Er war Jona Petersberg. Aber das behielt er für sich. Jahrzehntelang. Doch an diesem Abend, als Yona Yahav vor dem neu eröffneten Jeckes-Museum in der Universität seiner Stadt steht, hält er kurz inne und sagt dann etwas, das er in all den Jahren seines öffentlichen Lebens nie ausgesprochen hat: »Ich bin ein Jecke.«
Sein Bekenntnis reicht weit zurück, bis nach Köln, wo die Petersbergs, seine Eltern, lebten, bevor sie vor den Nationalsozialisten und dem Tod flohen. Der Weg führte sie nach Haifa, ihr Sohn Jona wurde geboren. »Als Jona Peterberg konnte man seinerzeit aber unmöglich über die Straßen Israels laufen«, so der Langzeitbürgermeister der Stadt mit einem Schmunzeln. »Also wurde ich zu Yona Yahav. Doch Deutsch war meine Muttersprache.«
Yona Yahav, 1944 als Jona Petersberg geboren, eröffnete das Museum
Erst Jahrzehnte später besuchte er das Land, das er aus tiefem Schmerz lange nicht betreten wollte. Denn als offizieller Vertreter seiner Stadt erkannte er, wie nötig Austausch und Versöhnung waren. 2007 reiste er nach Köln. Der dortige Bürgermeister zeigte ihm Dokumente über die Verfolgung seiner Familie. Heute ist Yahav Brückenbauer, als solcher »geehrt, das Jeckes-Museum wiederzueröffnen«, wie er sagt, »und glücklich, ein Teil der Gemeinde zu sein«. Er fügt hinzu: »Ich glaube, meine Eltern wären stolz auf den Weg, den wir gegangen sind.«
Einer der ersten Jeckes war Israel Schiloni, 1901 als Hans Herbert Hammerstein in Berlin geboren. 1938 floh er nach Palästina, drei Jahrzehnte später gründete er in Nahariya die erste Sammlung zum Kulturgut deutschsprachiger Juden. Der Unternehmer und Philanthrop Stef Wertheimer, selbst 1937 aus Deutschland geflohen, führte die Tradition fort und gab dem Museum ein Zuhause im Industriepark von Tefen im Norden Israels.
2020 jedoch schloss das Museum wegen mangelnder Mittel. Wertheimer starb im März 2025 im Alter von 98 Jahren. Er war einer der Letzten jener Generation, die die Jeckes-Erzählung persönlich getragen hat. Fünf Jahre lang war die Sammlung heimatlos. Doch hier, eingebettet in das Ruben und Edith Hecht Museum in der Universität Haifa, hat das »Museum des deutschsprachigen jüdischen Erbes« einen würdigen Platz gefunden.
Auch Museumsleiterin Inbal Rivlin ist eine bekennende »stolze Jeckit«
Inbal Rivlin, Leiterin des Hecht-Museums, ist »nach jahrelanger Vorfreude auf diesen Tag« euphorisch. Sie selbst, eine bekennende »stolze Jeckit«, betont, dass Denkmalpflege nicht nur physische Stätten umfasst, sondern auch Werte, Geschichten und Symbole. »Und all das muss bewahrt werden.«
Das Erbe der Jeckes lebt in Israels Kultur und Wissenschaft fort.
»Denn das Museum ist ein Fenster in das Leben jener Frauen und Männer, die in dieses Land kamen, um sich eine neue Heimat aufzubauen. Es ist von entscheidender Bedeutung für unsere Vergangenheit, aber noch mehr für unsere Zukunft«, sagt Rivlin. »Die Jeckes sind Teil der israelischen Geschichte und werden es bleiben.«
»Jecke« ist ein Wort, das die bereits in Palästina lebenden Juden prägten. Zuerst war es abwertend gemeint, später auch liebevoll-ironisch. Pünktlich, hart arbeitend, korrekt – so standen die aus Deutschland kommenden Juden im Jackett unter der levantinischen Sonne. Manche Sprachwissenschaftler meinen, es seien diese Kleidungsstücke gewesen, die ihnen den Namen verpassten – von der Jacke zum Jecke, so die gängige Herleitung. Eine andere Erklärung interpretiert »Jecke« als Akronym der hebräischen Worte »Yehudi Kashe Havana« (begriffsstutziger Jude).
Mit dem Erfolg beim Aufbau des Staates wuchs das Selbstbewusstsein der Jeckes
Für viele, die schon länger im Nahen Osten lebten, waren die deutschen Einwanderer oft fremd, etwas steif, manchmal unbequem. Doch mit dem Erfolg beim Aufbau des jungen Staates wuchs das Selbstbewusstsein der deutschsprachigen Juden, und die einstige Verspottung mauserte sich zu einem Ehrenzeichen.
