Jom Haazmaut

Ein Land feiert sich

»Alles wird voller Energie, Optimismus und Freude sein«: Israels Kulturministerin Miri Regev Foto: Flash 90

Wer sagt, dass eine Party nur einen einzigen Abend lang dauern kann – oder für die Feierwütigsten vielleicht bis zum nächsten Morgen? In Israel geht man erst nach fast drei Tagen schlafen. Volle 70 Stunden lang wird beim runden Geburtstag die Nacht zum Tage gemacht. Am 70. Unabhängigkeitstag feiert das ganze Land von Nord nach Süd.

Die »70 Stunden israelische Feiern« finden am hebräischen Datum von Mittwochabend bis Samstagabend statt. Miri Regev, Ministerin für Kultur und Sport, hatte bei der Vorstellung der geplanten Party jede Menge Superlative parat. »Wir werden die meistdiskutierten und bewegendsten Events aller Zeiten veranstalten«, versprach sie. »Alles wird voller Energie, Optimismus und Freude sein. Aufregend, herausragend und ergreifend – genau so, wie das Land, das wir so lieben, es verdient.«

Die Feierlichkeiten sind mit einem speziell designten Logo ausgestattet. Das Ministerium erläutert: »Die Zahl 70 steht für das Alter unseres Staates, ein Davidstern für den historischen Fortbestand von König David bis zur modernen Unabhängigkeit, das Wort ›Israel‹ in der Schriftart einer Torarolle, um die Verbindung zwischen dem modernen Land 2018 und biblischen Zeiten, zwischen dem himmlischen und dem irdischen Jerusalem zu betonen.«

Innovationen Über allem steht das Motto »Vermächtnis der Innovation«, das Israels Vorbildrolle als Start-up-Nation in den Vordergrund rücken soll. Ein besonderer Fokus liegt auf den Tausenden von Innovationen, die in den vergangenen Jahrzehnten im jüdischen Staat entwickelt wurden. Regev betonte: »Die israelische Gesellschaft ist kreativ, schaut in die Zukunft, denkt unkonventionell, ist Vorreiter in der Forschung, in der Medizin und Landwirtschaft und liefert damit einen wesentlichen Beitrag für die gesamte Menschheit.«

Israels Jom Haazmaut wird am Abend des 18. April mit dem Entzünden der zwölf Fackeln auf dem Herzlberg in Jerusalem beginnen, wie es seit Jahren Tradition am Unabhängigkeitstag ist. Am Tag darauf wird das internationale Bibel-Quiz veranstaltet und der prestigeträchtige Is­rael-Preis verliehen.

Am Freitag finden im ganzen Land Straßenfeste statt. Beim 70-Kilometer-Rave von Tiberias bis nach Eilat zeigen die Israelis der Welt mit Dutzenden von DJs und Bühnen an den verschiedenen Stränden, wie man richtig Party macht. Wer es etwas beschaulicher mag, kann sich den 70. Hora-Tänzen anschließen. Die werden von Nord nach Süd in Erinnerung daran veranstaltet, dass Tausende von Israelis nach der Verkündigung der Unabhängigkeit im Jahr 1948 spontan an vielen Orten des Landes die Hora tanzten. Die Feiern dauern bis zum Beginn des Schabbats am Freitag und werden nach dem Ende des Ruhetags am Samstagabend weitergehen.

Feuerwerk Beim Weltsingen sollen Israelis und Juden in der Diaspora gemeinsam und aus vollem Hals ein Lied schmettern. Im Anschluss daran wird es ein Feuerwerk geben, »das größte aller Zeiten in unserem Staat«, kündigte Regev an. Donnerstagabend findet der »Marsch des Lichts« statt, bei dem Israels Erfolge und Innovationen hervorgehoben werden. Der »Soundtrack für Israel« wird die Feiern mit den bekanntesten Musikgrößen des Landes beenden. »Alle Bürger Israels werden teilnehmen«, versprach die Ministerin, »religiöse und säkulare, Juden und Araber, östlich und westlich, aus dem Zentrum des Landes und der Peripherie. Hierbei sind wir alle vereint.«

Israel@70 ist ein Musikprojekt, das speziell für den Geburtstag entwickelt wurde. Ein Chor mit Sängern aus der ganzen Welt singt zu Klängen eines israelischen Orchesters in der Hebräischen Universität das Oratorium Hear O Israel mit dem Blick auf die Judäische Wüste. Es wird am internationalen Tag der Unabhängigkeit, dem 14. Mai, in einer Galavorführung präsentiert. Anschließend wird eine Gedenktafel enthüllt, die an die gewachsenen Beziehungen zwischen Christen und Juden in den vergangenen sieben Jahrzehnten erinnert. Darauf geschrieben sind die Worte von Papst Johannes XXIII., die er 1962 an eine Gruppe amerikanischer Rabbiner richtete: »Ich bin Joseph, euer Bruder.«

Tel Aviv hat sich etwas Besonderes einfallen lassen und ließ extra zum Geburtstag einen nagelneuen Unabhängigkeitspfad anlegen, der zu zehn Stätten führt, die mit der Staatsgründung und den Anfängen der Stadt verbunden sind. Der goldene Pfad, der im Dunkeln beleuchtet ist, führt auf einem Kilometer rund um den Rothschild-Boulevard zum ersten Kiosk der Stadt, dem Akiva-Aryeh-Haus, dem Schalom-Meir-Turm, der großen Synagoge, dem Nachum-Gutman-Brunnen, dem Hagana-Museum, der Unabhängigkeitshalle, dem Monument des ersten Bürgermeisters Meir Dizengoff und dem Besucherzentrum der Bank of Israel.

