Ben & Jerry’s

»Ich würde als Sorte ›Judäa und Samaria‹ bevorzugen«

Ben & Jerry’s-LKW in Israel Foto: imago images/MiS

Vor gut einem Jahr löste diese Ankündigung des amerikanischen Speiseeisherstellers Ben & Jerry’s weltweit Empörung aus. »Wir sind der Meinung, dass der Verkauf von Ben & Jerry’s-Eis in den besetzten palästinensischen Gebieten (OPT) mit unseren Werten unvereinbar ist.«

Man habe daher, gab der Vorstand des Unternehmens damals bekannt, die Partnerschaft mit dem langjährigen israelischen Lizenznehmer gekündigt. Das Premium-Eis dürfe künftig nicht mehr in israelischen Siedlungen im Westjordanland verkauft werden.

ENTSCHEIDUNG Die beiden jüdischen Gründer der Marke, Ben Cohen und Jerry Greenfield, stellten sich hinter die Entscheidung. In der »New York Times« schrieben sie im Juli 2021: »Wir sind die Gründer von Ben & Jerry’s. Wir sind auch stolze Juden. Als unser Unternehmen begann, international zu expandieren, war Israel einer unserer ersten Märkte in Übersee. Wir waren damals und sind auch heute noch Unterstützer des Staates Israel.«

Aber es sei möglich, so die beiden in der Stellungnahme weiter, »Israel zu unterstützen und gleichzeitig einige seiner politischen Maßnahmen abzulehnen, so wie wir auch die Politik der US-Regierung abgelehnt haben. Daher unterstützen wir eindeutig die Entscheidung des Unternehmens, seine Geschäftstätigkeit in den besetzten Gebieten einzustellen, die von der Mehrheit der internationalen Gemeinschaft, einschließlich der Vereinten Nationen, als illegale Besetzung eingestuft wurden.«

Sie seien, schrieben die 71-Jährigen, nicht nur »men of ice cream«, sondern auch »men of principle«.

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Doch die Verantwortlichen bei B&J erhielten scharfen Gegenwind. Nicht nur in Israel selbst, auch in den USA und Europa kam es zu lautstarken Protesten. Einige Konsumenten antworteten auf den angekündigten Boykott mit einem Gegenboykott der Eismarke.

Und obwohl der B&J-Vorstand unabhängig ist, hatte er die Rechnung nicht mit dem Mutterkonzern gemacht. Unilever hatte die 1978 von zwei Freunden gegründete Eisfirma im Jahr 2000 für stolze 345 Millionen Euro übernommen.

Die Konzernführung machte aus dem Lizenznehmer Avi Zinger kurzerhand den Eigentümer der Marke in Israel. Wieviel Zinger für den Erwerb bezahlen musste, wurde nicht bekannt. Doch mit dem Deal kann seine Firma American Quality Products Ltd. auch künftig Ben & Jerry’s-Eis herstellen und vertreiben - und das auch nicht nur in Israel, sondern auch in den Siedlungen und im palästinensischen Westjordanland.

Allerdings mit der Maßgabe, die B&J-Schriftzüge nur noch auf Hebräisch und Arabisch und nicht mehr in englischer Sprache zu verwenden.

DISKRIMINIERUNG Man habe, so Unilever, die vergangenen zwölf Monate genutzt, um die konträren Ansichten in dieser Angelegenheit zu prüfen, und sei sich sicher, dass die jetzt gefundene Lösung die beste für alle Beteiligten sei.

Weiter erklärte das Unternehmen: »Unilever lehnt jedwede Form von Diskriminierung und Intoleranz ab und weist sie eindeutig zurück. Antisemitismus hat keinen Platz in der Gesellschaft. Wir haben nie unsere Unterstützung für die BDS-Bewegung zum Ausdruck gebracht und haben nicht die Absicht, diese Position zu ändern.«

Die Mehrheit im Ben & Jerry’s-Vorstand wollte dies nicht hinnehmen, die beiden Unilever-Vertreter in dem Gremium wurden überstimmt. Anfang Juli reichte B&J vor einem US-Bundesgericht Klage gegen den eigenen Mutterkonzern ein. Darin wird Unilever vorgeworfen, die Entscheidung des B&J-Vorstands unterlaufen zu haben, kein Eis mehr in israelisch besetzten Gebieten zu verkaufen.

