Personalie

Ein Mann von außen

Gal Hirsch in seiner Zeit als General kurz nach dem Libanonkrieg 2006 Foto: Flash 90

In Israel ist eine heftige Debatte um den zukünftigen Chef der Polizei entbrannt. Am Dienstag, den 25. August, hatte Gilad Erdan, Minister für öffentliche Sicherheit, Gal Hirsch für das Amt nominiert. »Ich freue mich sehr!«, schrieb Hirsch auf seiner Facebook-Seite. Da ahnte er wohl noch nicht, was für ein Sturm sich über ihm zusammenbrauen sollte.

Die Nominierung des 51-jährigen Hirsch ist gleich aus einer ganzen Reihe von Gründen umstritten. Er hat nie zuvor in der Polizei gedient, und seine Nominierung ließ die Karriereträume hochrangiger Polizeiführer platzen, die selbst gern den im Juni pensionierten früheren Polizeichef Yohanan Danino beerbt hätten. Der Chef der Tel Aviver Polizei, Bentzi Sau, kündigte aus Protest seinen Rücktritt an.

Minister Erdan erklärte nach der Verkündung der Personalie, ein Mann von außen sei nötig, um in der von zahlreichen Skandalen erschütterten Polizei Ordnung zu schaffen. Und Premierminister Benjamin Netanjahu gab ihm Rückendeckung, indem er Hirsch auf seiner Facebook-Seite lobte: »Gal Hirsch, verdient und geschätzt, hat eine Reihe von Führungspositionen in der IDF gehalten« sowie »großen Mut und Kreativität« im Kampf bewiesen.

Libanon Gerade Hirschs Armeekarriere ist es jedoch, die eine zweite Gruppe von Kritikern mobilisiert, insbesondere seine Rolle im zweiten Libanonkrieg 2006. Zu jener Zeit kommandierte er als Brigadegeneral die Galiläa-Division, die für Israels nördliche Grenze verantwortlich ist. Von Teilen der Öffentlichkeit wurde er für die Entführung zweier israelischer Soldaten verantwortlich gemacht, die den Krieg auslöste.

Während des Krieges erlitt Hirschs Division zudem mehrere tödliche Fehlschläge im Kampf gegen die Hisbollah. Nach dem Krieg setzte Israel eine Kommission ein, um die Fehler der Armee zu untersuchen. Diese kritisierte Hirsch scharf und empfahl, ihn nicht mehr zu befördern. Kurz darauf quittierte er seinen Dienst.

Eine zweite Kommission urteilte später, die Kritik an Hirsch sei unverhältnismäßig harsch gewesen. 2012 kehrte er zurück zur IDF, und Anfang August dieses Jahres hob Stabschef Gadi Eisenkot Hirschs Errungenschaften in einer Rede hervor.

Doch trotz dieser öffentlichen Rehabilitation machen ihn viele Israelis noch immer für den Tod von Soldaten verantwortlich – allen voran deren Angehörige. Mehrere Familien gefallener Soldaten stellten nach Hirschs Nominierung ein Protestzelt vor der Residenz des verantwortlichen Ministers Erdan auf und drohen, beim Obersten Gerichtshof Beschwerde einzulegen.

Anfang dieser Woche heizte eine Enthüllung die Debatte weiter an. Hirsch ist Direktor einer privaten Sicherheitsfirma namens Defensive Shields Holdings, die Beratung, Ausrüstung und Training anbietet. Wie erst jetzt bekannt wurde, prüft die Staatsanwaltschaft, ob die Firma in unrechtmäßige Geschäfte im Ausland verwickelt ist. Laut Berichten der Tageszeitung Haaretz hatte das FBI Israel schon im Jahr 2013 Informationen über die verdächtigen Geschäfte zukommen lassen, doch offenbar wurden keine Untersuchungen eingeleitet.

Infolge der Enthüllungen wurde nun die Amtszeit des kommissarisch eingesetzten Polizeichefs um 45 Tage verlängert, damit das Justizministerium mehr Zeit hat, Hirschs Nominierung zu prüfen. Selbst wenn die Prüfung positiv ausfällt, muss die Personalie noch vom Kabinett und dem zuständigen Komitee abgenickt werden.

Prüfung Die jüngsten Enthüllungen vertiefen die Zweifel, ob Israels nächster Polizeichef tatsächlich Gal Hirsch heißen wird. Möglich, dass der Umstrittene seinen Kritikern sogar zuvorkommt: Die Online-Zeitung Times of Israel zitierte ungenannte Vertraute Hirschs mit der Warnung, dieser sei nicht bereit, sich einem verlängerten Prüfungsprozess zu unterziehen.

