Brüssel

Gingen europäische Gelder an palästinensische Terroristen?

Anhänger der PFLP, die von der EU als terroristische Organisation eingestuft wird Foto: copyright (C) FLASH90 2016

Die israelische Regierung erhebt schwere Vorwürfe gegen die Europäische Union und einige ihrer Mitgliedsstaaten. Einer Untersuchung des Inlandsgeheimdienstes Schin Bet zufolge sind Mittel  in beträchtlicher Höhe (die Rede ist von einem achtstelligen Millionenbetrag) aus Europa via Nichtregierungsorganisationen (NGO) an die Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) geflossen. Die PFLP wird auch von der EU als terroristische Vereinigung eingestuft.

BEWEISE Am Donnerstag teilte das israelische Außenministerium mit, die Botschafter der betreffenden europäischen Länder seien einbestellt worden, um auf das Problem aufmerksam gemacht zu werden. Israel betrachte die Angelegenheit mit großer Sorge, erklärte das Ministerium in Jerusalem. Die Ergebnisse der Untersuchung seien »der Beweis, dass europäische Regierungsgelder an die Terrororganisation PFLP gegangen sind«.

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PFLP-nahe Organisationen wie das Arbeitsgesundheitskomitee (HWC) täuschten laut israelischer Regierung Hilfsorganisationen in Europa gezielt, unter anderem durch die Angabe fiktiver Projekte, die Übermittlung gefälschter Dokumente, aufgeblähte Rechnungen oder die Angabe überhöhter Gehälter.

Ein großer Teil der Hilfsgelder werde in Wahrheit für Zahlungen an die Familien von »Märtyrern« der Volksfront, für aktive Kämpfer und für die Rekrutierung neuer Mitglieder ausgegeben, so der Schin Bet.

Vier HWC-Mitarbeiter, darunter eine Frau mit spanischem Pass, sollen sich in Kürze vor einem israelischen Militärgericht im Westjordanland verantworten. Laut Schin haben die vier »umfangreiches Material preisgegeben, das Aufschluss über das Ausmaß des Betrugs gibt, den PFLP-Institutionen gegen europäische Länder betrieben haben.«

Die spanische Außenministerin Arancha Gonzalez Laya sagte Reportern vergangene Woche, die spanischen Behörden seien in einem »intensiven Dialog« mit Israel über die Anschuldigungen gegen die Frau .

EU-LISTE Die Volksfront zur Befreiung Palästinas wurde als säkulare Organisation im Jahr 1967 gegründet. Anfangs verband sie arabischen Nationalismus mit marxistisch-leninistischer Ideologie. In den 1970er-Jahren pflegte die Terrorgruppe auch Verbindungen zur deutschen Terrororganisation RAF.

Die PFLP ist eine von drei palästinensischen Organisationen, die auf der EU-Liste der terroristischen Gruppen stehen und daher keine staatlichen Gelder empfangen dürfen.

Israel forderte die Europäer am Donnerstag auf, finanzielle Hilfen an Institutionen, die unter dem Deckmantel humanitärer Organisationen Gelder für die Terrororganisation anwerben, umgehend einzufrieren. Transferleistungen an palästinensische NGOs müssten verbessert werden um sicherzustellen, dass diese Gelder nicht in die Hände von Terroristen gelangen.

Die PFLP werde von den USA, der EU, Kanada, Israel und anderen als Terrorgruppe eingestuft, dennoch ignorierten viele europäische Regierungen die Erkenntnisse und investieren weiterhin massiv in diese NGOs, was zu einem Missbrauch von Steuergeldern führe.

Eine Sprecherin der Europäischen Kommission sagte dieser Zeitung, die EU stehe »an der Spitze der weltweiten Bemühungen zur Terrorismusbekämpfung«. Man begrüße den Dialog mit den israelischen Behörden hinsichtlich der Finanzierung von Organisationen der Zivilgesellschaft.

PRÜFUNG Jede Anschuldigung nach einem möglichen Missbrauch von EU-Mitteln werde genau geprüft. »Wir studieren das Material, das uns zur Verfügung gestellt wurde. Nach den EU-Vorschriften ist die Beteiligung von Einrichtungen, Einzelpersonen oder Gruppen, die mit terroristischen Organisationen in Verbindung stehen, absolut unvereinbar mit einer EU-Finanzierung«, so die Sprecherin weiter.

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Wenn es eindeutige Beweise dafür gebe, dass eine Organisation EU-Gelder unangemessen verwendet hat, werde die EU umgehend geeignete Maßnahmen ergreifen. Die Kommission habe zwei laufende Projekte ausgesetzt, um sie eingehend zu überprüfen, sagte sie.

Die EU werde sich »weiterhin an das Völkerrecht halten und zivilgesellschaftliche Organisationen unterstützen«. Letztere leisteten »einen wesentlichen Beitrag zur verantwortungsvollen Staatsführung und zu einer nachhaltigen Entwicklung in der EU, in Israel, in Palästina und anderswo.«

Eine Sprecherin der PFLP wies die israelischen Anschuldigungen zurück. »Israel versucht, die Europäische Union unter Druck zu setzen, damit sie ihre Spenden und Hilfen für das palästinensische Volk einstellt, indem sie solche dummen Behauptungen aufstellt«, wurde Mariam Abu Daqqa von der Nachrichtenagentur »Reuters« zitiert.

Zu den Geldgebern der PFLP gehören offenbar neben der EU auch Deutschland, Belgien, Großbritannien, die Niederlande, Schweden, Spanien und die Schweiz. Ein Sprecher des Eidgenössischen Departments für Äußeres sagte »Reuters«, die  Schweiz betrachte die PFLP zwar nicht als verbotene Terrororganisation, prüfe aber »gründlich alle Anschuldigungen«. Man habe »derzeit keine Beweise«, dass Hilfsmittel »für andere als die vereinbarten Zwecke verwendet wurden«.

SCHADEN Gerald Steinberg, Chef der in Jerusalem ansässigen Organisation NGO Monitor, sagte als Reaktion auf den Bericht: »Seit 20 Jahren haben europäische Beamte dem terrornahen palästinensischen Netzwerk Millionen von Euro zur Verfügung gestellt - unter dem Deckmäntelchen von Menschenrechten und Förderung der Zivilgesellschaft.« Die Europäer, so Steinberg, verschlössen weiter die Augen vor den »eindeutigen Terrorverbindungen« und behaupteten, es gäbe keine Beweise hierfür Vorwürfe.

Die EU und europäische Regierungen verließen sich viel zu sehr auf die Selbstauskünfte der NGOs, anstatt sorgfältig zu prüfen. Man finanziere zudem immer die gleichen palästinensischen Gruppen. »Jetzt, da die Details bekannt sind, werden die Regierungen vielleicht diese Gelder einfrieren und Evaluierungsmechanismen einrichten, die den Prinzipien von Good Governance, Transparenz und Sorgfaltspflicht entsprechen. Das wird den bereits angerichteten Schaden nicht reparieren, aber zumindest weiteren verhindern«, erklärte Steinberg.

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