Geisel-Deal

Doron, Emily und Romi sind zu Hause

471 Tage hat ganz Israel auf den Moment gewartet, an dem die ersten Geiseln in diesem zweiten Deal in die schützenden Arme ihrer Liebsten geschlossen werden. Am frühen Sonntagabend war es dann so weit: Doron Steinbrecher, Emily Damari und Romi Gonen sind in Israel angekommen. Die Terrororganisation Hamas hatte sie zuvor ans Rote Kreuz übergeben.

In Phase eins des dreiteiligen Abkommens für einen Waffenstillstand und die Freilassung der Geiseln sollen es insgesamt 33 Menschen sein, die zurückkehren.

Die auf der Liste stehenden Personen, die innerhalb von 42 Tagen zurückgeführt werden sollen, sind sogenannte »humanitäre« Fälle: Frauen, Kinder, ältere Menschen und Kranke. Israel sei mitgeteilt worden, wie viele der 33 noch am Leben sind. Sieben Tage nach Beginn des Waffenstillstands soll Israel von der Hamas einen vollständigen Statusbericht über alle Personen auf der Liste erhalten.

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Wenn sie aus dem Gazastreifen über Ägypten herausgeholt und in Israel angekommen sind, werden sie in ein Krankenhaus gebracht, wo sie mindestens vier Tage zur Behandlung und Beobachtung verbringen werden. Anschließend kann jede ehemalige Geisel entscheiden, wohin sie gehen möchte, entweder in ein Hotel oder in das Haus ihrer Familie.

Angehörige haben zusammen mit israelischen Behörden Rucksäcke mit ihren Lieblingsgegenständen vorbereitet, die die Geiseln unmittelbar nach ihrer Freilassung erhalten.

Doron Steinbrecher ist eine passionierte Tierarzthelferin

Die 31-jährige Doron Steinbrecher stammt aus dem Kibbutz Kfar Aza im Süden Israels. Sie wurde von Terroristen aus ihrem Haus im sogenannten »Viertel der jungen Generation des Kibbutzes« gekidnappt. Sie ist eine passionierte Tierarzthelferin, die Vierbeiner über alles liebt.

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»Den ganzen Morgen des verfluchten Schabbats über hatten wir Kontakt«, erinnert sich ihre Schwester Amit Ashkenazi. »Doron hatte große Angst.« Schließlich schickte sie noch eine Sprachnachricht: »Sie sind da, sie haben mich.« Eine Woche später erhielt die Familie die Nachricht, dass Doron Geisel sei.

Nach 111 Tagen veröffentlichte die Hamas ein Propagandavideo. Es war das erste Lebenszeichen der jungen Frau. Die Aufnahme sorgte bei der Familie für zwiespältige Gefühle. Ihre Mutter Simona Steinbrecher sagte, es sei »ermutigend, dass wir sie endlich gesehen haben«, doch gleichzeitig ist sie außer sich vor Angst. »Schauen Sie sich ihr Gesicht an, ihre eingefallenen Augen, sie sieht blass aus.« Zum Teil liege es daran, dass sie Medikamente nehmen müsste, die sie nicht bekommt, zusätzlich zu den harten Bedingungen, unter denen sie leide. »Hunger und Durst – und alles, was die Geiseln dort erleben müssen.«

»Doron ist nicht ›nur‹ Geisel. Sie ist eine Tochter, Schwester und ›Dodo‹ für ihre fünf Neffen und Freunde.«

Simona Steinbrecher hatte noch eine andere Sorge während der ganzen Zeit, die so schrecklich ist, dass sie sie kaum auszusprechen wagte: »Unsere Familienangehörigen in Gaza befinden sich in einer schrecklichen Situation, sie leben in einem Albtraum, werden misshandelt, sowohl Männer als auch Frauen. Frauen, die schwanger werden können...« Doch ihre Angehörigen weigern sich, dass Doron »nur als Geisel« gesehen werde. »Doron ist eine Tochter, Schwester und ›Dodo‹ für ihre fünf Neffen und Freunde.«

Der Kibbuz Kfar Aza hat zwei neue mobile Häuser aufgebaut, die für Doron Steinbrecher und Emily Damari, beide aus dem jungen Viertel der Kooperative, nach ihrer Rückkehr bereitstehen.

Emily Damari ist britische und israelische Staatsangehörige

Die letzte Nachricht von Emily Damari kam am 7. Oktober um 10 Uhr morgens. Sie schrieb an Familienangehörige, dass Terroristen in ihrem Viertel des Kibbuz Kfar Aza seien und in der Nähe ihrer Wohnung um sich schießen würden. Die 28-Jährige ist britische und israelische Staatsangehörige.