Wie auch immer der Streit ausgehen wird, ein Verlierer steht schon fest: die israelische Polizei mit ihren 29.000 Mitarbeitern. Ihr öffentliches Ansehen ist miserabel. Nur 45 Prozent aller jüdischen und 57 Prozent aller arabischen Israelis haben Vertrauen in die Polizei, wie eine Umfrage des Israeli Democracy Institute ergab. Damit ist sie eine der am wenigsten geschätzten Institutionen überhaupt. Tiefer rangieren nur noch die Medien.

Dafür ist die Polizei selbst verantwortlich. In den vergangenen Jahren musste eine Reihe hochrangiger Polizeiführer wegen diverser Sex- und Korruptionsskandale zurücktreten. In diesem Sommer protestierten Tausende äthiopischstämmige Israelis gegen angebliche Polizeigewalt. Zuletzt geriet die Polizei unter Beschuss, nachdem der ultraorthodoxe Extremist Yishai Schlissel während der Jerusalemer Gay Pride Parade auf sechs Menschen einstach und die 16-jährige Shira Banki ermordete.

Schlissel hatte schon früher für eine ähnliche Attacke im Gefängnis gesessen. Dass er dennoch ungestört zur Parade gehen konnte, wurde der Polizei angelastet. Die Polizei bemüht sich, ihr Image aufzuhübschen, unterhält etwa eine eigene Facebook-Seite, auf der sie das Publikum täglich über erfolgreiche Einsätze informiert. Am Sonntag postete sie ein Foto zweier junger Polizistinnen und schrieb dazu: »Wir wünschen allen eine gute, ruhige Woche«. Zumindest ihrem designierten Chef wird die wohl kaum vergönnt sein.

Jerusalem

Bischof Azar bedauert Irritation durch »Völkermord«-Äußerung

Weil er in einem Gottesdienst in Jerusalem von »Völkermord« an den Palästinensern sprach, hat der palästinensische Bischof Azar für Empörung gesorgt. Nun bedauert er, dass seine Worte Irritation ausgelöst haben

von Christine Süß-Demuth  07.11.2025

Diplomatie

Kasachstan will sich den Abraham-Abkommen anschließen

US-Präsident Donald Trump kündigte den Schritt wenige Tage vor dem Besuch des saudischen Kronprinzen im Weißen Haus. Auch Saudi-Arabien solle seine Beziehungen zu Israel normalisieren, so die Hoffnung des US-Präsidenten

 07.11.2025

Israel

Spion auf vier Rädern

Israels Armee mustert ihre Dienstfahrzeuge »Made in China« aus. Der Grund: Sie könnten ein Risiko für die nationale Sicherheit sein

von Ralf Balke  07.11.2025

Ko Pha Ngan

Thailand: Israelisches Paar hat in der Öffentlichkeit Sex - und wird verhaftet

Die Hintergründe

von Sabine Brandes  06.11.2025

Kommentar

Wo Israel antritt, rollt der Ball ins moralische Abseits

Israelische Spieler und Fußballfans werden schon lange dafür diskriminiert, dass sie von anderen gehasst werden.

von Louis Lewitan  06.11.2025

Kommentar

Warum Zürichs Entscheid gegen die Aufnahme von Kindern aus Gaza richtig ist

Der Beschluss ist nicht Ausdruck mangelnder Menschlichkeit, sondern das Ergebnis einer wohl überlegten Abwägung zwischen Sicherheit, Wirksamkeit und Verantwortung

von Nicole Dreyfus  06.11.2025

Geiselhaft

»Sie benutzten mich wie einen Boxsack«

Die befreite Wissenschaftlerin Elisabeth Tsurkov berichtet über »systematische Folter und sexuelle Gewalt« durch die Entführer im Irak

von Sabine Brandes  06.11.2025

Gaza

Ex-Geisel Rom Braslavski: »Ich wurde sexuell missbraucht«

Es ist das erste Mal, dass ein aus der Gewalt der Terroristen freigekommener Mann über sexuelle Gewalt berichtet

von Sabine Brandes  06.11.2025

Ehrung

»Wir Nichtjuden sind in der Pflicht«

Am Mittwochabend wurde Karoline Preisler mit dem Paul-Spiegel-Preis des Zentralrats der Juden in Deutschland ausgezeichnet. Wir dokumentieren ihre Dankesrede

von Karoline Preisler  08.11.2025 Aktualisiert