Im Zuge ihrer neuen Großoffensive im Gazastreifen hat die israelische Armee nach eigenen Angaben auch einen großangelegten Einsatz von Bodentruppen gestartet. Sie seien seit Samstag im gesamten Norden und Süden des Küstengebiets gegen die Hamas im Einsatz, teilte das Militär mit.
Israels Regierung will mit ihrem Vorgehen den Druck auf die Hamas erhöhen, die Israel erklärtermaßen vernichten will und weitere Massaker im Stil des 7. Oktobers 2023 bereits angekündigt hat. Auch halten die Terroristen weiterhin 58 Geiseln in Gefangenschaft. Die Pläne für die Offensive, die Anfang Mai aus Regierungskreisen verlauteten, sehen auch vor, dass die Armee das abgeriegelte Küstengebiet erobert und auf Dauer besetzt hält, um Israels Souveränität und Sicherheitsinteressen zu schützen.
Im Norden des Gazastreifens sind nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde mittlerweile alle Kliniken außer Betrieb. Palästinensische Terroristen verschanzen sich systematisch in Krankenhäusern, missbrauchen sie als Waffenlager, wie Israel auch anhand von Videos belegte. Auch Geiseln der Terroristen wurden zeitweise in Krankenhäusern und in Terror-Tunneln darunter festgehalten.
Offensive zeigt Wirkung
Krankenhäuser können ihren Schutzstatus laut Völkerrecht unter bestimmten Umständen verlieren, etwa wenn sie für Verstecke für Kämpfer oder als Waffenlager benutzt werden.
Nach Ansicht der israelischen Regierung zeigt die neue Großoffensive bereits Wirkung. Verteidigungsminister Israel Katz hatte am Samstag mitgeteilt, mit Beginn der Operation habe die Hamas eine Rückkehr zu den Verhandlungen über ein Geiselabkommen angekündigt. Die Terroristen bestätigten eine neue Gesprächsrunde in der katarischen Hauptstadt Doha.
Es gibt allerdings viele Streitpunkte. Selbst wenn die Hamas anbieten würde, weitere Geiseln freizulassen, werde Israel den Krieg nicht beenden, hatte Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu kürzlich betont. Eine zeitlich begrenzte Waffenruhe sei zwar möglich, nicht aber ein dauerhaftes Ende der Kämpfe. Dies wiederum will die Hamas, die den Krieg allerdings vor 591 Tagen selbst begann und mit ihrem Vorgehen verlängert.
»Gideon’s Chariots«
Berichte, wonach die laufende Offensive eine große Geiselbefreiungsaktion darstellt, wurden von den Streitkräften (IDF) indirekt dementiert: »Die IDF befinden sich mitten in der Operation Gideon’s Chariots und operieren in allen Gebieten des Gazastreifens«, heißt es in der Erklärung des Militärs. Eine Änderung der Lagebeurteilung gebe es nicht.
Nach Angaben des israelischen Militärs wurden unterdessen am Wochenende zwei Geschosse aus Gaza auf Israel aus dem Gazastreifen abgefeuert. Eines sei von der Luftabwehr abgefangen worden, das andere auf offenem Gebiet niedergegangen. Es gab zunächst keine Berichte über Opfer oder Schäden.
Kurz darauf wiesen die IDF die Bevölkerung in der Stadt Khan Junis an, diese zu ihrer eigenen Sicherheit zu verlassen. Eine weitere Eskalationsstufe der Anti-Terror-Offensive steht offenbar kurz bevor.
Erneut Kritik von Guterres
Nach Bekanntwerden des Beginns der Großoffensive mehrten sich Appelle, dass die Gewalt ein Ende haben müsse. Das forderte EU-Ratspräsident António Costa von »beiden Konfliktparteien«. UN-Generalsekretär António Guterres teilte mit, die Lage für die Palästinenser in Gaza sei mehr als unmenschlich. Die Blockade humanitärer Hilfe «muss sofort beendet werden».
Netanjahu kündigte derweil die Einnahme des gesamten Gazastreifens an. «Wir werden die Kontrolle über alle Gebiete des Gazastreifens übernehmen», sagte er in einer auf Telegram veröffentlichten Videoansprache. Weitere Details dazu nannte er zunächst nicht.
Nach einer Sitzung des israelischen Sicherheitskabinetts Anfang Mai hatte es aus Regierungskreisen bereits geheißen, dass Pläne für eine Einnahme des Gazastreifens und die fortwährende Kontrolle der Gebiete gebilligt worden seien, um künftig weitere Terroranschläge aus dem Gazastreifen wie am 7. Oktober 2023 zu verhindern.
Der norwegische Ministerpräsident Jonas Gahr Støre verurteilte einen israelischen Angriff in der Nacht. Israel setze Leid und Hunger als Waffe gegen die Menschen in Gaza ein, sagte er nach Angaben der Nachrichtenagentur NTB. Die Gewalt müsse enden, die Nothilfe in das Gebiet gelassen werden und die Geiseln müssten freigelassen werden. Die Hamas weigert sich allerdings, dies zu tun. Genau dies ist eines der zentralen Probleme.
Derweil werden die Geiseln der Hamas werden derweil ausgehungert, gefoltert und sexuell missbraucht wie aus Aussagen bereits freigelassener Verschleppter hervorgeht. dpa/ja