Israel

»Alle Geiseln sollen ihre Mütter umarmen können - so wie ich«

Von einer Videoleinwand schaute er hinab zu den Tausenden, die gekommen waren, um für einen Geiseldeal zu protestieren: Der junge Israeli Almog Meir Jan, der vier Wochen zuvor von einem israelischen Spezialkommando bei der Operation »Arnon« aus der Geiselhaft in Gaza gerettet worden war, richtete sich am vergangenen Samstag zum ersten Mal an seine Landsleute.

Zehntausende Menschen protestierten an diesem Abend im ganzen Land und forderten die Freilassung der von der Hamas verschleppten Menschen. Meir Jan forderte die Politiker auf, anderen Geiseln dieselbe Freude zu ermöglichen, die er bei der Wiedervereinigung mit seinen Liebsten empfand.

In emotionalen Worten und mit Tränen in den Augen nannte er seine Befreiung eine »Wiedergeburt« und sprach darüber, wie viel ihm Umarmungen bedeuten. »Von dem Moment an, als ich freikam, haben mich so viele Menschen umarmt. Es ist ein endloser Strom von Liebe«, sagte er in der Aufnahme. »Ich hoffe, dass alle Geiseln in Gaza dieselbe Wiedergeburt erleben dürfen wie ich.«

Tattoo mit anderer Bedeutung

Er zeigte auf das Tattoo auf seinem Unterarm: »In Gaza dachte ich immer, wenn ich lebend zurückkomme, würde die Bedeutung meines Tattoos einen ganz anderen Sinn bekommen, als ich ursprünglich beabsichtigt hatte.« Es sind nur fünf Buchstaben, die für ihn heute die ganze Welt bedeuten: »Alive« – »Lebendig«.

Der 22-Jährige wandte sich auch an die Familie von Arnon Zmora und sprache ihr sein tiefstes Beileid aus. Zmora war bei der Operation für die Befreiung von Almog Meir Jan, Shlomo Ziv und Andrey Kozlov getötet worden. Am selben Tag wurde bei einer zeitgleichen Mission in einem anderen Gebäude im zentralen Gazastreifen auch die Geisel Noa Argamani gerettet. Meir Jan äußerte auch Worte der Bewunderung und Aufmunterung für Soldaten, die bei den Kämpfen in Gaza verwundet wurden.

Weiter betonte er, dass ein Abkommen zur Freilassung der verbleibenden Gefangenen entscheidend sei, »damit alle Mütter ihre Kinder und ihre Männer umarmen können – so wie ich jetzt meine Mutter jeden Morgen umarme«. Es sei wundervoll gewesen, seine Mutter wiederzutreffen. »Sie ist der Mensch, mit dem ich am engsten verbunden bin. Wir verstehen uns oft nur durch einen Blick.« In diesem Moment umarmen sich Mutter und Sohn in dem Video unter dem Beifall und den Jubelrufen von Tausenden Menschen.  

»Für die anderen 120 Geiseln helfen nur Stift und Papier.«

Orit Meir

Auch Almogs Mutter, Orit Meir, schaut dem Video zu. Denn an diesem Samstagabend ist sie nicht bei ihrem Sohn, sondern auf dem Platz der Geiseln in Tel Aviv. »Ich habe Almog ohne Abkommen zurückbekommen, eine Operation und viel Mut haben ihn mir wiedergebracht«, berichtet sie. Doch er sei nur einer von sieben, die seit jenem verfluchten Sabbat gerettet wurden. »Für die anderen 120 Geiseln helfen nur Stift und Papier. Wir haben eine starke Armee, tapfere Soldaten und Kommandeure, aber jetzt muss die Führung den richtigen Schritt gehen. Sie muss ein Abkommen unterzeichnen, und zwar sofort.«

Es sei die erste Kundgebung, an der sie seit vier Wochen teilgenommen habe. Doch davor habe sie jeden Samstag hier auf der Bühne gestanden - bis Almog zurückgebracht wurde. »Ich hielt sein Bild in der Hand und schaute hilflos zu meinen Mitmüttern.« Und es gebe noch so viel zu tun, macht sie klar: »Wir müssen weitermachen und dürfen nicht aufgeben, müssen vielleicht Kompromisse eingehen, denn Leben sind wichtiger als alles andere.«

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Mit ähnlichen Worten wie ihr Sohn fleht auch sie an diesem Abend: »Wir müssen weitermachen, damit meine Mitmütter die Lebenden umarmen können, und leider werden einige Trost darin finden, eine Blume auf die Gräber ihrer Kinder zu legen. Wir haben keine Zeit zu verlieren, kein Privileg zu warten, zu zögern oder zu verzögern. Neun Monate sind schon länger als die Schöpfung. Neun Monate sind die Zeit, um sie alle nach Hause zu bringen. Jetzt!«  

Am Sonntag schrieb Präsident Isaac Herzog auf X, dass sich die Mehrheit der Öffentlichkeit für einen Deal zur Freilassung der Geiseln ausspreche. Er drückte seine Solidarität mit den Familien der Opfer des »barbarischen Angriffs aus, bei dem Babys, Frauen, Männer und ältere Menschen am 7. Oktober ermordet, vergewaltigt, gefoltert und entführt wurden«.

Mehrheit der Israelis unterstützt Geiseldeal

»Unsere Verpflichtung, die Geiseln freizubekommen, ist absolut und überragend«, fuhr der Präsident fort. »Wir vergessen sie keinen Augenblick. Die Nation Israel vergisst sie keinen Augenblick. In jedem Haus und jeder Familie, in jeder Synagoge, in jeder Gemeinde, bei jeder öffentlichen und privaten Veranstaltung – wir hören von allen Seiten die Sorge um die Geiseln, das Gebet und den Schrei nach ihrer schnellen Rückkehr nach Hause.«

»Die ganze Nation will ihre Rückkehr, und eine absolute Mehrheit unterstützt einen Geiseldeal«, sagte er und betonte, dass »es die Pflicht des Landes ist, sie zurückzubringen. Und das ist der Kern des Konsenses.«

Nach Monaten ohne Fortschritte stehen Israels führende Unterhändler seit einigen Tagen mit den Vermittlerländern in Kontakt, um die Gespräche nach der Reaktion der Hamas auf einen israelischen Vorschlag für einen Waffenstillstand und einen Deal zur Befreiung der Geiseln wieder aufzunehmen.

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