Israel-Diaspora-Beziehungen

»Bitte, Herr Lauder, ...«

Ronald S. Lauder, Präsident des Jüdischen Weltkongresses (WJC) Foto: picture alliance/dpa

Es war ein dramatischer Appell, den Ronald S. Lauder, Präsident des Jüdischen Weltkongresses (WJC), Ende Juli per ganzseitiger Annonce in der »New York Times« und anderen Zeitungen an die Welt aussandte: »Wir, die Juden in der Diaspora, mischen uns normalerweise nicht in die israelische Politik ein. Wir lieben Israel und sind Israel verpflichtet. Aber wir sind immer darauf bedacht, die Souveränität zu respektieren. Aber heute steht die Zukunft Israels auf dem Spiel. Der einzige Staat des jüdischen Volkes ist in unmittelbarer existenzieller Gefahr. Eine Kombination noch nie dagewesener äußerer und innerer Bedrohungen hat Israel an den Rand des Abgrunds gebracht.«

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Der 79-jährige Lauder, der in den 80er Jahren für das Pentagon und das State Department gearbeitet hatte und seit 2007 an der Spitze des internationalen jüdischen Dachverbands steht, nannte in seinem Text zwei zentrale Gefahren, mit denen Israel zeitgleich fertigwerden müsse: die äußere Bedrohung durch den Iran und seine Verbündeten Hisbollah und Hamas und die innere Bedrohung durch die Justizreform der Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu.

Das vor Kurzem von der Knesset in Teilen beschlossene Vorhaben werde, so Lauder, »von der Rechten als unverzichtbar und von der Linken als Angriff auf Israel empfunden.«

Israel sei zwar eine »außergewöhnliche, große Nation«, ein »spektakulärer Erfolg« und sogar ein »wahres Wunder der Menschheit«. Doch jetzt sei der jüdische Staat in Gefahr, schrieb Lauder. »Die beispiellosen Ereignisse des Jahres 2023 untergraben den sozialen Zusammenhalt und gefährden die nationale Sicherheit. Während Extremisten darauf bestehen, antiliberale Gesetze voranzutreiben, haben Hunderte von Reservepiloten und Tausende von Reservesoldaten angekündigt, dass sie sich nicht zum Dienst melden. Diese schwerwiegenden Entwicklungen veranlassten den ehemaligen Generalstabschef der IDF, Gadi Eizenkot, zu der Warnung, dass die Kombination der internen und externen Bedrohungen Israel so verwundbar macht wie seit 1973 nicht mehr.«

Dies sei der Grund, warum er als einer der »jüdischen Anführer« nicht länger schweigen könne. Ein Israel, das mit sich selbst uneins sei, könne auf Dauer nicht bestehen. »Als Juden müssen wir aus unserer tragischen Geschichte lernen. Wir sind verpflichtet, die Fehler nicht zu wiederholen, die wir gemacht haben, als wir zuließen, dass interne Spaltungen den Ersten und Zweiten Tempel zum Einsturz brachten«, betonte er.

EINHEITSREGIERUNG Lauder rief sodann Netanjahu und die Oppositionsführer, den ehemaligen Ministerpräsidenten Yair Lapid und den früheren Verteidigungsminister und Generalstabschef Benny Gantz, dazu auf, gemeinsam eine Regierung der nationalen Einheit zu bilden. »Auf den Schultern dieser drei Anführer lastet eine historische Verantwortung. Deshalb müssen sie sich trotz dieser Abstimmung sofort wieder zusammensetzen, um offen über die alarmierende Lage der Nation zu diskutieren. Und sie müssen persönliche Interessen und politische Differenzen überwinden, damit sie eine starke und stabile Notstandsregierung bilden können, so der WJC-Präsident.

