Umwelt

Ein Meer aus Plastik

Klein und gefährlich: Mikroplastik-Kügelchen Foto: dpa

Der meiste Dreck ist für das bloße Auge unsichtbar. Was ihn nicht minder schädlich macht. Vor der israelischen Küste schwimmt ein riesengroßer Teppich aus Plastik-Mikropartikeln im Mittelmeer. Umweltorganisationen und Wissenschaftler haben sich zusammengetan, um dem massiven maritimen Müllaufkommen jetzt den Kampf anzusagen.

Asaf Ariel ist der wissenschaftliche Leiter von EcoOcean. Die NGO, die 2002 von der Familie Weil ins Leben gerufen wurde, hat sich auf die Fahnen geschrieben, die maritime und Küstenumwelt vor allem durch Forschung und Bildung zu schützen. Ariel weiß: »Es handelt sich in unserem Teil des Mittelmeers um eine der extremsten Meeresverschmutzungen in der ganzen Welt, die Konzentration dieser winzigen Plastikteilchen ist eine der höchsten überhaupt.« Die Umweltwissenschaftlerin Galia Pasternak fand in ihrer Dissertation an der Universität Haifa heraus, dass die Verschmutzung durch Plastik im Wasser hier zehnmal so hoch ist wie die durchschnittliche Belastung im westlichen Mittelmeer.

Israel liegt am Zipfel des östlichen Mittelmeeres, die Strömungen kommen von der nordafrikanischen Küste und fließen dann bis in den Atlantik, »und dabei führen sie jede Menge Müll mit«, so Ariel. Man dürfe jedoch nicht die Verantwortung abgeben. Denn bei der Küstenverschmutzung sehe man, dass mindestens 70 bis 80 Prozent hausgemacht seien. Also sind jene, die sich am meisten an Strand und Meer erfreuen, auch die, die den größten Schaden anrichten: die Badegäste. Berge von Müll lassen Strandgänger an der Küste Israels liegen – Essensreste, Zigarettenkippen, Verpackungen, alte Zeitungen, Plastikflaschen ... »Der Großteil davon wird ins Meer geschwemmt und gefährdet dort Wasserqualität und Meeresbewohner in riesigem Ausmaß«, erläutert Ariel.

Untersuchung Von Anfang 2013 bis August 2015 wurden zum ersten Mal die Auswirkungen von maritimem Müll und Mikroplastik an den israelischen Strandstreifen des Mittelmeers untersucht. Die Universität Haifa, die Küstenabteilung im Umweltministerium und EcoOcean kooperierten, um umfassendes Material zu Umfang, Art und Ursachen des Mülls zu sammeln und Strategien für den Schutz auszuarbeiten.

Die Ergebnisse zeigen, dass die Verschmutzung durch sichtbaren Müll an der Küste geringer ist als im globalen Vergleich. Pasternak fand in ihrer Arbeit beim Vergleich von 100 Metern Strandstreifen 0,11 Objekte pro Quadratmeter, während es weltweit durchschnittlich 0,8 bis zwei Objekte waren. Allerdings glaubt sie, dass es dabei weniger die Sauberkeit der Badegäste ist, die dazu führt, sondern der Aufwand, den die Stadtverwaltungen betreiben, um ihre offiziellen Strände zu pflegen. Außerdem gibt es immer mehr Ini­tiativen, um die inoffiziellen Abschnitte vom Abfall zu befreien. Bei 90 Prozent des Mülls an den Stränden handelt es sich um Plastik, schreibt Pasternak.

Lösungen Auch der Dreck auf dem Gewässerboden hält sich relativ in Grenzen und tritt vor allem in einigen Gegenden, jedoch nicht flächendeckend auf. Grund zum Aufatmen gab die Studie aber nicht. Im Gegenteil: Das Auftreten von schwimmenden Plastik-Mikropartikeln in den Küstengewässern ist »schockierend hoch«, so EcoOcean. Der Umfang erreicht hier ähnliche Verschmutzungsgrade wie der berüchtigte »Müllstreifen« im Nordpazifik, über den wiederholt weltweit in den Medien berichtet wurde. Außerdem würden diese Partikel hohe Konzentrationen organischer Verschmutzungen aufweisen, besonders an der nördlichen Küste des Landes, fanden die Forscher heraus.

