Gaza

Hoffnung nur ohne Hamas

Hamza Howidy Foto: Gustav Glas

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Hoffnung nur ohne Hamas

Der Friedensaktivist Hamza Howidy ist im August 2023 aus dem Gazastreifen geflohen. Er fürchtet, dass das aktuelle Abkommen nichts an den dortigen Zuständen ändern wird

von Hamza Howidy  26.02.2025 22:43 Uhr Aktualisiert

Das Aufwachsen unter der Hamas war ein Albtraum ohne Erwachen. Alle Bereiche des Lebens waren eingeschränkt, Kriminalität und Brutalität der Terroristen an der Tagesordnung. Obwohl ich schon immer eine andere Einstellung hatte und ihre Ideologie nicht akzeptierte, war ich gezwungen, mit ihnen zu leben. Bis zu meiner Flucht aus Gaza im August 2023. Nun beobachte ich die Situation aus der Ferne.

Der Vorschlag von US-Präsident Donald Trump, die Bewohner des Gazastreifens umzusiedeln, hat auf der einen Seite die Opposition arabischer Regierungen heraufbeschworen, sie aber auch zur Teilnahme an Nachkriegsinitiativen bewegt, darunter die Beseitigung der Hamas zu erleichtern und den Wiederaufbau meiner Heimat unter einer gemäßigten Regierung zu unterstützen. Plötzlich sind sie stärker in die Lösung der Angelegenheit involviert.

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Das derzeitige Waffenstillstands- und Geiselbefreiungsabkommen zwischen der Hamas und Israel bietet eine Pause im anhaltenden Konflikt, doch ich glaube, es verdeutlicht gleichsam die komplexen Zusammenhänge der Situation. Es sollen dringende humanitäre Bedürfnisse angegangen werden, eine Lösung für die tieferen, systemischen Probleme, die den Teufelskreis der Gewalt zwischen Gaza und Israel aufrechterhalten, bietet der Deal aber nicht.

Der einzige Weg für ihre Rückkehr ist ein Abkommen

Es ist dennoch wichtig, den humanitären Aspekt zu berücksichtigen. Seit mehr als 16 Jahren leidet meine Heimat unter einer unerbittlichen Blockade, nachdem die Hamas die Macht übernommen hatte. Eine Welle des Waffenschmuggels und Tunnelbaus war die Folge. Daraus hat sich eine schwere humanitäre Krise entwickelt, die durch die jüngste Eskalation verschärft wurde. Der Waffenstillstand bietet zwar eine Möglichkeit für Hilfe, aber der Bedarf meiner Landsleute übersteigt das, was in so kurzer Zeit bereitgestellt werden kann.

Auf der anderen Seite gibt es die Familien der israelischen Geiseln, die auf die Rückkehr ihrer Angehörigen warten, die vom Terrorregime entführt wurden, und seit mehr als 500 Tagen Unvorstellbares ertragen müssen. Der einzige Weg für ihre Rückkehr ist ein Abkommen. Die größte Sorge bleibt die anhaltende Herrschaft der Hamas, deren Folter ich zweimal selbst durchleben musste. Die Terroristen ziehen ihre militärische Agenda dem Wohlergehen der Zivilbevölkerung konsequent vor.

Die nächste drängende Frage ist, wer den Wiederaufbau Gazas finanzieren wird. Dieser Prozess, der Milliarden verschlingen wird, bleibt ungewiss, da wichtige Akteure zögern, Mittel bereitzustellen. Die Golfstaaten, darunter die Vereinigten Arabischen Emirate und Saudi-Arabien, haben klargemacht, dass sie nur mit Garantien finanzieren, dass zukünftige Konflikte zwischen der Hamas und Israel vermieden werden.

Unverändert eine ernsthafte Gefahr

Die Hamas als Regierung in Gaza stellt unverändert eine ernsthafte Gefahr für unser palästinensisches Volk und für Israel dar. Die Weltgemeinschaft muss die kritische Bedrohung erkennen, die entsteht, wenn man es ihr erlaubt, humanitäre Hilfe und Wiederaufbauinitiativen zu nutzen, um ihre militärische Macht zu stärken. Stellt man sich diesem Problem nicht, sind Frieden und Stabilität in der Region unerreichbar.

Gemäß dem Abkommen soll die zweite Phase Verhandlungen über eine dauerhafte Beendigung des Krieges beinhalten. Doch nochmals: Ich halte die Erfolgsaussichten für gering, solange die Hamas unerschütterlich an ihrer militärischen Agenda festhalten kann. In der dritten Phase werden sich die Gespräche auf den Wiederaufbau des Gazastreifens und die Errichtung seiner Regierung konzentrieren. Doch es ist wenig wahrscheinlich, dass die Hamas einer Partei – von Palästinensern oder anderen – tatsächlich ihre Entwaffnung erlauben wird.

Die Popularität der Hamas in unserer Bevölkerung, die in den vergangenen Monaten nachgelassen hat, könnte zudem einen deutlichen Aufschwung erleben. Eine aktuelle Umfrage des Palestinian Center for Policy and Survey Research zeigt, dass die Hamas in Gaza eine Popularitätsrate von etwa 35 Prozent genießt. Die symbolischen »Erfolge«, die sie immer wieder verkündet – wie die Freilassung palästinensischer Gefangener und die Rückkehr der vertriebenen Bewohner aus dem nördlichen Gazastreifen –, könnten dazu beitragen.


Momente der Euphorie werden verblassen, und wir werden weiterhin auf einer Zeitbombe sitzen.

Ich denke, dieses Risiko lässt sich nur minimieren, wenn es eine Alternative zur Hamas gibt. Und die muss in der Lage sein, die Terrorgruppe vollständig zu entwaffnen, und die Akzeptanz in der Enklave gewinnen. Die praktikabelste Lösung wäre aus meiner Sicht die Stärkung der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) – trotz ihrer offensichtlichen Unzulänglichkeiten. Es ist von entscheidender Bedeutung, deren Mängel durch umfassende Reformen anzugehen.

Um das zu erreichen, ist es, glaube ich, unerlässlich, den Einfluss der Geberländer, insbesondere der Golfstaaten und der Europäischen Union, zu nutzen, da internationale Gelder rund ein Viertel des Budgets der PA ausmachen. Berücksichtigt man all dies, wird die Fragilität des Abkommens deutlich. Und diese Instabilität wirft einen Schatten auf die Zukunft, die zunehmend ungewiss und düster erscheint. Hält diese Situation an, werden die Momente der Euphorie über Waffenstillstand, Freilassung der israelischen Geiseln und Rückkehr meiner Landsleute in ihre Häuser verblassen – und stattdessen werden wir weiterhin auf einer tickenden Zeitbombe sitzen.

Meine Verwandtschaft, meine Freunde, alle Zivilisten in Gaza leiden unter der Herrschaft der Terrorgruppe. Zwar ist unsere Gesellschaft nach Jahren der fundamentalistischen Indoktrination durch und durch radikalisiert, und eine Umstrukturierung in Gaza nach demokratischem Vorbild wird lange dauern, doch sie ist nicht nur nötig, sie ist auch möglich.
Dafür kämpfe ich.

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