Spaziergang »Touristen und Besucher aus dem Inland kommen meist nach Tel Aviv wegen des guten Wetters, des Strandes, der Küche und des Nachtlebens – doch wir wollten etwas Besonderes hinzufügen«, so Isaac Mizrachi, Leiter des Tourismusbüros in der Stadtverwaltung. »Der Pfad erzählt eine informative Geschichte zu den Sehenswürdigkeiten und verbindet die Geburt der Stadt mit der des Staates.«

Die Infos können rund um die Uhr per App fürs Mobiltelefon abgerufen werden. Man kann zwischen drei verschiedenen Tourarten wählen: selbstgeführt per App, mit einem offiziellen Stadt-Reiseleiter oder eine unterhaltende Tour mit einem Reiseführer im Kostüm. Während des Spaziergangs kann man Selfies machen, sie per App verschicken und am Ende der Tour auf ein T-Shirt gedruckt mit nach Hause nehmen.
Die Stadt Tel Aviv legte extra zum Geburtstag einen Unabhängigkeitspfad an.

In den ersten zwei Jahrzehnten nach der Staatsgründung wurden zum Unabhängigkeitstag auch Militärparaden zelebriert, später jedoch aus Kosten- und Zeitgründen ausgesetzt. Auch ohne die Teilnahme des Militärs kostet die Mega-Party genug: rund 25 Millionen Euro. Das sei es wert, meint die Kulturministerin. Denn die Feiern seien für alle da: Alt und Jung, israelische Familien und Juden in der ganzen Welt. »Dies werden 70 Stunden sein, die uns alle verbinden.«

Debatte

Netanjahu: Video-Leak verursachte schlimmsten Image-Schaden

Die Affäre um ein geleaktes Video aus dem Gefängnis Sde Teiman in Israel zieht weiter Kreise. Der Regierungschef kündigte eine unabhängige Untersuchung an

 02.11.2025

Terror

Hamas übergibt erneut Leichen an Rotes Kreuz

Die Hamas hat dem Roten Kreuz erneut Leichen übergeben. Ob es sich bei den sterblichen Überresten in drei Särgen wirklich um Geiseln handelt, soll nun ein forensisches Institut klären

 02.11.2025

Umfrage

Mehrheit der Palästinenser findet Angriff vom 7. Oktober richtig

Die People’s Company for Policy and Survey Research hat die Einstellungen von Palästinensern in Gaza und dem Westjordanland abgefragt

von Imanuel Marcus  02.11.2025

Berichte

Wunden und Narben

Nach der Freilassung von Bar Kupershtein und anderer ehemaliger Geiseln wird immer mehr über ihr grausames Schicksal in Gefangenschaft der Hamas bekannt

von Sabine Brandes  02.11.2025

Yitzhak Rabin

Der Falke, der zur Taube wurde

Vor 30 Jahren wurde der Ministerpräsident von einem extremistischen Juden erschossen. Im Rabin Center in Tel Aviv kann man dem Lebenswerk des Staatsmannes nachspüren

von Sabine Brandes  02.11.2025

Tel Aviv

Israels Militäranwältin tritt wegen Video-Leaks zurück

An der Spitze der Militärjustiz war Tomer-Jeruschalmi nicht immer bequem. Jetzt ermittelt die Polizei wegen eines brisanten Videos aus dem Vorjahr. Für die Militärjuristin wurde die Lage unhaltbar

 02.11.2025

Interview

»Wir hatten keine Verwandten«

Erst seit einigen Jahren spricht sie über ihre jüdischen Wurzeln: Bildungsministerin Karin Prien erzählt, warum ihre Mutter davon abriet und wann sie ihre eigene Familiengeschichte erst begriff

von Julia Kilian  02.11.2025 Aktualisiert

Nahost

Leichname von Amiram Cooper und Sahar Baruch in Israel

Mit viel Verspätung kommen die sterblichen Überreste zweier Verschleppter nach Hause. Elf Geiseln fehlen noch

 02.11.2025 Aktualisiert

Meinung

Ich kann euch nicht hören

Während im Sudan die schwerste humanitäre Krise der Welt tobt, schweigen die selbst ernannten Menschenrechts-Demonstranten in Europa und auf der Welt

von Sophie Albers Ben Chamo  02.11.2025