Die Partikel stammen vor allem von Plastikmüll wie Tüten, Speiseverpackungen und Flaschen, die die Badegäste zurückgelassen haben. Sie gelangen zudem durch verschmutzte Flüsse und Abflüsse ins Meer. Besonders an den südlichen Stränden wird ein Teil des Mülls aus den Gewässern anderer Länder angeschwemmt.

»Obwohl diese Erkenntnisse besorgniserregend sind, dienen sie gleichzeitig als Basis für mögliche Lösungen. Denn die Verschmutzungen sind jetzt nach Typ, Menge, Aufkommen und Herkunft zu unterscheiden«, machte EcoOcean deutlich. Lösungen seien neue Gesetze, vor allem Aktionen zur Reduzierung von Einweg-Plastikverpackungen, ein besseres Recyclingsystem, Bildung sowie umfassende Strand- und Unterwassersäuberungen. Vor allem aber geht es um den Aufbau von nationalen und regionalen Programmen, die die maritime Verschmutzung überwachen müssten.

Tüten Doch es gibt auch gute Nachrichten in Sachen Umweltschutz: Durch das neue Gesetz gegen den übermäßigen Gebrauch von Plastiktüten, das am 1. Januar 2017 umgesetzt wurde, ist die Menge der Tüten im Wasser innerhalb eines Jahres um die Hälfte reduziert worden. Der Verbrauch der Beutel ging landesweit sogar um 80 Prozent zurück. »Ein riesiger Erfolg«, meint Umweltminister Zeev Elkin (Likud). Verglichen mit internationalen Standards könne Israel auf diese Errungenschaft sehr stolz sein, so der Minister. »Denn die Europäische Union etwa wollte eine Verringerung um 80 Prozent erreichen – aber erst innerhalb von fünf Jahren.« Zudem kommt das Geld aus den Plastikverkäufen (eine Tüte kostet im Supermarkt zehn Agorot, umgerechnet 2,3 Cent) über den Instandhaltungs- und Sauberkeitsfonds im Umweltministerium der Natur zugute.

Beeindruckende Zahlen, meint auch der wissenschaftliche Leiter von EcoOcean. »Die Bevölkerung braucht also nur einen minimalen Anreiz, und es funktioniert. Das ist gut zu wissen.« Allerdings müsse man in Sachen Plastiktüten die langfristigen Auswirkungen abwarten, um es abschließend beurteilen zu können. Ein Jahr sei eine zu kurze Zeitspanne für die Wissenschaft.

Abhilfe Allerdings ist auch Ariel überzeugt, dass nur Vermeiden Abhilfe schaffen könne. »Es geht um Verhaltensänderung. Die Menschen sollten lernen, auf Einmalplastik zu verzichten und ihren Lebensstil anpassen. Außerdem dürften sie einfach nichts mehr in die Natur werfen. Wer an den Strand geht, soll ihn genau so verlassen, wie er ihn vorgefunden hat – sauber. Das sollte das Motto für alle sein«, macht Ariel klar.

Zudem sollte Umweltverschmutzung härter bestraft werden, was derzeit überhaupt nicht der Fall sei. In Israel, meint er zusammenfassend, müsse noch viel geschehen. Denn die älteren Generationen seien nicht mit dem Bewusstsein des Umweltschutzes aufgewachsen. Erst bei den Schul- und Kindergartenkindern kann er ein Umdenken feststellen. »Es wird Generationen dauern, bis sich tatsächlich etwas ändert. Denn im Grunde genommen müssen wir den kompletten Zyklus der Konsumgemeinde von der Produktion bis zum Gebrauch von Plastik durchbrechen, um eine wahre Besserung zu sehen. Leider brauchen wir einen wirklich langen Atem, damit die Meere irgendwann aufatmen können.«

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