Für Susi Baruch (91) ist es das bis heute. »Ich trage es mit Ehrfurcht«, sagt sie. Denn diese »besondere Kultur bescherte mir Präzision, Beständigkeit und großen Halt in der Fremde«. Sie kam einst als »verschicktes Kind« allein nach Israel. Ihr Vater wurde im Holocaust ermordet, ihre Mutter folgte Jahre später nach Israel. In Nahariya fanden sie ein Zuhause und eine Nachbarschaft, in der man Deutsch sprach.
Heute geht die ältere Dame mit ihrer Enkelin durch das Museum – und vermittelt ihr eine Ahnung davon, wie die Jeckes in jenen ersten Jahren lebten, hofften und ihr neues Leben aufbauten.
Die Sammlung des Museums umfasst mittlerweile rund eine Million Objekte
Die Sammlung des Museums umfasst mittlerweile rund eine Million Objekte, die in den Räumen ausgestellt sind: Tagebücher, Kunstwerke, Fotografien, Andenken, Notenblätter und ein ganzes Haus. Es zieht die Besucher besonders in den Bann: die Hütte von Hugo-Zwi Schatzmann und seiner Frau Gertrud Lea, die einst in der Weitzmannstraße 2 in Nahariya stand.
Einfache Holzmöbel, eine Liege, Stühle, eine Nähmaschine, ein schwerer Mantel an einem Haken. Draußen Wellblech, drinnen Spitzengardinen, die mahnen: »In dem Haus still zu walten und Fleiß und Ordnung zu erhalten.« Es ist ein Raum, der »Anfang« ausstrahlt: provisorisch und klein, aber aufgeräumt und voller Zuversicht.
Jedes Objekt erzählt von einem Leben zwischen zwei Welten.
Das Museum ist heute zugleich Teil des Zentrums für deutsche und europäische Studien der Universität Haifa. Archivbestände werden digitalisiert; ein wissenschaftlicher Mitarbeiter, finanziert vom Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD), betreut die Erschließung. Gur Alroey, Präsident der Universität Haifa, hebt hervor, dass es ein lebendiges Museum mit einem Forschungszentrum sei. »Sämtliche Forschungsergebnisse werden in die Ausstellung integriert, das ist die Stärke eines Museums an einer Universität.«
Der Umzug wurde auch vom deutschen Außenministerium unterstützt
Unterstützt wurde der Umzug auch vom deutschen Außenministerium, das 1,2 Millionen Euro bereitstellte. Bildungsministerin Karin Prien, die zur Eröffnung gekommen ist, erklärt, sie finde es »tröstlich zu sehen, wie viele Menschen hier in Israel eine neue Heimat fanden«. Das Museum bewahre nicht nur Geschichte, es sei auch »ein Treffpunkt für Menschen und ein Ort der Toleranz, der zum Fragen einlädt: ›Wer waren diese Menschen? Was haben sie mitgebracht?‹«. Prien wünscht sich, dass auch junge Menschen aus Deutschland und Österreich kommen und sehen, »wie eng unsere Kulturen miteinander verwoben« sind. »Unsere gemeinsame Geschichte ist das Fundament unserer gemeinsamen Zukunft.«
Österreich beteiligte sich ebenfalls an der Finanzierung, denn viele Jeckes kamen einst aus Wien oder Graz. »Und ihr Erbe«, so der österreichische Botschafter Nikolaus Lutterotti, »lebt in Israels Kultur und Wissenschaft fort«.
Sonja Lahnstein-Kandel, Vorsitzende des deutschen Förderkreises der Universität Haifa, zeigt auf die Fotografie eines Paares, gut angezogen, mit Hüten und einem Mantel über dem Arm, und fragt: »Wer ist dieses Paar, das bei der Suche nach einem neuen Leben seine beste Kleidung trägt?« Sie und ihre Freunde hätten nicht eine Sekunde gezögert, zur Wiedereröffnung des Museums nach Israel zu reisen. Denn es sei »ein Ort der persönlichen Geschichten, der bewegenden Erfahrungen und der Humanität, an dem wir einen Teil von uns selbst finden«.
Man hat das Gefühl, dass dieser Ort mehr ist als eine Sammlung
Wer das neue Jeckes-Museum verlässt, steht auf einer Anhöhe und schaut hinab auf die Stadt Haifa, wo der Wind vom Meer an manchen Tagen ein wenig nach Europa schmeckt. Und man hat das Gefühl, dass dieser Ort mehr ist als eine Sammlung. Er ist ein Kompass – einer, der zeigt, woher die Menschen kamen und wohin sie gingen. Einer, der von Verlust erzählt, aber auch von einem großen Neuanfang.
In den Dingen, die die Jeckes mitbrachten, in den Worten, die sie sprachen, den Häusern, die sie bauten, lebt etwas fort, das ihnen niemand zu nehmen vermochte – Bildung, Kultur, Sprache, Werte, Hoffnung. Die Türen stehen nun wieder offen. Die Erinnerung daran ist heimgekehrt.