Berichterstattung

Berichterstattung über Israel: »Verzerrt« und »ideologisch geprägt«

Israel wird von Medienkonsumenten in Europa und Nordamerika oft negativ wahrgenommen. Woran liegt das? Foto: picture alliance / Bildagentur-online/Schöning

In einem Interview mit dem Podcast »People of the Pod« des American Jewish Committee (AJC) kritisiert der kanadisch-israelische Journalist und frühere AP-Reporter Matti Friedman die internationale Berichterstattung über Israel als »verzerrt« und »ideologisch geprägt«.

Friedman, der zwischen 2006 und 2011 für die Nachrichtenagentur Associated Press (AP) in Jerusalem tätig war, schildert außerdem eine auffällige Diskrepanz in der Ressourcenzuteilung internationaler Medien. »Israel macht nur 0,2 Prozent der Fläche innerhalb der arabischen Welt aus, und dennoch hatte die AP dort mehr Reporter als in China, Indien oder ganz Subsahara-Afrika«, so Friedman.

Diese mediale Überpräsenz führe zu einer überhöhten Wahrnehmung Israels als globales Brennpunktland – eine Verzerrung, die mit rationaler Nachrichtenbewertung wenig zu tun habe.

Mythos vom »israelisch-palästinensischen Konflikt«

Ein zentrales Problem sieht Friedman in der journalistischen Rahmung des Konflikts als rein israelisch-palästinensisch. Diese Perspektive blende die regionalen Dimensionen aus – etwa die Rolle Irans, der Hisbollah oder der Huthi-Milizen. »Wenn man die Flugbahnen der Raketen auf Israel aus dem Weltraum verfolgen könnte, würde man erkennen, dass es sich um einen regionalen Konflikt handelt«, sagte Friedman.

Die Reduktion auf eine lokale Auseinandersetzung führe zu einem emotional aufgeladenen Narrativ, in dem Israel als übermächtiger Aggressor erscheine.

Besonders kritisch sieht Friedman die zunehmende ideologische Ausrichtung westlicher Redaktionen. Die Frage »Was passiert?« sei vielerorts ersetzt worden durch »Wem nützt das?« – eine aktivistische Haltung, die journalistische Objektivität untergrabe. »Wenn Israel im Narrativ der Bösewicht ist, wird jede Information, die Israel als rational oder sympathisch erscheinen lässt, unterdrückt oder gestrichen«, so Friedman.

Nachrichtenagentur unterschlägt Friedensangebot

Ein konkretes Beispiel nennt er aus dem Jahr 2008: Damals habe Premierminister Ehud Olmert den Palästinensern ein weitreichendes Friedensangebot unterbreitet, das von der AP nicht veröffentlicht worden sei – obwohl Reporter der Agentur frühzeitig davon erfahren hätten. »Die Geschichte hätte Israel als vernünftigen Akteur erscheinen lassen – das passte nicht ins gewünschte Narrativ«, betonte Friedman in dem im Juli geführten Podcast-Interview.

Lesen Sie auch

Besonders alarmierend ist Friedmans Schilderung der Pressearbeit in Gaza. Bereits 2008 sei er gezwungen worden, auf Druck der Hamas Informationen aus einem Bericht zu entfernen. Seitdem würden westliche Medien faktisch unter Hamas-Zensur berichten. Todeszahlen stammten regelmäßig von der Gesundheitsbehörde in Gaza, die von der Hamas kontrolliert werde, so Friedman. »Die Presse ist nicht Beobachter, sondern Verstärker einer der gefährlichsten Ideologien der Welt.«

Die Berichterstattung nach dem Hamas-Massaker vom 7. Oktober 2023 zeige dieses Muster deutlich: Zwar sei das israelische Leid kurzzeitig anerkannt worden, doch bereits wenige Wochen später habe sich die mediale Erzählung wieder gewendet – etwa durch die voreilige und später widerlegte Berichterstattung über einen angeblichen israelischen Angriff auf das Al-Ahli-Krankenhaus.