Bei der Übernahme 2000 habe Unilever der Premium-Eisfirma ausdrücklich eine gewisse Eigenständigkeit zugestanden – inklusive der Entscheidungshoheit des B&J-Vorstands. Man müsse die Marke und die »soziale Integrität« schützen, die Ben & Jerry’s über die Jahrzehnte aufgebaut habe, hieß es in der Klage.

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Das politische Engagement des Eisherstellers beschränkt sich nicht auf Israel. So arbeitet B&J in Deutschland mit der Organisation Pro Asyl zusammen, um gegen Rassismus gegen Geflüchtete anzukämpfen. Drei Wochen vor Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine forderte Ben & Jerry’s via Twitter (dortiges Motto: »Peace, Love, & Ice Cream«), die USA dürften den Konflikt nicht durch weitere Truppenverlegungen nach Europa anheizen. Joe Biden ließ sich dennoch nicht von seinem Kurs abbringen.

Gerichte müssen nun klären, wer schlussendlich die Entscheidung treffen darf, ob Ben & Jerry’s-Eis in Israel und in den Siedlungen weiter verkauft werden kann. Eigentlich sollte der Boykott bereits mit Auslaufen des Vertrags von Avi Zinger Ende des Jahres in Kraft treten. Doch Zinger, der seit mehr als drei Jahrzehnten B&J-Eis unter das israelische Volk bringt, wehrte sich erfolgreich – und bekam von Unilever mehr Rechte zugestanden, als er zuvor hatte.

Nur die Konterfeis der Gründer Cohen und Greenfield sollen künftig die israelischen Eisbecher nicht mehr zieren. Das sei kein Problem für ihn, so Zinger im Interview mit der Tageszeitung »Haaretz« Anfang Juli. »Das wollte ich sowieso machen.« Das Verhalten der beiden amerikanischen Firmengründer habe ihn schwer enttäuscht. »Sie waren jahrzehntelang meine Freunde.«

RECHTSSTREIT Zinger überlegt jetzt sogar, einige B&J-Eissorten umzubenennen. Gegenüber »Haaretz« sagte er: »Ben & Jerry’s gehört mir jetzt für immer. Außerdem kann ich mit die Sorten machen, die ich machen will, und ich kann mit den israelischen Firmen zusammenarbeiten, mit denen ich zusammenarbeiten will.«

https://twitter.com/AdamMilstein/status/1557106105989451778

Von der Interviewerin gefragt, ob es ihm rein hypothetisch auch gestattet sei, den Namen der beliebten B&J-Eissorte »Chunky Monkey« in »Hänsel und Gretel« zu ändern, antwortete der Unternehmer in Anspielung auf den biblischen Namen des Westjordanlandes: »Ich würde als Sorte eher etwas mit ›Judäa und Samaria‹ bevorzugen.«

Zingers provokante Aussage fand nun wiederum Eingang in die Klage des B&J-Vorstands gegen Unilever. Die Anwälte des Eisherstellers argumentieren, der Verkauf »ein und desselben Qualitätsprodukts mit genau entgegengesetzter sozialer Einstellung« in Israel und den Palästinensergebieten verstoße gegen die Vereinbarung mit Unilever, die es dem B&J-Vorstand erlaube, seine politische Mission selbst zu bestimmen.

Doch der Mutterkonzern selbst zieht jetzt ebenfalls die Daumenschrauben an: Laut einem Bericht der Nachrichtenagentur »Bloomberg« hat das Unternehmen die Vergütung der renitenten B&J-Vorstände ausgesetzt. Den Antrag von Ben & Jerry’s auf Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen Unilever lehnte ein US-Richter ab.

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