Damari wuchs im Südosten Londons auf und machte Aliya, als sie sich verliebt hatte und eine Familie gründen wollte. Sie ist leidenschaftlicher Fan des Fußballteams Tottenham Hotspur.

Bar Kislev, Überlebender des Massakers und ein guter Freund von Damari, berichtete, dass er gegen elf Uhr gesehen habe, wie Damaris Auto, das offenbar von einem Terroristen gelenkt wurde, in Richtung Gaza raste. Er gehe davon aus, dass dies der Moment war, als Damari und die Berman-Zwillinge Gali und Ziv verschleppt wurden, sagte Kislev.

Die Terroristen hätten ihr in die Hand geschossen, zudem wurde sie durch Granatsplitter im Bein verletzt, »und dann mit verbundenen Augen auf den Rücksitz ihres eigenen Autos gedrängt und nach Gaza gefahren«, so ihre Mutter Mandy Damari. Die Mörder hätten auch ihren Hund Choocha erschossen.

Von den 37 Bewohnern des Viertels der »jungen Kibbuz-Generation« in Kfar Aza wurden zwölf von Terroristen getötet und sieben entführt. Mandy Damari sagte bei einem Besuch im Kibbuz: »Emily befindet sich in einem Tunnel im Gazastreifen, 40 Meter unter der Erdoberfläche. Stellen Sie sich vor, Ihre Tochter wäre verletzt, vielleicht geschlagen, psychisch und sexuell misshandelt, vielleicht sogar vergewaltigt worden. Sie ist definitiv am Verhungern und hat sehr wenig Wasser oder Luft. Die freigelassenen Geiseln sind Zeugen all dieser Missbräuche.« Doch sie wolle kein Mitleid, weder für ihre Tochter noch für sich selbst. »Wir sind beide Kämpferinnen, und wir kämpfen zusammen um ihr Leben.«

Romi Gonen wollte auf dem Novafestival nur tanzen

Romi Gonen hatte das Nova-Musikfestival besucht, um mit Freunden zu tanzen. Eigentlich ist sie ein fröhlicher Mensch. Auf dem Foto von ihrem 23. Geburtstag strahlt sie vor einem selbst gebackenen Kuchen. Sie lache immerzu, sagt Yarden Gonen über ihre jüngere Schwester. Bis zu dem Schwarzen Schabbat. Zwei ihrer besten Freunde wurden im Auto neben ihr erschossen, als sie versuchten, vor den mordenden und vergewaltigenden Horden der Hamas zu fliehen. Romi überlebte das Massaker. Im August wurde sie in Gaza 24 Jahre alt.

Romi ist das Sandwichkind von fünf Geschwistern. Sie wuchs im Norden Israels auf, inmitten von arabischen Ortschaften, und nimmt die Koexistenz in Israel sehr wichtig. Sie liebt es zu reisen, andere Kulturen kennenzulernen und zu tanzen. Jeden Sonntag wird für sie auf dem Platz der Geiseln eine Tanzstunde veranstaltet.

»Wo auch immer Romi war, lernte sie neue Leute kennen, denn sie hat dieses ansteckende Lachen, ist witzig, und man mag sie einfach«, erzählt ihre ältere Schwester über sie. »Aber sie hat auch ein kämpferisches Naturell und tut alles, um Gerechtigkeit für sich selbst und andere zu erreichen. Romi ist nicht nur ein Gesicht auf einem Vermissten-Poster, sie ist meine geliebte kleine Schwester.«

»Romi ist nicht nur ein Gesicht auf einem Vermissten-Poster, sie ist meine geliebte kleine Schwester.«

Ehemalige Geiseln, die mit Romi zusammen waren, sagten, dass ihr Arm nicht in Ordnung sei und sie eine Infektion habe. Die Terroristen hatten die junge Frau in den Arm geschossen. »Seitdem haben wir nichts mehr gehört. Neben ihrer Verletzung hat sie einige chronische Erkrankungen, für die sie Medikamente braucht. Ich glaube nicht, dass sie jemals Medizin erhalten hat.«

Für Yarden Gonen war von Anfang an klar: »Wenn jemand einen Waffenstillstand in Gaza will, muss er auch die Freilassung aller Geiseln wollen. Denn so sehr die palästinensischen Zivilisten unschuldig sind, so sehr sind es die Geiseln. Alles andere ist scheinheilig!« Es ginge nicht um Kriegsgefangene, »meine Schwester ist eine junge Frau, die zu einem Festival ging, um zu tanzen«.

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