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Er fügte hinzu: »Wir sollten nicht warten, bis die Gewalt ausbricht. Wir sollten uns nicht erst vereinigen, wenn wir angegriffen werden. Wir müssen jetzt erkennen, dass nur eine Koalition der Gemäßigten Israel aus dem Würgegriff der einheimischen Eiferer und Fanatiker befreien kann. Nur eine nationale Einheit kann die Nation auf die höchste nationale Prüfung vorbereiten, die ihr bald bevorsteht.« Lauders fast flehentlicher Appell: »Das Weltjudentum richtet in dieser kritischen Phase seine Augen auf den jüdischen Staat, betet für sein Überleben und fleht ihn an, den Riss zu heilen, der ihn von innen heraus zerreißt.«

VORAUSSETZUNGEN Die Antwort bekam der Amerikaner an diesem Montag nun sozusagen auf den Frühstückstisch. Allerdings kam sie nicht von Netanjahu, Gantz oder Lapid, sondern ebenfalls in der »New York Times« in Form eines offenen Briefes. Geschrieben hatten Unterstützer der regierungskritischen Proteste in Israel, darunter auch ein ehemaliger Mossad-Chef sowie zwei Ex-Stabschefs der israelischen Streitkräfte.

Der Tenor des ebenfalls als ganzseitige Anzeige in der »New York Times« veröffentlichten Briefes an Lauder: Man sei ihm zwar dankbar für seine Sorge um das Land. Eine Einheitsregierung sei aber keine so gute Idee. Wörtlich schreiben die Unterzeichner: »Es kann keine Einigkeit mit denen geben, die der israelischen Demokratie den Krieg erklärt haben.« Erst müsse die Justizreform in Gänze vom Tisch.

»Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, können wir reden. Dann können wir in gutem Glauben daran arbeiten, den breiten Konsens zu schmieden, der für unsere gemeinsame Zukunft entscheidend ist. Bis dahin sind wir der Meinung, dass wir von einer Regierung in Geiselhaft genommen werden, die sich tagtäglich ihrer höchsten Pflicht entzieht - der Öffentlichkeit zu dienen, für unsere Sicherheit zu sorgen, uns ein gedeihliches Leben zu ermöglichen und unsere innere Solidarität zu bewahren.«

VORBILDER Man dürfe nicht vergessen, dass Netanjahu wegen Bestechung, Betrug und Untreue vor Gericht stehe, Israel in eine Autokratie verwandeln wolle und einer Regierung von »verurteilten Terroristen und Kriminellen« vorstehe. »Er konzentriert die Macht, damit er selbst unbeschadet aus seinem Strafverfahren hervorgeht und seine extremistische Koalition ihre maximalistischen Pläne verwirklichen kann, indem sie Israels Regime einseitig nach ihren intoleranten, spalterischen Vorstellungen verändert, die in Hunderten von Gesetzesvorlagen, die dem Parlament vorgelegt wurden, sowie in ausdrücklichen Koalitionsvereinbarungen und öffentlichen Erklärungen niedergelegt sind.«

Vorbilder hierfür seien Länder wie Polen, Ungarn und die Türkei. »Bitte, Herr Lauder, lassen Sie es nicht zu, dass diese Hand Israel zerschmettert. Schenken Sie seinen Argumenten keinen Glauben – er und seine Verbündeten versuchen, Sie in die Irre zu führen. Stellen Sie sich an unsere Seite. Helfen Sie uns dabei, Israel zu retten.«

Unterzeichnet wurde der offene Brief unter anderem von den ehemaligen IDF-Stabschefs Moshe Yaalon und Dany Haloutz, dem ehemaligen Geheimdienstdirektor Tamir Pardo, dem ehemaligen Bildungsminister Yuli Tamir sowie von Geschäftsleuten, ehemaligen Militärs und früheren israelischen Spitzenbeamten.

Der Republikaner Ronald S. Lauder galt einst ein Unterstützer und politischer Förderer von Premier Benjamin Netanjahu. Vor gut zehn Jahren kam es dann aber zu einem Zerwürfnis, und das Verhältnis der beiden gilt seitdem als stark abgekühlt.

Lauder hat Israel seit mehreren Jahren keinen Besuch mehr abgestattet – offenbar auch deswegen, weil er befürchtet, im Prozess gegen Netanjahu aussagen zu müssen.

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