  hohe Niveau der israelischen Milchviehbetriebe.

NIVEAU Der Deutsche Bauernverband bestätigt das flächendeckend hohe Niveau der israelischen Milchviehbetriebe. »Die israelische Milchwirtschaft ist hochprofessionell und das über alle Bereiche hinweg«, sagt Milchexperte Ludwig Börger. In Deutschland gebe es allerdings viel mehr Milchviehbetriebe: 62.000 mit 4,1 Millionen Kühen. In Israel sind es dagegen etwa 760 mit rund 120.000 Tieren.

Zudem seien die deutschen Betriebe deutlich heterogener organisiert, sagt Börger: Gerade in Ostdeutschland hätten manche Großbetriebe mehr als 1000 Kühe und seien mit Israel vergleichbar organisiert. Dagegen gebe es im Süden und Westen Deutschlands oft kleinere Höfe – von denen manche nicht nur Milch, sondern etwa auch Fleisch produzierten. »Der durchschnittliche Betrieb in Bayern hat 40 Kühe.«

Ein wesentlicher Grund für die Leistung der israelischen Kühe: das Kraftfutter.

Noch wichtiger sei allerdings ein anderer Unterschied: Israel sei ein abgeschotteter kleiner, staatlich regulierter Milchmarkt. In Krisenzeiten müsse die Selbstversorgung weitgehend gesichert sein. Die hohen Produktionskosten, etwa durch den Import von viel Kraftfutter, würden durch hohe Verkaufskosten gedeckt. »Deutschland ist dagegen durch die politischen Weichenstellungen zunehmend im weltweiten Milchmarkt integriert«, sagt Börger.

KRAFTFUTTER Einen weiteren Grund für den israelischen Erfolg sieht Avschalom Vilan, Chef des Israelischen Bauernverbands (IFF), in der Fütterung. In Westeuropa, etwa in Deutschland oder Frankreich, stünden viele Kühe sechs Monate auf der Weide und fräßen im Winter nur ein paar Monate Kraftfutter. »In Israel gibt es kein Gras ohne künstliche Bewässerung, und zweitens ist es sehr heiß«, sagt Vilan. Kühe stünden stets im Stall. Rund 70 Prozent des Futters seien Kraftfutter, etwa aus Soja, Weizen und Maissamen. Rund 30 Prozent seien Silage oder Heu.

Entscheidend ist, dass das Futter gut gemischt ist und die Kuh auch die Silage frisst.

Der hohe Anteil von Kraftfutter könnte laut Martina Hoedemaker von der Tierärztlichen Hochschule Hannover allerdings auch zu Problemen führen. »70 Prozent Kraftfutter und 30 Prozent Silage sind für Wiederkäufer eine grenzwertige Ration«, sagt die Direktorin der Klinik für Rinder.

Entscheidend sei, dass das Futter gut gemischt sei und die Kuh auch die Silage fresse, sonst könne sie Probleme bei der Verdauung bekommen. Die durchschnittliche Lebenszeit der israelischen Milchkuh von fünf oder sechs Jahren sei allerdings mit der von deutschen vergleichbar.

Für Israeli Vilan ist für den Erfolg der israelischen Kühe auch die Züchtung entscheidend. »Von Anfang an gab es eine starke Verbindung zwischen den Farmern und der Forschung«, sagt er. Etwa in den 1920er-Jahren waren die ersten Kühe demnach eine Kreuzung aus einer viel Milch gebenden niederländischen Kuh und der syrischen Damaskus-Kuh – die an das Klima mit großer Hitze und Trockenheit gewöhnt war.

»In Israel kann sich die Kuh hinlegen wie sie will«, schwärmt der deutsche Experte.

ZÜCHTUNG Die in Israel lebenden rund 120.000 Kühe gehörten laut Israelischem Bauernverband zur Rasse Holstein-Friesian-Israeli. Die Daten jeder Kuh werden zentral erfasst – und entsprechend für die Züchtung in jedem der rund 760 landwirtschaftlichen Betriebe ausgewertet. Die Betriebe gehören zu Gemeinschaftssiedlungen. Die größeren haben im Schnitt rund 300 Kühe, die Kleineren 80 bis 100.

Matthias Schick, Professor für Agrartechnik an der Universität Hohenheim, lobt das israelische System – unter anderem die Haltung im offenen Stall. »Da kann sich die Kuh hinlegen wie sie will, wie auf der Weide«, sagt Schick.

In Deutschland sei sie im Stall entweder angebunden oder in einer Liegebox, eingeschränkt in ihrer Bewegungsfreiheit. »Das ist das I-Tüpfelchen«, sagt Schick. »In Deutschland geht es den Kühen auch gut, in Israel geht es ihnen bezüglich der Haltungsform aber sogar ein kleines bisschen besser.«

Debatte

Medienberichte: Israels Regierung hebt Entlassung Bars auf

Israels Führung wollte den Geheimdienstchef loswerden, am Montag erklärte Ronen Bar selbst seinen Rücktritt. Die Regierung nimmt nun ihren Entlassungsbeschluss zurück - womöglich nicht ohne Grund

von Cindy Riechau  29.04.2025

Jom Hasikaron

Ganz Israel trauert

Mit dem ersten Sirenenton am Abend beginnt das Gedenken für die gefallenen Soldaten und Terroropfer

von Sabine Brandes  29.04.2025

Rekord

So viele Menschen leben in Israel

Eine neue Statistik liefert überraschende Antworten

 29.04.2025

Tel Aviv

»Sie würde aussehen wie ein Sumo-Ringer«

Benjamin Netanjahu bestreitet im Korruptionsprozess gegen ihn, dass seine Frau 160 Kisten Champagner bekommen hat

 29.04.2025

Menschenrechte

Immer schriller: Amnesty zeigt erneut mit dem Finger auf Israel

Im neuesten Jahresbericht der Menschenrechtsorganisation wirft sie Israel vor, einen »live übertragenen Völkermord« zu begehen

von Michael Thaidigsmann  29.04.2025

Israel

Israels Geheimdienstchef Bar räumt seinen Posten 

Israels Führung will den Inlandsgeheimdienstchef des Landes schon länger loswerden. Nun plant Ronen Bar, sein Amt bald niederzulegen. Grund ist aber nicht der Wunsch der Regierung

 28.04.2025

Sport

Nach Anti-Israel-Eklat: Jetzt sprechen die Schweizer Fechter

Bei der Nachwuchs-EM der Fechterinnen und Fechter kommt es in Estland zu einer viel diskutierten Szene. Nun haben sich die verantwortlichen Schweizer erklärt

 28.04.2025

Meinung

Die Namen in die Welt schreien

24 junge Männer in der Gewalt der Hamas sind wahrscheinlich noch am Leben - sie können und müssen durch ein Abkommen gerettet werden

von Sabine Brandes  28.04.2025

Fecht-EM

Schweizer Fechter schauen bei israelischer Hymne demonstrativ weg

Nachdem die U23-Mannschaft der Schweizer Fechter gegen Israel protestierte, äußert sich nun der Schweizer Fechtverband und verurteilt den Vorfall

von Nicole Dreyfus  28.04.2025