Teil einer größeren Entwicklung

Friedman sieht die Krise der Israel-Berichterstattung als Teil einer größeren Entwicklung: »Was ich damals als Fehlfunktion in der Israel-Berichterstattung wahrnahm, war in Wahrheit ein Vorbote einer viel größeren Transformation.« Die Presse, ebenso wie NGOs und Teile der akademischen Welt, habe sich von ihrer ursprünglichen Rolle als neutrale Beobachterin entfernt und sei zu einem ideologischen Akteur geworden.

Institutionen wie Human Rights Watch, Amnesty International oder renommierte Universitäten wie Harvard und Columbia würden zwar noch ihre traditionellen Namen tragen, verfolgten aber inzwischen andere Ziele.

Auf die Frage, wie man dieser Entwicklung begegnen könne, antwortet Friedman mit einer überraschenden Wendung: »Ich glaube nicht, dass der Kampf gewonnen werden kann. Antisemitismus lässt sich nicht besiegen.« Statt Ressourcen in den Kampf gegen Antisemitismus zu investieren, plädiert er für eine innere Stärkung der jüdischen Identität. »Wenn ich unbegrenzte Mittel hätte, würde ich dafür sorgen, dass junge Juden Zugang zu den Reichtümern der jüdischen Zivilisation bekommen – etwa durch Hebräischkenntnisse.«

Hebräisch sei der Schlüssel zu jüdischem Leben – ob zur Bibel, zur Literatur, zur Popkultur oder zur Verbindung mit Israel. »Wenn wir unsere Identität auf den Kampf gegen Antisemiten gründen, haben sie gewonnen«, so Friedman. Die Antwort auf die Krise liege nicht in Reaktion, sondern in kreativer Selbstbehauptung – ganz im Sinne von Theodor Herzl. Er habe in einer dunklen Zeit nicht protestiert, sondern ein neues Kapitel jüdischer Geschichte geschrieben.

Berlin

Israel-Flagge vor Rotem Rathaus eingeholt

Nach mehr als zwei Jahren wurde die Fahne am Dienstag vom Mast geholt. Die Hintergründe

 02.12.2025

Westjordanland

Messer- und Autoangriff auf israelische Soldaten

Innerhalb weniger Stunden kam es zu gleich zwei Anschlägen auf Vertreter des israelischen Militärs

 02.12.2025

Tel Aviv

Was passiert nach Netanjahus Begnadigungsantrag?

Versuche, die Prozesse durch eine Absprache zu beenden, gab es bereits. Selbst die Richter regten eine Einigung an. Wie steht es um die beantragte Begnadigung?

 01.12.2025

Meinung

Gratulation!

Warum die Ehrung der ARD-Israelkorrespondentin Sophie von der Tann mit dem renommierten Hanns-Joachim-Friedrichs-Preis nicht nur grundfalsch, sondern auch aberwitzig ist

von Lorenz Beckhardt  01.12.2025 Aktualisiert

Ehemalige Geiseln

»Eli war wie ein Vater für mich«

Alon Ohel und Eli Sharabi treffen sich nach der Freilassung zum ersten Mal wieder

von Sabine Brandes  01.12.2025

Haifa

Nach abgesagter Auktion: Holocaust-Zeugnisse jetzt in Israel

Die geplante Versteigerung von Holocaust-Zeugnissen in Deutschland hatte für große Empörung gesorgt. Nun wurden viele der Objekte nach Israel gebracht und sollen dort in einem Museum gezeigt werden

von Sara Lemel  01.12.2025

Jerusalem

Sa’ar kritisiert geplante Umbenennung des Dubliner Chaim-Herzog-Parks

Israels Präsident und Außenminister üben scharfe Kritik. Von einem »schändlichen und beschämenden Schritt« ist im Büro Isaac Herzogs die Rede

 01.12.2025

Tel Aviv

Tausende demonstrieren für Ran Gvili und Sudthisak Rinthalak

Der Vater von Ran Gvili sagt, es dürfe keinen »nächsten Schritt« geben, solange die Terroristen die letzten Leichen nicht herausgäben

 01.12.2025

Jerusalem

Bennett befürwortet Begnadigung Netanjahus – unter einer klaren Bedingung

Israel sei »ins Chaos und an den Rand eines Bürgerkriegs geführt worden«, so der Oppositionspolitiker. Um das Land aus dieser Lage herauszuholen, unterstütze er ein »verbindliches Abkommen«

 01.12.2025