Nationalstaatsgesetz

Bürger zweiter Klasse?

Drusen demonstrieren mit drusischen und israelischen Flaggen auf dem Rabin-Platz. Foto: Flash 90

Israels drusische Bevölkerung ist nicht gerade dafür bekannt, sich besonders schnell zu beschweren, auf die Straße zu gehen, gegen den Staat aufzubegehren. Im Gegenteil: Keine andere Minderheit in Israel ist so gut integriert, singt die Nationalhymne mit, fühlt sich als Teil des Landes. Bislang. Doch seit der Verabschiedung des Nationalstaatsgesetzes sind die Drusen mehr als verärgert.

Am Samstag demonstrierten Zehntausende von ihnen gemeinsam mit anderen Kritikern vor dem Tel Aviver Rathaus gegen das Gesetz. »Trotz unserer grenzenlosen Loyalität zum Staat sieht uns der Staat nicht als Gleichberechtigte«, sagte der geistliche Drusenführer Scheich Muafak Tarif in seiner Rede.

Der Demonstration schlossen sich hochrangige Vertreter des Sicherheitssektors an, darunter der frühere Armeechef Gabi Ashkenazi, Tamir Pardo, einst Mossad-Direktor, und der frühere Inlandsgeheimdienstchef Yuval Diskin. Sie alle sind gegen jenes umstrittene Gesetz, das Israel als Nationalstaat für das jüdische Volk definiert.

Petition
Bereits vor einigen Tagen forderten auch Hunderte Schriftsteller, Intellektuelle und Künstler Premier Netanjahu in einer Petition auf, das Nationalstaatsgesetz zurückzunehmen. David Grossman, Amos Oz und Etgar Keret zählen zu den Unterzeichnern. Außerdem hat ein arabischer Knesset-Abgeordneter der Zionistischen Union sein Mandat niedergelegt, und auch einige Beduinen haben sich den Protestaktionen angeschlossen.

»Das ist das schlimmste Gesetz, das jemals in der 70-jährigen Geschichte Israels verabschiedet wurde«, schimpft auch Saleh Saad. Der drusische Politiker, der für die Zionistische Union in der Knesset sitzt, ist aufgebracht, fühlt sich nicht mehr dazugehörig: »Zwölf Jahre habe ich in der Armee gedient, und jetzt, nach Verabschiedung dieses Gesetzes, wurde ich zu einem unbekannten Bürger dieses Staates, ohne Status.« Saleh Saad und andere drusische Abgeordnete haben ihrem Unmut bereits Taten folgen lassen und eine Petition beim Obersten Gericht eingereicht – wie auch die kleine Linkspartei Meretz.

»Wir sind nicht gegen Israel als jüdischen Staat«, erklärt Saad. »Aber in der Unabhängigkeitserklärung ist von einem jüdisch-demokratischen Staat die Rede, mit Gleichheit aller Bürger, egal ob jüdisch oder arabisch. Und diese Erklärung sollte als Plattform dienen«, so Saad.

Gleichheit Sie fordern nun vom Obersten Gericht, das Gesetz zu verändern oder es gleich ganz zu streichen. Dabei geht es vor allem um drei Punkte: zum einen um die Herabstufung des Arabischen von einer Amtssprache zu einer Sprache mit besonderem Status. »Wir wollen Hebräisch als erste Amtssprache nicht ersetzen. Aber auch Arabisch soll Amtssprache sein«, erklärt Saad. Für Drusen ist es die Muttersprache.

Außerdem stören sich die Drusen an jenem Paragrafen, in dem es heißt, der Staat sehe in der Entwicklung jüdischer Gemeinden einen nationalen Wert, wird diese also bauen und fördern. »Wir wollen, dass auch die arabische Bevölkerung die Möglichkeit hat, ihre Dörfer und Städte zu erweitern«, erklärt Saad. Das sei in den vergangenen 70 Jahren nicht ausreichend geschehen. »Die Planung muss besser werden.« Ferner soll in dem neuen Gesetz das Prinzip der Gleichheit festgeschrieben werden, für alle Bürger, gleich welcher Ethnie oder religiösen Zugehörigkeit – bisher wird das in dem Text nicht erwähnt.

Die Drusen, die weniger als zwei Prozent der Bevölkerung Israels ausmachen, sind eine Volksgruppe und eine Religionsgemeinschaft, die sich im 11. Jahrhundert vom Islam abgespalten hat und die Grundlagen ihres Glaubens geheim hält.

Während die Drusen in den Golanhöhen sich Syrien zugehörig fühlen und größtenteils die israelische Staatsbürgerschaft nicht angenommen haben, sind die Drusen in und aus Galiläa höchst loyal: Sie vertreten jüdisch geprägte Parteien in der Knesset, wie den Likud, das Zionistische Lager oder Kulanu. Mehr als 80 Prozent aller drusischen Männer dienen in der Armee. Doch gerade weil sie sich bislang so für Israel eingesetzt haben, fühlen sie sich nun nicht mehr wertgeschätzt.

Reservisten Ihr Protest hat auch die Armee erreicht. Drei drusische Soldaten haben bereits ihren Dienst in der Armee quittiert. Rund 100 drusische IDF-Reservisten unterstützen die Petition am Obersten Gericht. Sogar der sonst sehr zurückhaltende Armeechef Gadi Eizenkot meldete sich zu Wort und bat darum, die Politik aus der Armee herauszuhalten.

Israels Regierung scheint zu spüren, dass die bislang guten Beziehungen mit den Drusen auf dem Spiel stehen. So beschwichtigte Naftali Bennett, Bildungsminister und Vorsitzender der nationalreligiösen Partei Jüdisches Haus, das Gesetz verletze keine Individualrechte, sicherlich nicht die der »wunderbaren drusischen Bevölkerung«, die er als »Brüder« bezeichnet.

Premier Benjamin Netanjahu traf sich Anfang vergangener Woche mit drusischen Gemeinderatsvorsitzenden und rief eine Art Taskforce zusammen, bestehend aus Mitarbeitern seines Büros, die an einer Lösung arbeiten sollen. Am Mittwoch dann sah es zunächst so aus, als könnte man sich einigen: Netanjahus Team legte einen Entwurf vor, wonach unter anderem der Status der Drusen gesetzlich verankert und deren Beitrag für Israel wertgeschätzt werden soll; religiöse, kulturelle und Bildungseinrichtungen sollen gefördert, drusische Ortschaften gestärkt werden, Minderheiten jeglicher Glaubensrichtung sollen, sofern sie in der Armee dienen, Vorteile erhalten, um soziale Gleichheit zu erreichen.

Status Die drusischen Vertreter zeigten sich zunächst zufrieden. In einer in den Medien zitierten Mitteilung war von einem »Gelegenheitsfenster für einen beispiellosen historischen Fortschritt der Drusen-Gemeinschaft und ihren Status im Staat Israel« die Rede. Am Ende reichte ihnen der Vorschlag aber doch nicht – sie beschlossen, weiter zu verhandeln.

Am Donnerstag vergangener Woche dann verließ Premier Netanjahu abrupt ein Treffen mit den Drusen-Vertretern, nachdem Amal Asad, Brigadegeneral der Reserve, von Israel als »Apartheidstaat« gesprochen haben soll. Unklar ist, wie die Verhandlungen weitergehen.

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